Seit wann gibt’s denn auch zu Ostern Geschenke für Erwachsene? Seit die Festtagsindustrie das einfach beschlossen hat - meint Sylvia Treudl.

Ja. Schön. Schon schön. Immer wieder, doch, doch, durchaus. Feierlich, wenn auch nicht übertrieben. Das muß ja nicht sein. Eben so eher - na ja, Sie wissen schon. Und wenn das nicht wäre, man wüßte ja gar nicht, wo und was. Geht Ihnen doch sicher auch ähnlich. So ganz ohne, ich weiß nicht. Fehlte dann doch irgendwie was. Und da kann man dazu stehen, wie man will, aber. Gewisse Kleinlichkeiten muß man sich halt abschminken. Sicher ... aber Fehler passieren überall. Und bei einem Unternehmen, das so alt ist, ich bitte Sie - welcher Geschäftsleitung passieren da nicht im Laufe der Zeit ein paar Hoppalas? Gut, über den momentanen Geschäftsführer kann man geteilter Meinung sein, aber das ist halt das Kreuz mit Jobs, die lebenslänglich vergeben werden. Aber im allgemeinen läuft der Laden ja wie gehabt - und ohne die wesentlichen Zäsuren, die durch die Geschäftspraxis dieser Firma weltumspannend - na ja, wenn man von der zivilisierten, westlich orientierten oder zumindest auf die Firmenphilosophie hingetrimmten Welt spricht - gültig sind, wären wir doch alle orientierungslos.

Also ganz ehrlich - stimmt doch! Und "orientierungslos" muß ja nicht gleich im moralisch-ethischen Sinn interpretiert werden. Ich meine das viel banaler, eher so kalendertechnisch.

Ja, was täten Sie denn ohne die fixen Feste im Jahreskreis, ohne Weihnachten, Ostern, Pfingsten? Na eben. Feiertage, für die man sich nicht extra freizunehmen braucht. Feste, die die Wirtschaft ankurbeln - wenn auch bei Pfingsten noch jede Menge Nachholbedarf besteht. Da müßten findige Köpfe intensiv daran arbeiten (think tanks liegen eh gerade im Trend) - aber ich nehme an, es liegt weniger am Inhalt, daß Pfingsten noch nicht in die Riege der hemmungslosen Konsumschleuderei aufgestiegen ist, als an der Form. Osterhasen in Nikoläuse und umgekehrt zu verkleiden ist ja, wie mittlerweile jedes Kleinkind weiß, keine Hexerei. Aus Ohr mach Mützli und vice versa. Aber mit der (weißen) Taube hat man nicht nur im Bereich des Gebäudeschutzes Probleme - wie zum Geier soll aus so einem vermaledeiten Vogel ein Osterhase werden oder meinetwegen auch ein Krampus? Klassisches Problem von Form und Inhalt der Schokoladeindustrie. Das hat man von der Erleuchtung - schmeck´s. Aber vielleicht könnte man ja den Welttierschutztag auf Pfingsten verlegen und Marzipantauben anbieten und sie auf den von Ostern übriggebliebenen Schokoeiern, die in Wahrheit übriggebliebener Christbaumschmuck sind, brüten lassen oder so, das weiß ich im Moment en detail auch nicht genau. Vielleicht wäre ja die Ausschlachtung von Pfingsten als weiteres Fest der überteuerten Präsente an Leute, die man eigentlich nicht leiden kann, eine Chance für Branchen wie die Glühbirnenindustrie. Palettenweise könnten hochpreisige 100-Watt-Birnen angeboten werden, jedem seine individuelle Erhellung, Licht ins Dunkel ganz pragmatisch.

Nun, wie auch immer, zurück zum Wesentlichen. Man muß nicht das ganze Unternehmen lieben, um an ausgewählten Highlight-Inszenierungen teilzunehmen bzw. die Vorteile daraus abzusahnen. Als da wären: das sprichwörtliche "Alle heiligen Zeiten"-Meeting mit der lieben Familie und all den daraus resultierenden Konsequenzen (schließlich müssen ja auch Kriseninterventionszentren eine Lebensberechtigung haben). Der unvermeidliche Streß, bereits Tage vor dem kalendarisch zementierten Event, der sich in Lebensmittelläden und bei Weinhändlern manifestiert - unglaubliche Studien lassen sich da in schöner Muße in der Warteschlange vor der einzigen geöffneten Kassa bei Spar, Billa & Konsorten anstellen, über das Freßverhalten der aufrecht gehenden mitteleuropäischen Spezies des mutierten Homo sapiens (mittlerweile: Homo vacui). Ein einziger, läppischer Tag, der das ganz normale Wochenende eigentlich bloß um 24 Stunden Langeweile (geschlossene Einkaufstempel) und ein wenig Horror (Familienbesuche) erweitert, löst in dieser Gattung massenhysterische Panikattacken vor dem Verhungern aus, und die ganze Art regrediert in ein Stadium des knurrenden, aggressiven Futterneides, das dürftig vom sog. "Einkaufsverhalten" in den Filialen der diversen Lebensmittelketten bemäntelt wird.

Weiters tritt ein interessantes Phänomen, das die subjektive Wahrnehmung von Zeit anlangt, zutage: Die Individuen hecheln quasi mit letzter Kraft auf die angeblich herbeigesehnten Feiertage zu, haben dann schon vor Beginn allfälliger Feierlichkeiten a) die Schnauze voll, b) grausame Fadesse mit sich selbst und allen Beteiligten zu durchleiden, c) viel zu viel Zeit zum Totschlagen, um schließlich d) nach den Feiertagen darüber zu jammern, daß sie vorbei sind, was meist zu e) führt: der Planung des Jahresurlaubs.

Wenn das nicht spannend ist! Und all diese tiefschürfenden Überlegungen, Glasperlenspiele und Erfahrungen sowie deren Verfeinerung an der eigenen Haut verdanken wir dem Großen Unternehmen, das sich die Feiertage ausgedacht hat. Wäre die Gesellschaft nicht im Laufe der Jahrhunderte relativ zimperlich und wehleidig geworden, hätten wir noch viel knisterndere Unterhaltungen zu unserem Vergnügen - die das Große Unternehmen aber leider wegen schlechter Presse auf Empfehlung der PR-Chefs und aus Marketing-Überlegungen ausgesetzt hat.



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