Stories_BadApple

Die Leute von der Cupertino-Ranch

Steve Jobs hat aus Apple eines der erfolgreichsten Technologie-Unternehmen der Gegenwart gemacht - das nur wenig mit dem Geist der Gründertage gemein hat.    01.09.2011

Der schlaksige Mann auf der Bühne war kein Rockstar, das Publikum hielt ihn aber offenbar trotzdem für einen. Er war noch keine drei Schritte ins Licht der Scheinwerfer gegangen, als im Saal ein Lärmorkan losbrach: Klatschen, Schreie, Johlen, Fußgetrampel. Steve Jobs war anzusehen, daß er das Bad in der Menge genoß, obwohl es im Jahr 1998 nicht besonders gut um Apple stand. Sein Auftritt auf der MacWorld Expo in Paris war sein erster in Europa als wiederernannter Apple-Chef. Erst ein Jahr davor hatte ihn der Vorstand - nach seinem Rausschmiß im Jahr 1986 - wieder ins Boot zurückgeholt.

Die Reaktion des französischen Expo-Publikums war erstaunlich: Die Leute benahmen sich tatsächlich so, als wäre ein lang verreister Verwandter heimgekommen. Ein einzelner Mann, der einen fuchshaft verschlagenen Eindruck machte, versetzte die Menge in Begeisterung, ohne ein Wort zu sagen. Seine charismatische Präsenz ließ die Anwesenden wissen, daß sie einem exklusiven Kreis angehörten. Sie waren keine gewöhnlichen Anwender, wie etwa die Kunden von IBM und Microsoft, sondern Teil einer Bewegung, ähnlich wie sie Guy Kawasaki in seinen Büchern "The Macintosh Way" und "Selling the Dream" Anfang der 80er Jahre beschrieben hatte.

Der ehemalige Apple-Mitarbeiter gilt als ältester "Technology Evangelist" des Unternehmens. Sein Erfolgsrezept lautete, daß man Konsumenten zu begeisterten Fans eines Produkts oder einer Philosophie machen müsse, zu Evangelisten, die missionarisch den wahren Glauben in die Welt hinaustragen. Es gab keinen anderen Computer, über den die Leute abends an der Bar redeten wie über einen Freund. Es gab damals allerdings auch noch nicht so viele Computer.

 

Die Besucher der MacWorld Expo schienen allesamt Evangelisten zu sein, die einen großen Teil ihrer Begeisterungsfähigkeit in Apple steckten. Irgendwie waren sie tatsächlich eine Gemeinschaft, die im Macintosh ein besonderes Werkzeug sah. Diese Einstellung zeigte sich im "1984"-Werbeclip von Regisseur Ridley Scott, mit dem während des US-Superbowl des besagten Jahres der Mac angekündigt wurde: ein individuelles Werkzeug als Gegenpol zu einem gleichgeschalteten System - bloß daß die orwellschen Trauergestalten in der Apple-Interpretation für die damaligen IT-Granden standen.

Durch Apple und den Macintosh sollte alles anders werden, suggerierte die Botschaft. Im Clip ging es nicht einmal darum, was man mit dem Mac machen konnte, sondern daß man durch ihn die Freiheit hatte, alles zu tun (solange die dafür notwendige Software schon erfunden war). Das Publikum der MacWorld Expo in Paris schien von diesem Gefühl getragen worden zu sein. Für Steve Jobs und Apple war es aber der erste Schritt auf dem Weg zum Umbau des Unternehmens vom Erfinder des Personal Computers zu einem Lifestyle-Hersteller - und nicht zuletzt zu einem zentralistisch gesteuerten Konzern.

