Vampire sind im Rollenspieluniversum von "World of Darkness" die geheimen Beherrscher der Welt. In verschiedene Clans unterteilt, bestimmen sie bei Nacht die Geschichte der Menschheit. Die einen trauern ihrer verlorenen Menschlichkeit nach, während sie immer neue Intrigen schmieden, die anderen sehen sich als Herrenrasse des 21. Jahrhundert. Benjamin Mann war vor dem PC mit den Blutsaugern unterwegs.

Lange Zeit fieberte die Rollenspielgemeinde gespannt "Vampire - Die Maskerade", dem Debüttitel von Nihilistic Software, entgegen. Erklärtes Ziel der Gamedesigner war es nämlich, all die Vorteile von Tabletop-Rollenspielen am Computer in eine perfekte 3D-Welt zu integrieren. Obendrein wollte man PC-Spielern einmal die Chance geben, die andere, ursprüngliche Seite der RPGs kennenzulernen, und versah das Game daher mit einem Storyteller-Modus, in dem eigene Abenteuer geschaffen werden können.

In der Rolle als junger Kreuzritter hat der Spieler dafür zu sorgen, daß das Gute siegt und das Böse eins auf die Nase bekommt. Nachdem man im Kampf verwundet wurde, landet man im mittelalterlichen Prag in der Obhut einer jungen, hübschen Nonne. Doch bevor der Held noch Zeit hat, mit der Dame anzubandeln, muß er leider schon wieder in die Schlacht ziehen. Böse Ungeheuer terrorisieren die Einwohner von Prag. Als gottesfürchtiger Katholik kann man dabei natürlich nicht tatenlos zusehen, und so tigert man mit dem Segen des Kardinals los, um endgültig für Ruhe zu sorgen.

Dabei gerät der Protagonist aber dummerweise in die Fänge einer Vampirfürstin, die ihn schnurstracks in ein blutsaugendes Nachtschattengewächs verwandelt. Von da an wird die Story ziemlich komplex und auch überdurchschnittlich spannend. Im Laufe des Spiels hat man Gelegenheit, mehrere Großstädte (darunter auch Wien) in verschiedenen Epochen zu besuchen. Die ganze Welt des Spiels ist unglaublich gut in Szene gesetzt, und die Grafik gehört mit zum Feinsten, was je auf den Markt gekommen ist. Manchmal wirkt sie so echt, daß einen beinahe das Gefühl überkommt, man wäre in einer realen Stadt unterwegs.

Die Steuerung des Spiels ist denkbar einfach. In Echtzeit klickt und kämpft sich der vampirjagende Vampir durch die diversen Szenarrien, wobei die Maustasten mit unterschiedlichen Aktionen belegt werden können. Wer je "Diablo" gespielt hat, dem wird die Steuerung sehr leicht fallen; aber auch für Einsteiger ist sie äußerst einfach zu erlernen. Doch damit tauchen auch gleich die ersten Probleme bei "Vampire" auf: Die Kollisionsabfrage bei den Kämpfen ist nämlich schlichtweg unter aller Sau. An vielen Stellen im Spiel klickt man wie ein Irrer auf einen Gegner, nur um dabei zusehen zu müssen, wie die Spielfigur nicht in der Lage ist, einen schlafenden Bettler mit einem Baseballschläger zu treffen. Außerdem sind weder Abwehr- noch Ausweichaktionen der Gegner animiert - was bedeutet, daß es unmöglich ist, zu unterscheiden, ob man den Gegner nicht trifft oder ob er einfach nur gut ausweicht und verteidigt.

Während dies bei einer Spielfigur schon schlimm genug ist, wird es bei größeren Parties zu einem echten Problem. Da das Game in Realtime läuft, hat man einfach nicht die Zeit, zwischen den einzelnen Charakteren hin und her zu schalten. Die vordefinierten Parameter, nach denen alliierte NPCs kämpfen, sind erstens fast nutzlos und zweitens unsinnig. Stellt man einen NPC auf "defensiv", steht er nur doof in der Gegend herum und tut gar nichts, selbst wenn er mit einem Flammenwerfer attackiert wird. Bei "neutral" macht er, was er will, und die Einstellung "offensiv" läßt ihn sich mit nutzlosen Disziplinen (Vampirkräften) in den Kampf stürzen, was binnen weniger Sekunden zu seinem Tod führt. Noch dazu entscheidet das Game offensichtlich ganz von selbst, ob die ausgewählten Einstellungen bei einem Neustart noch aktiv sind. Ein Beispiel gefällig?

Einer meiner NPCs stürzt wie von Sinnen auf einige Gegner los und wird binnen kürzester Zeit zu blutigem Brei geschlagen. Mit seinen letzten Blutpunkten hätte er sich noch gut heilen können, aber was macht der Idiot? Er verwendet das letzte Blut, um seine Sinne zu schärfen... Als ob man geschärfte Sinne brauchen würde, um vier Brujahs mit Baseballschlägern zu entdecken. Also lade ich neu, klicke mich in die Charakteroptionen durch und befehle dem Idioten, daß er solche Dummheiten in Zukunft gefälligst zu unterlassen hat. Ein paar Minuten später vertreibt mich meine Freundin vom Rechner, läßt mir aber großzügigerweise noch Zeit, im "Safehouse" abzuspeichern.

Einige Stunden später spiele ich weiter und komme bald wieder zu besagtem Kampf. Und was macht Mr. Superhero NPC? Er stürmt los, wird zu blutigem Brei geschlagen und nutzt sein letztes Blut, um ... freudig die Aura seines Gegners zu untersuchen und mir mitzuteilen, daß dieser feindselig ist. Sehr witzig. Also betrachte ich wieder einmal die Optionen und muß feststellen, daß alle meine Einstellungen auf "Standard" zurückgesetzt sind. Nach ein paar weiteren Probeläufen komme ich dann zum Entschluß, daß das Game in schamloser Eigenständigkeit entscheidet, ob meine Einstellungen würdig genug sind, übernommen zu werden.



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