Kolumnen_Ausweiskontrolle: Kill Bill

Kill Bill

Die Wahrheit - und nichts als die Wahrheit: die Hintergründe des Attentats auf Microsoft-Gründer Bill Gates im Überblick.    23.07.2004

Bill Gates ist tot.

Der Gründer und langjährige Geschäftsführer des Microsoft-Konzerns fiel während einer Wohltätigkeitsveranstaltung im MacArthur-Park in Los Angeles einem Attentat zum Opfer. Zwei vom Dach des Park Plaza Hotels abgefeuerte Schüsse trafen Gates in die Schulter und den Kopf, kurz nachdem er mit einem symbolischen Scheck in Händen die Bühne betreten hatte. Der 49jährige war sofort tot. Gates hinterläßt seine Frau, Melinda French, sowie drei Kinder (Jennifer Katharine, Rory John und Phoebe Adele). Der mutmaßliche Attentäter, der als Alex Hidell identifiziert wurde, kam auf der Flucht bei einem Feuergefecht mit Beamten des Los Angeles Police Department ums Leben.

Nach ersten Ermittlungen feuerte Hidell, ein 24jähriger Afroamerikaner, beide Schüsse auf Bill Gates ab. Für den zuständigen Staatsanwalt, Gil Garcetti, gilt er als politisch motivierter Einzeltäter: In Hidells Tagebüchern wurden Hinweise darauf gefunden, daß in den USA ein "Klassenkampf" kurz vor dem Ausbruch stehe.

Eine offizielle Stellungnahme des Microsoft-Konzerns liegt zur Zeit noch nicht vor. Steve Ballmer, der derzeitige Geschäftsführer des Software-Unternehmens, hat jedoch eine Chinareise vorzeitig beendet. Der Aufenthaltsort von Melinda French Gates und den drei Kindern ist nicht bekannt - Gerüchte sprechen davon, daß Gates´ Hinterbliebene Polizeischutz erhalten haben, obwohl Garcetti auf Grund der Einzeltätertheorie nicht mit weiteren Anschlägen rechnet.

 

Reingefallen!

Natürlich ist William Gates III. weder tot noch auf seinen Planeten zurückgeflogen. Das Attentat findet nur auf Video statt, in der Spiel-Dokumentation "Nothing So Strange" des amerikanischen Filmemachers Brian Flemming, der den fiktiven Tod des Software-Prinzen zum Mittelpunkt einer Verschwörung macht.

"Ich wollte einen Film drehen, der das Gefühl aus den 60er und 70er Jahren wiederauferstehen läßt, daß sich der Lauf der Geschichte täglich ändert, weil irgendwo ein Anschlag stattgefunden hat", erzählt Regisseur Flemming. Die Dreharbeiten begannen im Jahr 1999, bevor sich der Lauf der Geschichte durch das 9/11-Attentat tatsächlich änderte. "Ausgehend vom politischen Klima kam ich zum Schluß, daß heute nicht linkslastige Politiker die Zielscheibe sein würden. Ich hatte das Gegenteil vor Augen: einen Klassenkampf."

Flemming bestreitet, Bill Gates irgendetwas Schlechtes zu wünschen: "Der Film handelt nicht wirklich von Gates", sagt er. "Ich fand die Idee aufregend, seinen Mörder als Ausgangspunkt einer Story über Klassenkampf, Rassismus und politische Korruption zu verwenden. Ich denke, daß Bill Gates den Film nicht zwangsläufig schlecht finden muß."

Irrtum: Über einen Firmensprecher ließ der reichste Mann der Welt ausrichten, daß er "sehr enttäuscht sei, daß ein Filmemacher so eine Story dreht".

Tatsächlich orientiert sich "Nothing So Strange" eher an den Mythen um die Ermordung von John F. Kennedy als am Lebenswerk von Bill Gates. Bereits kurz nach dem Attentat tauchen im Film nämlich schon Zweifel an der offiziellen Version auf - und an der Behauptung, Alex Hidell (übrigens ein von Lee Harvey Oswald benutztes Pseudonym) sei der Täter. Während Hidell im Keller des Park Plaza Hotels von LAPD-Officer Jacob Powell erschossen wird (der Name ist ebenfalls ein Synonym und setzt sich aus dem Vornamen des Oswald-Mörders Jack Ruby und dem Nachnamen von Lawrence Powell zusammen, der sich im Rodney-King-Skandal besonders beliebt machte), zeigt ein zufällig aufgenommenes Videoband, wie ein Unbekannter das Hotel fluchtartig verläßt und durch den Hinterausgang des gegenüberliegenden Luna Sol Café entkommt. Julia Serano, eine Kellnerin, gibt zu Protokoll, der Mann habe "We shot him!" gerufen. Nach einem sechsstündigen LAPD-Verhör ändert sie ihre Aussage auf "They shot him!"