 

Der Steve Jobs, der im August 2011 seinen Rücktritt als Geschäftsführer von Apple Inc. bekannt gab, ist seit Paris mehr als 13 Jahre gealtert. Im Jahr 2004 laborierte der 56jährige Veganer an Bauchspeicheldrüsenkrebs; 2009 nahm er eine erste Auszeit, um sich einer Lebertransplantation zu unterziehen; Anfang 2011 zog er sich erneut aus dem Tagesgeschäft zurück; am 24. August kündigte er seinen Job und ließ sich zum Aufsichtsratvorsitzenden von Apple wählen. Während sich Apple langsam zu einem der erfolgreichsten US-Technologieunternehmen der Gegenwart entwickelte, ging es mit der Gesundheit von Jobs ebenso konsequent abwärts. Die im Moment durch die Presse zirkulierenden Photos lassen darauf schließen, daß er nie mehr an der Spitze irgendeines Unternehmens stehen wird.

An diesem Punkt der menschlichen Tragödie angelangt, ist Steve Jobs immer noch ein polarisierender Charismatiker. Auf der einen Seite ist es seine klare, auf Consumer und einfache Bedienung ausgelegte Produktphilosophie, die ihn über einen CEO von der Stange hinaushebt - auf der anderen Seite beschreiben ihn Chronisten wie Leander Kahney als "control freak extraordinaire." Er sei aber auch "ein Perfektionist, ein Elitist und ein strenger Vorgesetzter", wie er im Buch "Inside Steve’s Brain" charakterisiert wird: "Aber mehr als alles andere ist er ein Verrückter, dem man nachsagt, daß er Leute im Aufzug feuert, Partner manipuliert und auch Anerkennung für fremde Leistungen entgegennimmt."

Er habe durchaus etwas von einem Soziopathen, hält Kahney fest, motiviert "von den niedersten Instinkten: Kontrolle, Demütigung, Dominanz". Seiner zweiten Amtszeit ist es allerdings zu verdanken, daß es Apple heute überhaupt noch gibt. Gleichzeitig hat sich das Unternehmen von der coolen Alternative zu den Nummernfressern der Branche zu einer Art Google des Lifestyle-Segments entwickelt, zu einem neoliberalen Moloch, der Kunden und Lieferanten gleichermaßen knebelt. Während sich der Rest der IT-Welt die Hard- und Software-Lieferanten aussuchen kann, haben Apple-Kunden keine oder kaum Wahlmöglichkeiten. Das hat, trotz fulminanter Produkte, nur recht wenig mit der freien Geisteshaltung der Gründertage zu tun.

 

Das neue Jahrtausend brachte Apple tatsächlich eine neue Geisteshaltung. Nach Paris und der Rückkehr von Steve Jobs kamen der iMac, die Umstellung der Computerlinie von PowerPC- auf Intel-Chips, Mac OS X, die iOS-Produkte, die Streichung des Wortes "Computer" aus dem Firmennamen und der Aufbau eines isolierten Ökosystems, das Macht über Hardware, Software und Inhalte bedeutet.

Das hat etwas von einem Film noir, von typischen Verschwörern in einem französischen Psychokrimi, von leisen und unauffälligen Schachzügen, bis sich die Protagonisten plötzlich in einem Netz gefangen sehen, in das sie sich selbst mit einem Lächeln auf den Lippen verstrickt haben. Wäre Apple eine Partei, dann hätte sie im letzten Jahrzehnt einen Schwenk vom linken Lager nach Schwarz/Blau vollzogen.

 

Im Jahr 1986 verließ Steve Jobs erstmals Apple. Freiwillig, bevor ihn der damalige CEO und ehemalige Pepsi-Manager John Sculley feuern konnte. Durch unstimmiges Marketing hatte Jobs das Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht - wo es elf Jahre später durch eine aufgeblähte Produktlinie und unrentable Produktionsstätten wieder stand.

1992 war Apple nach IBM der zweiterfolgreichste Computerhersteller der Welt, zwei Jahre später eine wirtschaftliche Ruine. Während seiner Absenz kaufte Jobs nicht nur das damals gerade vor seiner ersten Blüte stehende Trickfilmstudio Pixar (wodurch Jobs heute größter Einzelaktionär der Disney Studios ist), sondern gründete auch die Computerfirma NeXT, mit der er Apple vom Erdboden fegen wollte.

