Kino_Piranha 3D

Wenn Fische auswärts essen ...

In seinem trashigen Remake zeigt Regisseur Alexandre Aja müden Aquariumsbesitzern, was mit ihrer Lieblingstieren wirklich los ist. Neue Kunststücke haben sie aber seit dem ersten "Piranha"-Film aus den 70er Jahren auch in 3D nicht dazugelernt.    14.10.2010

Schlaflose Nächte kann das Drehbuch von "Piranha 3D" den Autoren Pete Goldfinger und Josh Stolberg nicht bereitet haben - und wenn doch, dann bestenfalls, weil sie sich in einer Nacht durch 40 Jahre Piranha-Filmgeschichte geschaut haben. Danach waren sie wohl ein wenig müde, denn gegen die Story, die ihnen für Regisseur Alexandre Ajas Tour de fish eingefallen ist, hat jeder Wetterbericht epische Tiefe. Daß die Killerfischlein nach unzähligen Kino- und Fernsehgastspielen noch einmal an Badegästen knabbern dürfen, liegt ausschließlich am 3D-Format. Das kommt jedoch leider gar nicht so gut zur Geltung, wie es das erste Drittel des Filmes eigentlich vermuten ließe - da sind nämlich vor allem halbnackte Mädels im und unter Wasser sowie der gelungene Busen von Kelly Brook zu sehen.

 


Richtig: Es ist wieder einmal Spring Break in Amerika, und alles, was sich schon zwischen den Beinen rasieren kann, besäuft sich am Strand. Wie es der Zufall will, öffnet ein kleines Erdbeben einen Spalt von einem unterirdischen See zum Lake Victoria, durch den auch prompt ein computeranimierter Piranha-Schwarm einen Ausflug unternimmt. Weil die Tiere, wie sich später herausstellt, seit knapp zwei Millionen Jahren nichts mehr gegessen haben, nehmen sie zuerst einen Fischer (Richard Dreyfuss) zur Stärkung ein und danach Kurs auf das Festgelände. Sheriff Julie Forester (Elisabeth Shue) versucht die Party abzublasen und den Strand zu sperren, aber wie wir seit vier Portionen "Weißer Hai" (1975 bis 1987) wissen, hört kein Schwein auf sowas. Und deshalb kommt es, wie es vorhersehbar im Drehbuch steht und kommen muß.

Nachdem Aja, der schon mit dem Wes-Craven-Remake "Hügel der blutigen Augen" ("The Hills Have Eyes", 2006) nicht wirklich überzeugen konnte, noch ein paar dramatische Einzelschicksale um den See verstreut hat, werden letztlich die Bösen genauso gefressen wie die Guten. Ein Ende gibt es genaugenommen nicht; auf das verzichtet der Regisseur zugunsten der Aussicht auf eine Fortsetzung, und man fragt sich ein bißchen, was man da eigentlich gesehen hat. Ein Gemetzel, genau, sonst nichts; eine Ketchup-Orgie, die selbst den Jahresverbrauch von Burger King und McDonald’s übertrifft.

Leider geht der der Gastauftritt von Richard Dreyfuss, der im "Weißen Hai" ("Jaws", 1975) mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte wie diesmal Sheriff Forester, ein wenig unter. Daß es sich beim Fischer Matt Boyd um eine Persiflage auf die von Dreyfuss in "Jaws" gespielte Figur des Matt Hooper handelt, wird der jugendlichen Zielgruppe vermutlich gar nicht auffallen. Schauspielerische Leistungen halten sich (trotz oder wegen der einschlägigen Horrorbesetzung) ohnehin in Grenzen - und auch der von Jerry O’Connell (bekannt aus der US-TV-Serie "Sliders") gespielte Pornofilmer, dessen Figur an den kalifornischen Schmutzfilmproduzenten Joe Francis angelehnt ist, fehlt der notwendige ... genau, Biß, Sie haben es erraten.

