Die verrückte Welt der Ute Bock
ØØØ 1/2
Spiel-Doku
Ö 2010, 103 Min.
Regie: Houchang Allahyari
Darsteller: Josef Hader, Karl Markovics, Viktor Gernot u. a.
Mit seinem neuen Dokudrama beweist Regisseur Houchang Allahyhari, daß man auch politisch korrekte Themen durchaus spannend auf die Leinwand bringen kann. 13.11.2010
Es gibt "Werke", die entziehen sich der Kritik dadurch, daß sie "gut" sind. Gut steht in diesem Fall genommen für gut gemeint. Ein politisch korrekter Film, der beispielsweise die Ausgrenzung der Roma thematisiert, darf keine schlechten Kritiken bekommen - schon der humanitären Absicht wegen kann man dem Streifen doch nicht vorwerfen, daß eine Schachtel Temesta gegen ihn wie ein Aufputschmittel wirkt. Das Wegführen vom Medium zum Thema ist eine beliebte Taktik des politisch korrekten Kinos, dem es oft genauso an Mitteln wie an Talent mangelt.
Erfrischenderweise nicht in diese Richtung gegangen ist Regisseur Houchang Allahyari mit "Die verrückte Welt der Ute Bock", der zu den Premierenfilmen der heurigen Viennale gehörte. An ein eher breiteres Publikum gerichtet, als es das Thema suggeriert, gehörte der relativ prominent mit der heimischen Kabarettistenriege (die für die Dreharbeiten offenbar eine Woche vom ORF freigestellt wurde) besetzte Streifen zu den interessantesten österreichischen Produktionen des Jahres. Allahyari hat mit "Die verrückte Welt der Ute Bock" ein spannendes und etwas anderes Alltagsporträt einer Frau abgeliefert, die Brücken über menschliche Abgründe zu schlagen versucht.
"Die verrückte Welt der Ute Bock" kommt knapp ein Jahr nach Allahyaris Doku "Bock for President" ins Kino und ist so etwas wie eine Fortsetzung mit anderen filmischen Mitteln. Zu sehen ist eine Mischung aus dokumentarischen und nachgespielten Szenen, die nicht nur "die verrückte Welt der Ute Bock" filmisch festhalten, sondern vor allem auch die Realität des österreichischen Asylwesens. Auf der einen Seite zeigt er Ute Bock im Alltag, bei Diskussionen, bei Routinetätigkeiten. Die nachgespielten Szenen bringen das, was die Live-Kamera aus verschiedenen Gründen nicht aufnehmen konnte: traumatisierte Flüchtlinge, überhebliche Amtspersonen, Einsätze der Fremdenpolizei - und letztlich auch das menschliche Aufflackern in einem selbstverliebten Apparat.
Die Besetzungsliste von "Die verrückte Welt der Ute Bock" liest sich ein bißchen wie das Who’s who der österreichischen Kabarettistenlandschaft, von Georg Hader bis zu Dolores Schmidinger. Das Ensemble soll dem Film nicht zuletzt zu einem größeren Publikum verhelfen, sagt Regisseur Allahyari: "Wir hoffen, daß die Besetzung auch Leute ins Kino lockt, die sich einen solchen Film normalerweise nicht anschauen würden." In diese Richtung denkt auch Ute Bock: "Normalerweise bin ich bei öffentlichen Auftritten immer unter Leuten, die sowieso meiner Meinung sind. Der Film ist vielleicht eine Möglichkeit, auch ein anderes Publikum zu erreichen."
Gedreht wurde der Film auf Video; die nachgespielten Szenen wurden mit High-Definition-Kameras gefilmt. So ergibt sich durch die Bildsprache eine Trennung zwischen Realität und nachgestellter Wirklichkeit. "Der Zuschauer soll den Unterschied bemerken", erklärt Allahyari. "Es ist eine klare Trennung in der Dramaturgie." Daß die beiden Teile des Puzzles dennoch ohne Stilbrüche zusammenpassen, liegt an Allahyaris langsamer und konsistenter Erzählweise, die ihre Spannung vor allem aus der Wechselwirkung zwischen Fast-Fiktion und der Präsenz von Ute Bock bezieht. In einer nachgespielten Szene erhält sie zunächst eine aus dem privaten Geldbeutel eines Ministers stammende Spende: "Das muß aber unter uns bleiben, Frau Bock." Eine Minute später meint der gleiche Minister, Ute Bock würde mit ihrer falsch verstandenen Menschlichkeit "das Verbrechen züchten". Wie sieht die Wirklichkeit aus? "Ich darf öffentlich gar nicht erzählen, was ich in Ministerien schon alles erlebt habe", sagt Ute Bock. "Aber es ist tatsächlich so: Ja, da kommt die Bock. Geben wir der Alten ein bißchen was, dann gibt sie schon Ruhe."
Somit ist der Film von Houchang Allahyari sowohl eine Verbeugung vor der Arbeit von Ute Bock als auch eine Bestandsaufnahme der österreichischen Asylpolitik. Es geht letztlich nicht darum, wer Schutz und Obdach sucht, sondern um die (in vielen Fällen nicht gesetzeskonforme und inhumane) Umsetzung und Anwendung einer menschenrechtlich immer restriktiveren Politik. Daß die Handlung auf wahren Begebenheiten basiert, die in Österreich tatsächlich passieren, ist für einen Rechtsstaat beschämend.
