Fortsetzung...

Auf ihrer Suche nach dem ultimativen Breitwand-Bombast-Sound, der sich auf den Alben "Second Toughest In The Infants" (1996) und "Beaucop Fish" (1999) manifestierte, rückten Underworld zusehends näher an den Mainstream und außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Club-Kultur. Ihre überlangen Stücke, gekennzeichnet von opulenter Instrumentierung und wabrigen Flächen-Sounds, provozierten den Vergleich mit den Prog-Rock-Bands der Siebziger und erinnerten so manchen kritischen Hörer an die Gespenster der Vergangenheit. Gott sei Dank braucht man sich bei Underworld jedoch nicht vor halbstündigen Improvisations-Wichsereien zu fürchten. Auf ihrem aktuellen Live-Album "Everything, Everything" kommt es zwar vor, daß einzelne Stücke die Zehn-Minuten-Marke überschreiten, stringent bleiben sie aber allemal. Schließlich kommt ein großer Teil des Sounds in Form fertiger Patterns aus der Konserve, wobei Rick Smith und Karl Hyde noch einmal fest umrühren und das ganze im Endlos-Remix verschmelzen.

Über den grundsätzlichen Wert oder Unwert einer Live-Platte im Kontext elektronischer Tanzmusik läßt sich sicher trefflich streiten, aber gerade bei Underworld, deren Live-Auftritte regelmäßig für erhebliches Jubelpotential sorgen, ergibt sich der Mehrwert jenseits gewöhnlicher Geschmacksfragen vor allem aus dem Zusammenhang mit einem Publikum. Entscheidendes Kriterium ist der Mix, das Kommen und Gehen der einzelnen Elemente, die mit der Klangkulisse einer begeisterten Menschenmasse zusammenfließen und konsequent alle Dämme zwischen Pop, Rock und Rave niederreißen. Keine Ahnung, ob dadurch ein neues Evolutionsstadium elektronischer Musik eingeläutet wird oder die Musikgeschichte wieder rückwärts zu laufen beginnt - diese Fragen wird die Zukunft klären. Fest steht, daß die Innovationen anderswo passieren. Underworld befinden sich längst jenseits von heutigen State-of-the-art-DJ-Vorlieben und haben den originalen Rave-Spirit, die Demonstration von Energie, Spielfreude und Glück, aus dem Nischen-Underground ins Rockstadion verfrachtet.

Anfang des Jahres hat Darren Emmerson, der an der musikalischen Entwicklung von Underworld maßgeblich beteiligt war, die Band verlassen, um sich ganz auf seine Karriere als DJ zu konzentrieren. Vielleicht ist diese Trennung symptomatisch für die Veränderung der Bedingungen, denen Underworld sich unterworfen haben. Obwohl sie immer noch jede Menge subkulturelles Kapital aus den frühen Tagen als Glaubwürdigkeitsbeweis mit sich führen, erweckt "Everything, Everything" den Eindruck eines nostalgischen Sammelalbums, auf dem natürlich alle großen Hits von "Cowgirl" bis "Born Slippy" versammelt sind, und wirkt wie eine Verbeugung vor den 90ern und ihrem Publikum, mit dem Wissen, daß der Höhepunkt schon überschritten sein könnte. Als Vermächtnis hinterlassen Underworld nicht nur eine Live-CD, sondern gleich ein Multimedia-Paket inklusive Video und DVD. Damit wir uns alle an damals erinnern können, als...



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