Print_Frederick Forsyth - Die Todesliste

Ach, Freddie!

Der britische Autor feierte vor kurzem seinen 75. Geburtstag - und es ist leider nicht immer schön anzusehen, wenn lebende Legenden in die Jahre kommen. Martin Compart liefert seine ganz private Stellungnahme zum neuen Thriller von Frederick Forsyth.    07.02.2014

Es ist immer schmerzhaft, wenn ein Jugendidol verblödet und man dessen Niedergang miterleben muß. Beispiele dazu gibt es für jeden Geschmack: Mit Bestürzung beobachte ich seit Jahrzehnten, wie Mick Jagger immer noch gerade die Kurve kratzt, um nicht komplett als alternder Rock´n´Roll-Dandy zu verpeinlichen.

Richtig schlimm war für mich dieses Jahr aber der endgültige Absturz von Frederick Forsyth. Freddie war politisch ja immer ein anständiger britischer Konservativer. In der Jugend ein rebellischer Journalist (anti-britisch im Biafra-Krieg), wandelte er sich im Laufe der Jahre mehr und mehr zum Krämerssohn, der Anerkennung durch die herrschenden Schichten suchte. Gelegentlich bemerkte er noch, daß die mächtiger werdenden Neo-Cons alles verraten, was sowohl Konservativen wie auch Sozialisten wichtig war. Leider verwirrte sich sein politisch ohnehin nie sonderlich entwickelter Verstand in den letzten paar Jahren jedoch zunehmend. Das schlägt sich auch in seinen devoten Thrillern Cobra und Die Todesliste aufs Betrüblichste nieder.

 

 

Natürlich hat es der alte Faktensammler und Indizienfetischist noch immer drauf, einen spannenden Kriminalroman zu entwickeln. Noch immer gräbt er Faktisches aus, das dem Leser ansonsten nur schwer zugängliche Informationen vermittelt. Noch immer kann er wunderbar seinen journalistischen Stil präsentieren (allerdings meilenweit entfernt von seinen literarischen Meisterwerken Der Afghane oder In Irland gibt es keine Schlangen).

In "Die Todesliste" ist er nun aber endgültig auf die Lügen der Verbrecher in New York, dem Pentagon, Maryland und Downing Street hereingefallen und zum Troubadour des ewigen Kampfes gegen den Terrorismus verschleimt - vielleicht ein letzter Versuch, noch den Ritterschlag zu erkriechen. Wenn man seinen aktuellen Roman gelesen hat, sollte man als Korrektiv unbedingt zwei Bücher zur Hand nehmen, die Freddie bei seiner Recherche wohl nicht berücksichtigen konnte: Mark Mazzettis Killing Business (Berlin Verlag) und Jeremy Scahills Schmutzige Kriege (Verlag Antje Kunstmann). Beide zeigen detailliert (Scahills Buch ist mit 718 Seiten das umfangreichere und detailversessenere, leider aber auch ohne Register) die Entwicklung der CIA (und der Killerbrigade JSOC) von einem miesen Verein, der vor Mord nie zurückschreckte, zu einer regelrechten Killer- und Folterorganisation mit fast unbegrenzten Mitteln im Privatauftrag des wirtschaftlich-militärischen Blocks.

Ganz nebenbei erfährt man, wie das Tanzäffchen Obama brav und folgsam in mehr als 70 Ländern verdeckte Kriege eingerichtet hat. Dank der Drohnen, die lange nicht so präzise sind (oder ist das gewollt?), wie Freddie uns einreden will, kommt es dabei unter Zivilisten zu unfaßbaren "Kollateralschäden". Und diese produzieren natürlich anti-amerikanischen Nachwuchs. Der dient dann wiederum den destruktiven US-Interessen, da sich die Verantwortlichen auf weiterhin zunehmendes Bedrohungspotential berufen können, um den Krieg weiter auszudehnen. Im Windschatten profitiert auch die deutsche Rüstungsindustrie davon, die dank der Heloten Schröder und Merkel inzwischen zum mindestens drittgrößten Waffenlieferanten der Welt aufgestiegen ist.

All diese Hintergründe bleiben vom großen alten Mann des Thrillers völlig unbedacht. Ihn faszinieren nur die Zwischenhändler und Endverbraucher des Todes. Diagnose: einseitige Gehirnverkalkung.

Ach, Freddie! Ich habe jahrzehntelang (seit Deinem Erstling) jedem neuen Buch von Dir entgegengefiebert. Manche waren besser, manche nicht ganz so toll, aber sie waren immer ein Lesevergnügen. Doch "Die Todesliste" ist, trotz des Kotaus mancher widerwärtiger liberaler Medienkellner, einfach nur eine Dirty-old-man-novel.

Bye, bye, Freddie. Du warst einer der Besten. Dein Platz im Pantheon des Thrillers bleibt trotz allem unangefochten.

 

Martin Compart

Frederick Forsyth - Die Todesliste

(The Kill List)

Leserbewertung: (bewerten)

C. Bertelsmann (D 2013)

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