 

Auf den ersten Blick war Jobs aus Rachegelüsten geborenes NeXT-Abenteuer eine Pleite der Sonderklasse. Innerhalb von acht Jahren wurden weltweit nur knapp 50.000 Stück des schwarzen Computers verkauft, vorwiegend an das Schweizer Teilchenforschungsinstitut CERN und an den US-Geheimdienst CIA. An Kollateralschäden hinterließ der Ausritt weltweit ein paar tausend Händler, deren Konkursanträge das Wort "NeXT" gemeinsam hatten (in Österreich erwischte es beispielsweise das NeXT-Center des Apple-Händlers Hard+Soft).

Diese "Bauernopfer" machten NeXT aber langfristig zu einem Erfolg für Steve Jobs, denn das NeXTStep-Betriebssystem ebnete ihm 1997 den Weg zurück in den Chefsessel von Apple. Gleichzeitig lieferte es die technologische Basis für das heutige Mac OS X. Ende der 90er hatten die Apple-Entwickler große Probleme, ihr in die Jahre gekommenes Betriebssystem auf ein aktuelles Niveau zu hieven, weshalb dem damaligen CEO Gilbert Amelio viel an einem Deal mit Jobs lag.

Genaugenommen ging Jobs mit NeXT über die Leichen seiner weltweiten Geschäftspartner - was sich dieser Tage mit der sukzessiven Ausschaltung des Franchise-Händlernetzes durch die verschiedenen Online-Stores wiederholt. Wer sich mit Apple einläßt, schließt wirtschaftlich so etwas wie einen Pakt mit dem Teufel, denn die Margen, die sich mit dem Verkauf von Apple-Hardware erzielen lassen, sind minimal und liegen bei gerade einmal fünf Prozent. Obwohl Apple heute mehr Computer verkauft als je zuvor, ist das Unternehmen in der Geschäftswelt nach wie vor ein eher kleines Licht.

 

Ich selbst entdeckte den Macintosh nicht, weil ich neugierig war oder die Firma Apple interessant gefunden hätte, sondern weil ich es mußte. 1989 hatte ich keine Ahnung, was an Apple Besonderes dran sein sollte. Das Programm "HyperCard", das eine frühe Annäherung an das im Web umgesetzte Hyperlink-Konzept war und von Apple kostenlos verteilt wurde, hielt ich für eine Graphikkarte oder etwas in der Art.

In der Annahme, daß ein Mac nicht grundlegend anders sein würde als ein PC mit CP/M oder MS-DOS, dauerte es einige Stunden, bis ich herausfand, daß man diese verdammte Graphikoberfläche nicht abschalten konnte und es auf einem SE nichts mit einem DOS-Prompt Vergleichbares gab. Der SE war damals ein recht beliebtes Stück, das bis Anfang der 90er verkauft wurde. Seine Weiterentwicklung war der SE/30, bei dem Apple erstmals mit einem Namensproblem konfrontiert wurde. Bisheriger Usus war die Erweiterung des Produktnamens um den Buchstaben "x" für "Extended" - worauf beim SE in vorauseilender Keuschheit allerdings verzichtet wurde.

Die stattdessen zur Erweiterung verwendete Zahl weist auf den Prozessor hin, einen Motorola 68030. Er tuckerte mit einer Taktgeschwindigkeit von 16 MHz über das Parkett, was sich zum heutigen Tempo etwa so verhält wie die Schlange an der Supermarktkasse zu einem Marschflugkörper. Unter Graphikern und anderen Wölfen war der SE/30 allerdings sehr beliebt, obwohl man während des Ausdruckens von Korrekturfahnen durchaus mehrere Kinder großziehen konnte (ich glaube, daß viele Graphiker immer noch Apple-Geräte kaufen, weil sie sich nicht trauen, einen zwanzig Jahre alten Fehler zuzugeben. Manche haben sogar Kinder in diesem Alter).