 

Wofür man "Piranha 3D" wirklich loben muß, ist die Kunst der Blut- & Beuschel-Truppe, die ganze Arbeit geleistet hat: so schön abgenagt hat nicht einmal Hannibal Lecter. Und letztlich geht es ja auch im ganzen Film nur um teilweise recht spektakuläre Gore-Effekte, die das Blut dreidimensional im Saal verspritzen sollen. Leider bleibt es vorwiegend bei der guten Absicht, denn der 3D-Effekt beeindruckt nur ganz selten und kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um eine gehypete Billigproduktion handelt. Ein wenig drängt sich der Vergleich mit den frühen 3D-Monsterfilmen auf, deren rot-grüne Brillen schon in den 50er Jahren für Augenschmerzen sorgten. Die Brillen sind zwar moderner geworden, doch das Rezept ist gleich geblieben. (Einen 3D-Versuch mit Fischen gab es übrigens bereits im Jahr 1983 mit "Der weiße Hai 3" ["Jaws 3-D"], über den Regisseur Joe Alves bis heute nur ungern spricht.)


Daß mit Ajas Fisch-Grusical wieder einmal das Popcorn-Kino Einzug in den 3D-Bereich hält, mißfällt übrigens Regisseur James Cameron, dessen "Avatar" (2009) das halbe Bruttoinlandsprodukt von Finnland verschlang (um genau zu sein: "Avatar" kostete kolportierte 460 Millionen Dollar, "Piranha 3D" nur knapp 23 Millionen). Seiner Meinung nach sollten nur aufwendige 3D-Filme produziert werden, damit diese Art des Kinos keinen schlechten Ruf bekomme und nicht mit trivialen Billigproduktionen assoziiert werde, wie damals in den Fünfzigern. Statt Musical soll es in der dritten Kinodimension also nur Oper geben, statt Piranhas nur Na’vi. Übrigens hat auch Cameron eine fischige Vergangenheit, die er wahrscheinlich lieber verschweigen würde: 1983 drehte er "Fliegende Killer" ("Piranha II"), wurde aber wegen "kreativer Meinungsverschiedenheiten" vorzeitig gefeuert.


B-Movie-Fans, die bluttriefende Einblicke in die menschliche Anatomie schätzen, werden trotz allem ihren Spaß an "Piranha 3D" haben. Der Streifen bietet zwar kaum Überraschungen und ist verblüffend humorlos, was Anspielungen auf frühere Filme betrifft, aber doch handwerklich gut gestrickte Unterhaltung. Auch wenn "Piranha 3D" als Pilot für eine Fernsehserie - die wir an dieser Stelle aber nicht heraufbeschwören wollen - vermutlich besser zur Geltung gekommen wäre als im Kino.

 

                             

Chris Haderer

Piranha 3D

ØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2010

89 Min.


Regie: Alexandre Aja
Darsteller: Ving Rhames, Elisabeth Shue, Christopher Lloyd u. a.

Links:

Kommentare_

Kolumnen
Ausweiskontrolle

Wie wir die NSA verwirrten ...

Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"  

Kolumnen
Ausweiskontrolle

The All American Big Data Online Election Show

Big Data und Social Media halten zusammen wie Pech und Schwefel. Ihnen verdankt Barack Obama seine zweite US-Präsidentschaft.  

Kino
Star Trek - Into Darkness

Phaserschmeichler

Zum zweiten Mal hat Regisseur J. J. Abrams den Motor der "Enterprise" angeworfen und sie auf eine für den Titel "Into Darkness" eigentlich recht gut ausgeleuchtete Reise geschickt. Chris Haderer ist eine Runde mitgeflogen.  

Termine
Festival des gescheiterten Films

Die große Show der tragisch Gescheiterten

Vom 8. bis 15. Februar geht das "Festival des gescheiterten Films" in den Breitenseer Lichtspielen vor Anker. Gezeigt werden Filme, für die es leider keinen kommerziellen Markt zu geben scheint.  

Termine
"Big Brother Awards" 2012

Name them & shame them!

Am 25. Oktober werden im Wiener Rabenhof die 14. "Big Brother Awards" verliehen. Traditionell finden sich unter den Nominierten illustre Namen von Beatrix Karl bis Marie Vassilakou.  

Kino
Die Wand

Bergsee mit Wand

Regisseur Julian Roman Pölsler hat sich an der Verfilmung von Marlen Haushofers "Die Wand" versucht - und ein schön photographiertes Hörbuch abgeliefert.