Mit "Die verrückte Welt der Ute Bock" ist Allahyari eine Gratwanderung zwischen Dokumentation und Spielfilm geglückt, die 103 Minuten lang nicht langweilig wird - weil sie über klassische und in der Regel meist stinklangweilig gemachte Sozialdokus hinaus geht. Nicht zuletzt deshalb ist der "Verrückten Welt von Ute Bock" ein großes Publikum zu wünschen, das nicht nur aus ihren Anhängern besteht. Immerhin handelt es sich hier - neben der Message - auch noch um ein gutes Stück österreichisches Kino.
Fotos: Ute Bock & Houchang Allahyari; Viennale: © Chris Haderer; Rest: Stadtkino Wien
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Kommentare_
Ein Film über die Hintermänner von Bock wäre interessanter. Die Organisationen, die teilweise hinter ihr stehen, beinhalten vom linksextremen Rand bis zu diversen islamistischen Vereinen so manch erwähnenswertes Detail.
Dass sie sich immer wieder gegen geltendes Recht widersetzt, braucht man nicht extra erwähnen.
Wenn Sie meinen ... Aber wenn Sie schon einer Meinung sind, nämlich der Meinung, dass man etwas nicht extra erwähnen muss - warum tun Sie es dann?
N, sie leiden an einer äußert weit verbreiteten Form von "Austrian Angst". Eine Krankheit welche geistige Beeinträchtigung durch ständige Angstzustände hervorruft. Logisches Handeln wird dadurch unmöglich, notorisches Bangen um den Erhalt der eigene Identität und die Sehnsucht nach falscher Sicherheit rücken ins Lebenszentrum des/der Befallenen. Gedankengänge werden durcheinander gebracht, allgemeine Verwirrung macht sich breit, ständige (geistige) Überforderung sorgt für anhaltende Nervosität im Alltag. Beissreflexe werden zum Hauptkommunikation mit der Umwelt. Doch das Beste an alledem ist: die Krankheit ist heilbar! Wenn mensch will...
Lieber "mensch", Sie scheinen wohl Ihrerseits unter dem Multikulti-Virus zu leiden. Typisches Symptom: pawlovsches Wehgeschrei, sobald jemand Migranten den Status von Heiligen abspricht. "N" mag übertreiben; Frau Bock handelt wohl tatsächlich in gutem Glauben (die Anziehungskraft zwischen älteren weißen Damen und z.B. jüngeren schwarzen Herren sei hier einmal außer Acht gelassen). Daß sinnsuchende Weltverbesserer zum Mißbrauch ihrer großen Herzen einladen, liegt jedoch in der Natur der Sache. Verbringen Sie einmal einen Tag offenen Auges in den Wiener U-Bahn-Stationen Karlsplatz, Westbahnhof oder Praterstern - und denken Sie nach. Vielleicht heilt Sie das von Ihrer Überheblichkeit.
IdentiTÄTER, sprechen Sie von Wien der Hauptstadt Österreichs? Wenn ja, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass sie vermutlich zuviele Geister sehen. Wenn ich durch Wien ginge, käme ich zu einem anderen Ergebnis, aber auch nur wenn ich denn mit Ihrer Logik denken würde. Denn wenn wir hier schon über persönliche Erfahrungen sprechen, muss ich gestehen, dass ich in meinem Leben mehr negative Erfahrungen mit einfältigen, aggressiven Einheimischen gemacht habe als mit sogenannten "MigrantInnen". Mit Ihrer Denkweise müsste ich nun also eine erhebliche Abneigung gegen "Österreicher" haben- doch schon längst habe ich erkannt, dass ich im Alltag mit solchen Gedankengängen nicht weit komme. Und Sie sollten es mir gleich tun, denn wie mensch ist hat in den seltensten Fällen etwas mit der Nationalität zu tun, auch wenn Ihre Führer etwas anderes behaupten. Kommen Sie endlich aus Ihrer Opferrolle (ich weiß, sie ist sehr gemütlich und bequem) raus und wägen Sie sich nicht oberflächlicher Sicherheit... die Welt ist nämlich um einiges komplexer als es irgendwelche Polit-Parolen vielleicht suggerieren.
Lieber "mensch"! Eines zumindest haben Sie ja verstanden: Ich sprach von jener Stadt, in welcher der rezensierte Film spielt, und in der Sie sich offenkundig höchst selten aufzuhalten pflegen. Nun, wir sind immer sehr froh, gute Ratschläge aus der Provinz zu bekommen - und ich beglückwünsche Sie von Herzen dazu, daß Ihr Alltag daheim anscheinend so harmonisch verläuft. Was Herrn Allahyhari umtreibt, ist evident. Sie allerdings kommentieren hier Dinge, die Ihrem Erfahrungsschatz noch weitestgehend fernliegen. Ihr Enthusiasmus ist begrüßenswert (wirklich!), Ihre zugrundeliegende Naivität rührend (und Ihre Sprachkenntnisse verbesserungswürdig, hätte ich fast gesagt) - aber vielleicht sollten Sie sich doch noch ein paar Jahrzehnte Lebenserfahrung aneignen, ehe Sie mit Schlagworten wie "Opferrolle" und "Bequemlichkeit" hausieren gehen. Mit den besten Wünschen für Ihren weiteren Lebensweg ...
...ich Jahrzente damit verschwende paranoid durch die Weltgeschichte zu wandern (übrigens sagt niemand, dass MigrantInnen Engel sind) rate ich Ihnen lieber dazu mal raus zu gehen- in Wien scheint die Sonne (ich bewege mich übrigens sehr wohl, mehr als oft in der Hauptstadt, lieber Indentitäter), gehen Sie Eis essen, und vergessen Sie nicht den geistigen Frühjahrsputz zu erledigen!