 

Apple hatte einen durchaus elitären, vor allem aber noblen und geschmackvollen Touch. Die Produkte waren teurer als andere, aber sie waren auch schöner. Apples Vorteil war die graphische Bedieneroberfläche Finder, später MultiFinder, denen Microsoft - noch - nichts entgegensetzn konnte.

Der Aufstieg von Microsoft zum umsatzstärksten Softwarehersteller der Welt begann erst 1993 mit Windows 3.1. Der Mac war anders, einfacher, kreativer - aber er war dadurch nicht zwangsläufig vom Start weg ein Bestseller. Der erste Mac erwies sich in der Praxis als überteuert und von der Peripherieausstattung als zu klein gedacht. Der Macintosh Portable, der etwa zwei Jahre vor dem Notebook-Durchbruch erschien, war so schwer wie ein Standgerät; mit einer Akkuladung, die gerade von Wien bis St. Pölten reichte. Der Handheld Newton und der Multimediaplayer Pippin waren überhaupt Rohrkrepierer, die still und leise in der Versenkung verschwanden. Auch das iPad wäre besser gleich in der 2er-Variante erschienen.

Was ich damit sagen will: In vielen technologischen Aspekten gab und gibt Apple unbestritten die Richtung vor. Aber oft sind die Cupertiner zu früh dran, gehen mit unterdimensionierter Hardware ins Rennen und haben dann bei der Weiterentwicklung Probleme, mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Natürlich werden Produkte nachgebaut, kopiert, geklont - allerdings werden auch sie weiterentwickelt, und manchmal kommt etwas Besseres dabei heraus als das Original. Der Lauf der Technologie.

Daß die aktuellen Patentklagen gegen Samsung ausschließlich die Optik der Geräte betreffen und nicht die Technologie, entbehrt nicht einer humoristischen Note. Beim schützenswerten iPad handelt es sich beispielsweise um "ein rechteckiges Produkt mit vier gleichmäßig abgerundeten Kanten", das im eingeschalteten Zustand farbige Icons auf dem Display zeigt. Eine Liste von insgesamt sechs derart "kennzeichnungsstarken Elementen" war für das Landesgericht Stuttgart Ende August Grund genug, einer Klage von Apple gegen Samsung stattzugeben. Seitdem darf das Galaxy Tab 10.1, ein auf dem Android-Betriebssystem von Google basierender Tablet-Rechner, in Deutschland nicht mehr verkauft werden. Tatsächlich sind sich die Geräte zwar im Aussehen mehr als ähnlich, unterscheiden sich aber gerade durch die Technologie grundlegend im Look & Feel. Das ist die eigentliche Stärke von Apple: das Entdecken von Wegen im Neuland der Interaktion zwischen Mensch und Maschine (oder Informationen). Die Hardware hätte auch anderen einfallen können.

Die Auseinandersetzung zwischen Apple und Samsung ist aber umso spannender, als die Cupertiner laut der Presseagentur AFP im vergangenen Jahr nach Sony die weltweit zweitgrößten Abnehmer von Samsung-Bauteilen waren. Viele Beobachter sehen "verblüffende" Ähnlichkeiten mit Apple-Produkten im Samsung-Sortiment. Der deutsche Branchendienst Meedia bezeichnete Samsung anläßlich der Vorstellung eines Notebooks, das dem MacBook Air nicht unähnlich war, als "Ersatz-Apfel für Apple-Hasser".

 

Ob der Sündenfall von Apple mit dem iMac begann oder erst mit dem iPhone 4, ist Geschmackssache. Durch die vierte Auflage des Smartphone-Wunders bekam der bislang teils elitäre, teils souveräne Ton, den Apple im Umgang mit dem Rest der Welt bislang an den Tag gelegt hatte, eine fühlbar arrogante Note.

Obwohl ein Antennenfehler an der schwachen Sendeleistung des Geräts Schuld war, rotzte Steve Jobs seinen Kunden ins Ohr, sie würden ihre Telefone falsch halten. Anderen Systemwelten konnte er ans Bein pinkeln - aber den eigenen Club anpissen? Für Heiterkeit in der Branche war gesorgt.

