Stories_Verlagsporträt: Baen Books

Legale Action-Drogen

Dunkle Tage, Schmuddelwetter und womöglich eine Erkältung im Anzug - da brauchen selbst sonnige Gemüter zuweilen einen Stimmungsaufheller. Den gibt es jedoch weder beim Arzt noch beim Dealer an der Ecke. Gegen die kleinen und größeren Tiefs im Leben hilft nur ein bewährtes und rezeptfreies Allheilmittel: Eskapismus-Literatur!    18.12.2007

Schlechte Laune bekämpft man am besten mit dicken Schwarten, wie sie auf der Website des amerikanischen Verlags Baen Books zu entdecken sind. Unter www.baen.com findet sich, was den Menschen vom leidigen Tageseinerlei ein paar frohe Schmökerstunden lang erlöst: In Sachen SF und Fantasy verlegt das Familienunternehmen einen Pageturner nach dem anderen.

Ob epische Dramen mit reichlich Fortsetzungen oder Schlag-drauf-und-Schluß-Knaller, in denen gerne mal ganze Planeten in Schutt und Asche gelegt werden - der angebotene Lesestoff lenkt garantiert vom Alltagstrott ab und stimmt dabei angenehm hoffnungsfroh. Auch wenn die Odysseen der fiktiven Helden manchmal lange dauern, das Gute gewinnt immer!

Wer sich vom kruden Design der Website und der ebenso wüsten bis peinlichen Gestaltung der Buchcover nicht abschrecken läßt und auch noch des Englischen mächtig ist, der findet bei Baen eine prall mit Abenteuergeschichten gefüllte Schatzkiste, die ihresgleichen sucht. Die Liste der Autoren ist lang: Renommierte Schreiber wie Lois McMaster Bujold (der Zyklus um Miles Vorkosigan alias Admiral Naismith gehört aufgrund seines Suchtpotentials auf die Liste der verbotenen Substanzen) oder David Weber (der Mann, der die smarte Raumschiffkommandeurin Honor Harrington erfand) sind ebenso vertreten wie Jungschriftsteller, die hier oft eine erste Chance zur Veröffentlichung bekommen.

Der alte Jim Baen, Gründervater des Verlags, selbst begeisterter Science-Fiction-Fan und früher unter anderem Redakteur beim legendären SF-Magazin "Galaxy", ist leider im vergangenen Jahr verstorben, aber die Erben scheinen den Laden in seinem Sinne weiterführen zu wollen. So ist Baen immer noch die richtige Adresse, wenn es ums weite All oder magische Welten geht, in denen sich brave Haudegen mit dem ewig Bösen kloppen - wahlweise mörderische Aliens, fiese Zauberer oder gern auch finstere politische Verschwörer, die ganze Sternensysteme in den Krieg reißen.

Daß dabei nicht alle Bösen immer nur pechschwarz daherkommen und auch die Guten ihre Leichen im Keller haben, spricht für das Können der bei Baen beheimateten Schriftsteller. Was auf den ersten Blick aussieht wie purer Trash, ist von durchwegs hoher Qualität, weil die Autoren von Baen halt schreiben können. Jim Baen hatte tatsächlich ein Auge für Talente, und seine Nachfolger arbeiten bislang in seiner Tradition weiter.

In gewisser Weise ist Baen ein Internet-Phänomen - viele der dort verlegten Schriftsteller hätten wahrscheinlich ohne das Web kein noch so kleines Taschenbuch veröffentlichen können. Jim Baen hat ziemlich früh begriffen, welche Möglichkeiten das Netz bietet und neben dem Aufbau einer lebendigen Community - "Baen´s Bar" - so ziemlich alles ausprobiert, was die Technik hergibt. Dabei interessierte den Mann nicht die Bohne, wie er sein Web-Angebot am besten gegen böse Netzpiraten abschotten konnte.

