CROPfm Big Brother News: Frontberichte aus dem Land des Großen Bruders
Im Radio: alle 14 Tage bei CROPfm (im Raum Steiermark auf 92,6MHz/Radio Helsinki und als Livestream)
Die darbende US-Musikindustrie rafft sich zu einem Kreuzzug auf, der nicht nur Web-Radios den Todesstoß versetzen soll, sondern auch europäischen Urheberrechtsorganisationen. 22.06.2004
Die Spin-Doktoren der Recording Industry Association of America (RIAA) haben neue Schuldige für die Umsatzrückgänge bei den CD-Verkäufen ermittelt. Nach den Ausritten gegen diverse Tauschbörsen und dem Wunsch nach einem Multimedia-Player, der nur nach Eingabe eines Fingerabdrucks funktioniert, nimmt der amerikanische Lobbyisten-Circle nun die Web-Radios unter Feuer. Der Grund: Mehr als 300 US-Radiostationen streamen ihre Sendungen direkt ins Web - aufgrund von Breitbandverbindungen mit immer besserer Qualität.
Weil immer mehr Hardware-Hersteller auf den Trend, sich die Wohnzimmerbeschallung direkt aus dem Netz zu holen, mit Multimedia-Homeservern (die beispielsweise MP3-Audiodateien auf verschiedene Wiedergabesysteme im Haus verteilen) reagieren, will die RIAA die amerikanische Rundfunkaufsichtsbehörde Federal Communications Comission (FCC) zur zwangsweisen Einführung eines neuen Datenformats bewegen, das Webstreams kontrollierbar machen soll. Konkret möchte die RIAA ein Audioformat entwickelt wissen, das neben einem Kopierschutz auch ein Digital Rights Management-System beinhaltet, durch das aus dem Web gestreamte Inhalte nicht mehr auf Datenträger gebrannt werden können - und das im Extremfall eine Wiedergabe nur gegen Bargeld erlaubt. Als staatliche Behörde soll die FCC dafür sorgen, daß das neue Format auch tatsächlich verwendet wird und nicht wie die vielen anderen guten Ideen der RIAA in einem Hinterzimmer der freien Marktwirtschaft verstaubt.
Einer, der vom Totalen Kopierschutz recht angetan sein dürfte, ist der Deutsche Joachim Witt, der durch Tauschbörsen und Raubkopierer verursachte Umsatzeinbußen von 50 Prozent ortet. Er geht sogar noch einen Schritt weiter als die RIAA und würde "auf die CDs zudem Programme einbinden, die das Betriebssystem zerstören, sobald die CD in den Computer geschoben wird". Interessant sind auch die Vergleiche, die Witt herstellt: "Was hier passiert, ist Terrorismus - und dem muß man mit Gegenterror begegnen." Überhaupt vertritt der Goldene Reiter von einst, dessen Schallwerke sich auch ohne Kopierschutz von selbst von den Massen fernhalten, recht radikale Ansichten: "Ich bin auch der Meinung, daß CD-Rohlinge nur noch für professionelle Zwecke verkauft werden dürften, und würde es auch verbieten, CDs zur privaten Kopie freizugeben."
Dem Manne, der seinen Produktionen offenbar nur noch allein im stillen Kämmerlein lauschen will, kann geholfen werden - und zwar durch den US-konformen Umbau des europäischen Urheberrechts. Nach den Software-Patenten, die im Herbst vom EU-Rat nochmals behandelt werden, will die EU auch den Einbau digitaler Rechteverwaltungen fördern.
"In der Diskussion über die Verwaltung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im neuen digitalen Umfeld ist die digitale Rechteverwaltung (DRM) zu einem Kernthema geworden", heißt es in einer dementsprechenden Mitteilung der Europäischen Union. Nach amerikanischem Muster sieht man dort DRM als die Lösung aller anstehenden Probleme. Außerdem kann das "Digitale Restriktionsmanagement" (Zitat: "quintessenz") auch gleich mit einem anderen leidigen Problem der Entertainment-Konzerne aufräumen. Europaweit werden Urheberrechtsabgaben nicht von den Herstellern selbst, sondern von Verwertungsgesellschaften (wie der österreichischen Austro-Mechana) eingehoben und verwaltet. "Der weitverbreitete Einsatz von DRMs als eine Möglichkeit, einen gerechten Ausgleich zu erzielen, könnte gegebenenfalls bereits existierende Vergütungssysteme überflüssig werden lassen und damit deren Abbau oder sogar völlige Abschaffung rechtfertigen", steht im Positionspapier. Die Konzerne könnten dann ungebremst und ohne Genierer schalten und walten...
Wohin wird der Copyright-Wahn letztlich führen? Etwa zu einer Gesellschaft, die den Zugang zu kulturellen Gütern ausschließlich unter kommerziellen Aspekten gestattet (und sozial Schwächere dadurch ohnehin ausschließt)? Für Schwachsinn gibt es offenbar keine Obergrenze, denn soeben traf eine neue Meldung ein: Laut Pressetext Austria soll dem US-Senat nächste Woche ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, der schon den Handel mit Geräten verbietet, mit denen überhaupt die Möglichkeit zu einer Copyright-Verletzung besteht; unter den so genannten Induce Act fallen daher auch Videorecorder und CD/DVD-Brenner.
Hat da jemand von einer neuen Weltordnung gesprochen? Ich hab´ es deutlich gehört.
CROPfm Big Brother News: Frontberichte aus dem Land des Großen Bruders
Im Radio: alle 14 Tage bei CROPfm (im Raum Steiermark auf 92,6MHz/Radio Helsinki und als Livestream)
Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"
Big Data und Social Media halten zusammen wie Pech und Schwefel. Ihnen verdankt Barack Obama seine zweite US-Präsidentschaft.
Zum zweiten Mal hat Regisseur J. J. Abrams den Motor der "Enterprise" angeworfen und sie auf eine für den Titel "Into Darkness" eigentlich recht gut ausgeleuchtete Reise geschickt. Chris Haderer ist eine Runde mitgeflogen.
Vom 8. bis 15. Februar geht das "Festival des gescheiterten Films" in den Breitenseer Lichtspielen vor Anker. Gezeigt werden Filme, für die es leider keinen kommerziellen Markt zu geben scheint.
Am 25. Oktober werden im Wiener Rabenhof die 14. "Big Brother Awards" verliehen. Traditionell finden sich unter den Nominierten illustre Namen von Beatrix Karl bis Marie Vassilakou.
Regisseur Julian Roman Pölsler hat sich an der Verfilmung von Marlen Haushofers "Die Wand" versucht - und ein schön photographiertes Hörbuch abgeliefert.
Kommentare_