 

 

"Nothing So Strange" folgt den Ermittlungen einer organisierten Skeptikertruppe namens "Citizens for Truth", die nach den wahren Attentätern sucht und letztlich an den Umständen scheitert. Ein Jahr nach dem Gates-Anschlag vom 2. Dezember 1999 ist die Gruppe am Ende und die Wahrheit immer noch nicht ans Licht gebracht. Lediglich eine Splittergruppe der Aktivisten, die "Citizens for Action", bemüht sich noch immer um Aufklärung ...

Drei Jahre dauerte die Arbeit an der Pseudodoku, wobei Flemming ausschließlich auf Digitalvideo drehte. Gleichzeitig entstand ein aus mehreren Websites bestehendes "Universum", in dem Bill Gates tatsächlich ermordet wurde. "Manchmal ist es auch für uns schwer zu sagen, wo die Fiktion endet und die Wirklichkeit beginnt", meint Flemming schmunzelnd.

Das Szenario wurde teilweise von der Wirklichkeit eingeholt: Die 9/11-Anschläge und der Irak-Krieg ließen die Zustände in Amerika schlimmer werden, als es sich das Filmteam damals ausmalte. Freie Meinungsäußerung ist nur noch erlaubt, wenn sie in einer politisch korrekten Form erfolgt und keine definitive Kritik an der US-Regierung beinhaltet. Dadurch hat sich auch die Rolle der "Citizens for Truth" geändert, die im echten Amerika des Jahres 2004 wohl mit härteren Bandagen rechnen müßten als im Film. Dementsprechend ist diese fiktive Dokumentation in vielen Punkten deutlich realistischer als die "realen" TV-Nachrichten, die sich mehr und mehr am Modell des "Embedded Journalism" orientieren. Die Wahrheit, so der nahe liegende Schluß, wird im Amerika des 21. Jahrhunderts (und leider nicht nur dort) vorwiegend im Kino gemacht.

Was uns die Medien als "News" verkaufen, wird hingegen von Tag zu Tag unglaubwürdiger. Und das ist nur einer der Gründe, warum Sie sich diesen Film anschauen sollten - ganz egal, ob Ihnen Bill Gates sympathisch ist oder nicht.

 

“Nothing So Strange“ kann über die Homepage des Projekts als DVD oder als kostenpflichtiger Download im MPG4-Format bezogen werden.

Chris Haderer

CROPfm Big Brother News: Frontberichte aus dem Land des Großen Bruders


Im Radio: alle 14 Tage bei CROPfm (im Raum Steiermark auf 92,6 MHz/Radio Helsinki und als Livestream)

 

Links:

Kommentare_

Kolumnen
Ausweiskontrolle

Wie wir die NSA verwirrten ...

Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"  

Kolumnen
Ausweiskontrolle

The All American Big Data Online Election Show

Big Data und Social Media halten zusammen wie Pech und Schwefel. Ihnen verdankt Barack Obama seine zweite US-Präsidentschaft.  

Kino
Star Trek - Into Darkness

Phaserschmeichler

Zum zweiten Mal hat Regisseur J. J. Abrams den Motor der "Enterprise" angeworfen und sie auf eine für den Titel "Into Darkness" eigentlich recht gut ausgeleuchtete Reise geschickt. Chris Haderer ist eine Runde mitgeflogen.  

Termine
Festival des gescheiterten Films

Die große Show der tragisch Gescheiterten

Vom 8. bis 15. Februar geht das "Festival des gescheiterten Films" in den Breitenseer Lichtspielen vor Anker. Gezeigt werden Filme, für die es leider keinen kommerziellen Markt zu geben scheint.  

Termine
"Big Brother Awards" 2012

Name them & shame them!

Am 25. Oktober werden im Wiener Rabenhof die 14. "Big Brother Awards" verliehen. Traditionell finden sich unter den Nominierten illustre Namen von Beatrix Karl bis Marie Vassilakou.  

Kino
Die Wand

Bergsee mit Wand

Regisseur Julian Roman Pölsler hat sich an der Verfilmung von Marlen Haushofers "Die Wand" versucht - und ein schön photographiertes Hörbuch abgeliefert.