Sicherheit bedeutet totale Überwachung. Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten. Mit Orwellschen Slogans wie diesen werden wir in naher Zukunft wohl alle zu leben lernen müssen. Der EVOLVER präsentiert einen Exklusiv-Beitrag über das neue Sachbuch der österreichischen Bestsellerautoren und Zukunftsforscher Marion und Helmut Lammer.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch Ihre Küche, und plötzlich öffnet sich - wie von Geisterhand bewegt - die Kühlschranktüre und eine Schublade mit frischen Früchten schiebt sich Ihnen entgegen. Ihr implantierter Mikrochip hat soeben festgestellt, daß Sie überarbeitet sind und ein paar Vitamine benötigen. Er analysiert Ihre Körperfunktionen und sendet ein kurzes Signal zum Kühlschrank, der daraufhin die Tür und die richtige Lade öffnet. Nachdem Sie einen frischen Apfel und Trauben gegessen haben und Ihr mit Nanomaschinen versetztes Tischtuch die Speisereste von selbst gereinigt hat, teilt Ihnen der Heimcomputer mit freundlicher Stimme mit, daß Sie jemand elektronisch erreichen möchte. Sie schalten den Computer ein und sehen auf dem Bildschirm Ihre Frau, die Ihnen von ihrem Arbeitsplatz aus mitteilt, daß sie heute länger arbeiten muß und deshalb Sie die Kinder von der Schule abholen sollen.

Der weltweit vernetzte Heimcomputer mit Videophone hat das ausgediente Telefon längst ersetzt. Nachdem Sie Ihrer Liebsten einige persönliche Worte via E-Mail geschrieben haben, verlassen Sie Ihre Wohnung, die Sie mit einem Stimmenerkenner und Ihrem persönlichen Fingerabdruck abschließen. Längst haben biometrische Systeme, die Personen an ihrer Netzhaut oder am Fingerabdruck erkennen, Einzug in den Alltag gehalten. Ein am Computer angeschlossener Minisensor speichert Ihren Fingerabdruck und läßt nur Sie und die anderen registrierten Familienmitglieder in Ihre Wohnung.

Auf dem Weg zur Schule schlendern Sie durch die Geschäftsstraße ihres Wohnortes. Sie bemerken, wie sich ein über Ihrem Kopf schwebender diskusförmiger Flugkörper - eine mit verschiedenen Sensoren ausgestattete Drohne - auf eine verdächtige Person richtet, die mit einer offensichtlich gestohlenen Handtasche über die Straße läuft. Kurz darauf bricht der Handtaschenräuber zusammen und stürzt auf den Gehsteig. Die Überwachungsdrohne hat einen nicht-tödlichen Strahl mit gepulsten Mikrowellen auf den Dieb abgeschossen und zugleich seine persönlichen Daten durch seinen implantierten Identifikations-Chip (ID-Chip) abgelesen.

Das herbeigerufene mobile Einsatzkommando der Innenstadtpolizei weiß daher schon auf dem Weg zum Tatort, daß der gestellte Dieb aus einem Ghetto der Vorstadt stammt und seit einigen Jahren arbeitslos ist. Die Drohne hat die im ID-Chip gespeicherten Daten wie Paßfoto, Fingerabdruck, Adresse und Sozialdaten zur Polizei gesendet. Zwischenfälle wie diese sind im 21. Jahrhundert sehr selten geworden, da die installierten Überwachungs- und Kontrolleinrichtungen fast lückenlos funktionieren.

Da die Stadtgemeinde Infraschallgeneratoren zur Aufstandsbekämpfung und gegen unangemeldete Demonstrationen an den Grenzen zu den sozial schwachen Stadtvierteln angebracht hat, gibt es auch keine Unruhen und Geschäftsplünderungen mehr. Seit die Straßen mit einem verborgenen Videoüberwachungssystem ausgerüstet wurden und mit nicht-tödlichen Waffen ausgestattete Drohnen durch Wohn- und Geschäftsviertel patrouillieren, kann man sein Auto wieder ohne Probleme parken und muß keine Angst mehr vor Vandalen und Dieben haben.

Nach diesem kurzen Zwischenfall erreichen Sie das Schulgelände. Beim Durchschreiten des Schultors werden Ihre persönlichen Daten mit einem eingebauten Scanner von Ihrem implantierten ID-Chip automatisch abgelesen und dem Portier mitgeteilt. Der weiß sofort, daß Ihre Kinder diese Schule besuchen. Sie werden als Elternteil erkannt und dürfen deshalb ohne Probleme das Schulgelände betreten.

Noch vor einem Jahrzehnt kam es öfter vor, daß fremde Personen Kindern auf dem Schulgelände oder auf dem Weg von oder zur Schule auflauerten, sie entführten und ihnen sogar Gewalt antaten. Seit jedes Kind sein persönliches Lokalisierungsimplantat besitzt, haben auch diese Verbrechen abgenommen.

Ein Anruf bei der KidTrak-Zentrale genügt, um Ihren vermißten Sprößling oder Teenager via GPS- (Global Positioning System) oder LEO- (Low Earth Orbit) Satellitensystem und der durch die Ende der neunziger Jahre geschaffenen Handy-Telefonsendeanlagen-Infrastruktur in Echtzeit weltweit aufspüren zu können. Sollte sich trotzdem ein ehemaliger Kinderschänder vor einer Schule herumtreiben, kann man aufgrund seiner auf dem ID-Chip festgehaltenen Veranlagung früh genug ein mobiles Einsatzkommando rufen, das ihn festnimmt oder außer Gefecht setzt.



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