Damals hat Apple aufgehört, mit Kunden und Medien zu kommunizieren. Mittlerweile gibt es über neue Produkte nicht viel mehr zu erfragen als das, was in den uniformen Pressemeldungen steht. Wer bei Apple arbeiten will, muß als erstes ein Schweigegelübde ablegen und "Kein Kommentar" in mindestens vier Sprachen beherrschen. Und er muß sich mit Superlativen so gut auskennen, daß er bei Bedarf neue erfinden kann. Es gibt keine Anzeichen, daß Tim Cook, der neue Captain von Starship Apple, etwas am Managementstil ändern oder das Unternehmen etwas öffnen wird.

Apple wird es in den nächsten zwei Jahren vermutlich schwerer haben als je zuvor. Losgelöst vom Kult der frühen Jahre, muß es sich als beinharter Computerkonzern unter gewerbsmäßigen Wölfen durchschlagen - und das Unternehmen ist auf dem besten Weg dazu, das Alphatier der Herde zu werden. Auch wenn das enttäuschend für viele sein mag, die Apple seit den späten Siebzigern kennen und die Botschaft mochten: Aus vielen Hippies sind Spießer geworden, aber nur ganz selten auf so hohem Niveau wie die Jobs-Company.

 

Mit der Kommerzialisierung ist Apple vom Kult zum Lifestyle-Brand geworden. Man muß kein Revolutionär sein, um in Gucci-Klamotten und Nike-Sandalen durchs Leben zu gehen, man muß nur das nötige Kleingeld haben. Ähnlich verhält es sich mit Apple. Durch die zunehmende Gesichtslosigkeit des Apparats und durch das Fehlen von wirklich revolutionären Botschaften ist die Marke - trotz technisch hochwertiger Produkte - nur die eines Technologieunternehmens unter vielen.

 

Das Charisma der früheren Apple Computer Inc. verhält sich zum heutigen Lifestyler wie der Kinoklassiker "Blade Runner" zu "Sucker Punch" aus dem Jahr 2011: beides Filme mit einer immensen visuellen Feuerkraft, die konträrer gar nicht sein könnten. "Blade Runner" bebt förmlich vor narrativer Kraft, bei "Sucker Punch" beben bestenfalls die Bässe: Seine Beliebigkeit fügt sich nahtlos in ein Alles-Ist-möglich-Szenario, in dem dann letztlich nichts mehr wichtig ist.

iPhone, iPod, iMac, iPad, iCloud, iOS - der kleine, kreative Luxus, der Apple-Produkte waren, riecht heute ein bißchen nach nobler Massenware aus dem Sweatshop. Nur noch ältere Anwender erinnern sich an die Langlebigkeit früher Apple-Gadgets. Aktuelle Geräte werden mittlerweile schon nach einem Jahr zu teurem Elektroschrott, weil das Marketing schon einem neuen Produkt den Durchbruch verordnet hat.

 

Jenseits aller demokratiepolitischen Bedenken ist Apple Emotion. Anders als die meisten Konkurrenzprodukte haben Apple-Geräte einen aussprechbaren Namen und eine standesgemäße Verpackung. Die Kontrolle der unterschiedlichen Design-Elemente, von der Schachtel bis zum Äußeren des Geräts selber, ist Teil der "Customer Experience", auf die Steve Jobs schon beim Ur-Macintosh größten Wert legte.

Das geht heute bis hin zu Richtlinien für Drittanbieter. Möchte beispielsweise der Hersteller eines Virenschutzprogramms von Apple geliebt werden, dann sollte er sich neben der Qualität seiner Software vor allem um einen guten Namen für sein Produkt kümmern - denn der darf keinesfalls suggerieren, daß der Macintosh genauso angreifbar ist wie ein beliebiger Computer vom Discounter und man ihn deshalb schützen muß. Stattdessen gilt es, die positiven Aspekte des Produkts noch positiver zu machen, gut zu guter, Ultra-Maxi-Megapearls. Der Konsument darf gar nicht erst auf den Gedanken kommen, daß das Flugzeug, in das er gerade steigt, auch abstürzen könnte.