Bei Baen ist der User König. Neben der Möglichkeit, Web-Abos zu erwerben, kann man sich in viele Neuerscheinungen online kostenlos einlesen. Ganze Kapitel werden als sogenannte Snippets vorab veröffentlicht. Schneller anfixen geht nicht, und besser kann man in dem Tempo auch kaum neue Autoren kennenlernen. Dann gibt es noch eine "Free Library", in der vollständige Bücher kostenlos in elektronischer Form für klamme Leseratten zur Verfügung stehen. Auch in der "Baen Bar" haben Neuerscheinungen ihren Platz: Die Autoren können dort Textausschnitte posten und so ihre Werke einem diskussionsfreudigen Kreis von Interessenten publik machen. Und für Hardcore-Fans gibt es eARC, die "Advanced Reader Copy": eine unpolierte Rohfassung noch unveröffentlichter Storys, für die man aber 15 Dollar hinblättern muß.

Baen-Autoren müssen jedenfalls nicht verhungern. Auch die Hardcopies verkaufen sich ordentlich - trotz (oder wegen?) der scheußlich-kitschigen Einbände. Fakt ist: Viele Baen-Bücher sind einfach so gut, daß man sie selber haben muß. Das kann die Autorin dieser Zeilen aus eigener Erfahrung nur bestätigen.

Anette Keiser

Baen Books im Web


www.baen.com

ist, wenn man sich für Science-Fiction- und Fantasy-Stoffe begeistert, ein einzigartiger Ort im Web.

 

Baen Books

sind über etliche Online-Buchhändler (Liste auf der Website) erhältlich.

Einige bekannte Baen-Autoren werden auch ins Deutsche übersetzt, aber: Hände weg, da Pfusch! Greifen Sie lieber zum Original - Raumschlachten machen auf Englisch sowieso mehr Spaß!

Links:

Buch-Tip: David Weber & John Ringo - Die "March Upcountry"-Serie

erschienen bei Baen Books

Leserbewertung: (bewerten)

In vier fetten Bänden erzählen die Autoren, beide versierte Military-SF- und Fantasy-Experten, die Geschichte vom verwöhnten Prinzen, der knapp einem Mordkomplott entgeht, aber dafür auf einem steinzeitlichen Planeten mit elendem Klima, brandgefährlicher Fauna und blutgierigen Wilden strandet. Weil das Raumschiff explodiert ist, muß sich der junge Schnösel mit seiner kleinen (aber beinharten) Truppe über den ganzen Planeten kämpfen, um die einzige Bodenstation zu erreichen, von der die Heimkehr möglich ist. Das tut er in den ersten zwei Bänden March Upcountry und March to the Sea und wird auf der langen Tour zum Mann, der sich den Respekt seiner Soldaten verdient.

Auf dem Weg zurück in die Zivilisation müssen zig Schlachten geschlagen, Eingeborene von Tyrannen befreit und Monster gekillt werden. Die Truppe wird durch die lebensfeindliche Umgebung gnadenlos dezimiert, gibt aber - wie es sich gehört - nicht auf. Nachdem der Stützpunkt endlich erreicht ist, stellen unsere Jungs fest, daß sie noch lange nicht aus dem Schneider sind. Das Imperium ist in den Händen eines Umstürzlers, die kaiserliche Familie ermordet, die Kaiserin unter Drogen gesetzt - kurz und gut: Unser Held, nunmehr rechtmäßiger Thronerbe, muß weiterkämpfen, was er mit nur mehr einer Handvoll Krieger in March to the Stars auch erfolgreich hinbekommt. Bis er und seine Mannschaft endlich die Basisstation erobern und ein Schiff kapern können, um nach Hause zu fliegen, geht´s allerdings noch mal kräftig zur Sache. Schlußendlich muß im letzten Band We Few die Heimat vom Okkupanten befreit werden. Daß die Protagonisten diesen letzten Kraftakt auch noch bewältigen, ist klar. Aber wie sie das hinbekommen, das ist absolut lesenswert.

Die beschriebene Karriere vom verantwortungslosen Kleiderständer zum künftigen Imperator bietet neben all der blutig detaillierten Action fein gezeichnete Charaktere, denen man Männerfreundschaft und große Liebe ebenso abnimmt wie Schmerz und Verzweiflung, aber auch Kampfgeist und sogar Humor.

Links:

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