Print_Felix R. Paturi - Die letzten Rätsel der Wissenschaft

Wandersteine und Maya-Schädel

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ein Physiker wagt einen Sachbuch-Vorstoß zu Phänomenen, die die Forschung unerklärlicherweise bis heute kaltlassen.    06.10.2005

Irren ist menschlich, und Papier ist geduldig. Glaubt man John Ioannidis von der Universität Ioannina, dann sind das die beiden Säulen, auf denen die moderne Wissenschaft steht. Laut einer Untersuchung des Epidemiologen führen Probleme mit Versuchsanordnungen und statistischen Verfahren dazu, daß "eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 Prozent besteht, daß die Ergebnisse einer beliebigen wissenschaftlichen Arbeit richtig sind". Die Ursachen für einen derartigen Kahlschlag der Forschung sieht Ioannidis in der "geringen Größe der Samples, schlechtem Studiendesign, Befangenheit der Wissenschaftler und selektiver Auswertung". Was - oder wem - kann ein wissensdurstiger Laie also überhaupt noch glauben, wenn schon die hehre Wissenschaft so unsicher durch die Wahrheit zaudert?

Ein guter Versuch ist "Die letzten Rätsel der Wissenschaft" des Physikers und Autors Felix R. Paturi, weil es dort um Dinge geht, von denen auch pragmatisierte Universitätsdozenten keine Ahnung haben. Zwar bieten die meisten der angeschnittenen Themen Stoff für ein oder mehrere "Akte X"-Episoden - doch Paturi läßt den Mulder an der Leine und versucht den dargestellten Phänomenen wissenschaftlich auf die Spur zu kommen. Wie gelang es beispielsweise den Mayas, Schädel aus Kristallstein zu schleifen? Ein entsprechendes Verfahren ist der Technik bis heute nicht bekannt. Paturi berichtet von "wandernden Steinen", sogenannten "freak-waves", die ganze Schiffe versenken können, Zahlenwundern aus dem Koran, religiösen und anderen Phänomenen. Daß er dabei auf dem Boden der Wissenschaft zu bleiben versucht (und verschiedene Rätsel ungelöst zurückläßt), macht sein Buch kein bißchen langweilig, im Gegenteil. "Die letzten Rätsel der Wissenschaft" ist eine Tour-de-force durch Randbereiche, in denen sich längst auch Verschwörungstheoretiker und Esoteriker breitgemacht haben, die von Paturi aber wieder ein bißchen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Trotzdem nähert er sich den Themen mit kosmopolitischer Offenheit - wie etwa der Wirkung der Homöopathie (von der das Nachrichtenmagazin "profil" erst kürzlich behauptete, es gäbe sie nicht) oder dem "Gedächtnis des Wassers".

Wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was da auf knapp 380 Seiten beschrieben wird, hat sich diese nette Sonntagnachmittagslektüre schon ausgezahlt.

Chris Haderer

Felix R. Paturi - Die letzten Rätsel der Wissenschaft

ØØØØØ


Eichborn Verlag (Frankfurt a. Main 2005)

 

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