Neu ist der theoretische Unterbau des modernen Apple-Marketings allerdings nicht. Seit dem Jahr 1949 kann man das entsprechende "Wording" im Anhang von George Orwells Dystopie "1984" nachlesen. Die Methoden der "Neusprache", die Matrix der Macht über Vergangenheit und Gegenwart durch die Begrenzung der Sprache, funktionieren in der kapitalistischen Lifestyle-Gegenwart besser denn je. Die Neusprache, so schreibt Orwell, hatte "nicht nur den Zweck, ein Ausdrucksmittel für die Weltanschauung und geistige Haltung zu sein, die den Anhängern des Engsoz allein angemessen war, sondern darüber hinaus jede Art anderen Denkens auszuschalten". Sollten Sie nicht wissen, wer oder was Engsoz ist, ersetzen Sie den Begriff einfach durch einen anderen und verlegen Sie die Handlung von Ozeanien nach Kalifornien ...

 

Die deutsche Website "BlaBlaMeter - wie viel Bullshit steckt in Ihrem Text?" untersucht Manuskripte auf den enthaltenen Anteil "heißer Luft." Läßt man nun den letzten Absatz der Apple-Pressetexte durchlaufen, in dem mit einer Handvoll Superlative kurz beschrieben wird, wofür die Menschheit Apple zu Dank verpflichtet ist, erhält man einen sogenannten "Bullshit-Index" von 0,54: "Ihr Text signalisiert deutlich: Sie wollen etwas verkaufen oder jemanden tief beeindrucken. Es wirkt unwahrscheinlich, daß damit auch eine klare Aussage verbunden ist - und wenn ja: wer soll das verstehen?"

 

Gute Frage. Our friends from Frolix 8?

 


Der nachfolgende Videoclip ist eine Reportage aus dem Jahr 2001 über den Launch von Mac OS X in der Schönbrunner Orangerie.   

 

    

 

 

Photos: Produktbilder und Titelbild (c) Apple Inc., alle anderen (c) Chris Haderer.

Chris Haderer

Das Bla Bla Meter


Der obige Text erzielte beim Check durch Bla Bla Meter einen Bullshit-Index von 0.19 und liegt damit ganz klar vor den Werken der Apple-Marketing-Abteilung. Dieser Text "zeigt nur geringe Hinweise auf Bullshit-Deutsch".

Links:

Kommentare_

Alban Sturm - 09.09.2011 : 17.46
Was ist Apple eigentlich - außer hübsch anzusehen? Überhöhte Preise und gezielte Inkompatibilität mit anderen Systemen sollen den Anschein von Exklusivität erwecken; Entmündigung ist Programm, von all den vermeintlichen Arbeitserleichterungen bis hin zur Zwangsbeglückung via iTunes; vollständige Kontrolle durch die Betreiber, von Musikinhalten bis zum iPhone-Tracking; dazu ein charismatischer Führer ... ?
Der Konzern funktioniert schlicht und einfach wie Scientology. Wer einmal drin ist, soll nicht mehr rauskönnen - und auch noch stolz auf die Gehirnwäsche sein.
Alban Sturm - 09.09.2011 : 18.08
Ceterum censeo: Der Krämer geistlose Gedankenwelt muß zerstört werden.
der Doc - 10.09.2011 : 08.31
Und wenn man das liest - diese geifernden Anfeindungen, die sich seit DOSen-Zeiten gleich lesen -, ist man doch froh, daß man ein, zwei Macs hat, daß man auf das Schönere und Bessere setzt und daß man sich auch garantiert wieder ein, zwei Macs kaufen wird ... Die Windows-Welt richtet doch allzuviel Schreckliches in den Köpfen ihrer User an.

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