CROPfm Big Brother News: Frontberichte aus dem Land des Großen Bruders
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Freie Meinungsäußerung ist in der EU nicht erwünscht. Jetzt sollen die Betreiber von Websites kriminalisiert werden, die Informationen über Cannabis bieten. 27.08.2004
Das Internet ist ja bekanntlich an allem schuld - nicht zuletzt am Drogenproblem, wie eine Arbeitsgruppe der EU nun herausfand. Vor allem in Cannabis-Konsumenten sieht die Horizontale Gruppe "Drogen" ein enormes Risikopotential für die Welt, weshalb sie dem Rat der Europäischen Union im Juli einen Entwurf für eine Entschließung über Cannabis vorlegte.
Punkt 21 der Wunschliste ans Euro-Christkindl hat nicht nur Auswirkungen auf Website-Betreiber, die im Internet Informationen über Cannabis anbieten - er torpediert auch die freie Meinungsäußerung. "Der Rat der Europäischen Union ersucht hiermit die Mitgliedsstaaten, im Einklang mit ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften Maßnahmen gegen Websites zu erwägen, die Informationen zum Anbau von Cannabis verbreiten und zum Konsum von Cannabis anregen", so der Entwurf im Originaltext. Tragende Säule dieser "Empfehlung" ist die in Punkt acht geäußerte Sorge der horizontalen Arbeitsgruppe über "die möglichen Auswirkungen des gestiegenen Cannabiskonsums von sehr jungen Menschen auf lebenswichtige soziale und kognitive Fähigkeiten wie Konzentration und Aufmerksamkeit, sowie die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu filtern".
Von der Tatsache abgesehen, daß es kaum Cannabis-Konsumenten gibt, die per Internet zum Konsum angeregt werden, wird damit im Web kriminalisiert, was in der wirklichen Welt erlaubt ist - so erscheint beispielsweise Matthias Bröckers "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf (Marihuana)" bei 2001 heuer in der 40. Auflage. Anstatt Ursachenforschung zu betreiben, wird diese Maßnahme dem Drogenhandel in keiner Weise schaden; dafür wird das Recht auf Informationsfreiheit mit Füßen getreten (in diesem Fall von Innenminister Ernst Strasser, der als österreichischer Vertreter der Entschließung beiwohnte).
Daß Cannabis in Österreich seit 1963 verboten ist, hat allerdings keine pharmakologischen, sondern vorwiegend politische Gründe. Im Jahr 1961 sah das so genannte "Einheitsübereinkommen" die Schaffung des Suchtstoffkontrollrats (INCB) vor, der nach den Wünschen der österreichischen Regierung in Wien angesiedelt werden sollte. Einziger Schönheitsfehler: In der Alpenrepublik war Cannabis zu diesem Zeitpunkt erlaubt (lediglich unter den Nazis war es zwischen 1938 und 1945 verboten). Die älteren Bauern (vor allem aus dem Mühlviertel) erinnern sich selbst noch heute durchgehend an das "Kräutl", das fast überall wuchs und gern als billiger Tabakersatz verwendet wurde. Am 1. Jänner 1963 trat schließlich das Cannabis-Verbot auch in Österreich in Kraft - und der damalige Bundeskanzler Alfons Gorbach konnte sich darüber freuen, daß Wien zum Sitz des UN Drug Control Programme (UNDCP) und des INCB wurde (nebenbei durfte Österreich etwas später dann auch noch den UN-Generalsekretär stellen).
Wie beliebig und lächerlich die Anlaßargumentation der EU-Behörden tatsächlich ist, läßt sich am aktuellen Verbot der Stevia-Pflanze nachvollziehen. "Stevia rebaudiana" ist ein etwa 50 bis 100 Zentimeter hoher Strauch, der weltweit in etwa 300 Arten vorkommt. Die Blätter der seit Jahrhunderten von der Urbevölkerung im Dreiländereck Paraguay, Brasilien und Argentinien genützten Kulturpflanze süßen um ein Vielfaches stärker als Zucker - allerdings ohne Kalorien. Das aus den Stevia-Blättern gewonnene Steviosid übertrifft die Süßkraft von Zucker sogar um das 300fache. Dennoch ist Stevia nicht als neues Wundermittel für Waschbrettbäuche im Handel. Ganz im Gegenteil, in der EU ist Stevia als Nahrungsmittel oder Nahrungsmittelzusatz sogar verboten.
Laut dem Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuß der EU darf Stevia nicht verkauft werden, weil die gegenwärtige Informationslage nicht ausreichend sei, um eine umfassende Unbedenklichkeit zu garantieren. Ein Satz, der süß auf der Zunge zerschmilzt: Das Stevia-Verbot begründet sich nicht durch Indizien für die Schädlichkeit der Pflanze, sondern dadurch, daß es zu wenig Beweise für seine Verträglichkeit gibt. Eine derartige Argumentation ist nicht einmal annähernd glaubwürdig - vor allem wenn man die Mobilfunksituation betrachtet. Dort gibt es eine Vielzahl von Studien, die gesundheitsschädliche Folgewirkungen der Mobilfunkstrahlung beschreiben, aber von der EU nicht zur Kenntnis genommen werden. Leider verhallt jegliche Frage nach der Kompetenz der Brüsseler Entscheidungsträger ungehört im Raum. Direkte Demokratie spielt´s in der EU genauso wenig wie in Österreich.
Die Europäische Union ist ein Wirtschafts- und Behördenbündnis - und kein Pakt zwischen den Bürgern der einzelnen Länder. Das Stevia-Verbot ist auf dem Mist der Zuckerproduzenten gewachsen statt auf medizinischen Grundlagen. Das Cannabis-Informationsverbot geht in eine ähnliche Richtung: Gäbe es einen staatlich kontrollierten Markt für das Bauern-Kräutl, stünde seiner Verbreitung vermutlich nichts im Weg. Als Kulturpflanze kann Cannabis aber genauso wenig monopolisiert werden wie Stevia - und das bringt halt der Wirtschaft nichts.
Kratzt man noch ein bißchen fester an der Oberfläche, wird der Januskopf des EU-Rats akzentuierter. Zucker, der von Stevia nicht ersetzt werden darf, ist nämlich eine psychoaktive Substanz, die - käme sie neu auf den Markt - unter das Drogengesetz fallen würde. Da wir von Geburt an mit Zucker überfüttert werden, merken wir das bloß nicht (erkundigen Sie sich bei einem Diabetiker). Auch Alkohol dürfte als neues Produkt nach den gängigen Drogengesetzen nicht auf den Markt gebracht werden (da er unter anderem dauerhafte Gehirnschäden verursacht). Anstatt Aufklärungsarbeit zu betreiben, die Ursachen für den Mißbrauch harten Drogen herauszufinden und gegenzusteuern, hat sich die Europäische Union zur Rückkehr ins Mittelalter entschlossen, mit Innenminister Strasser als lokalem Großinquisitor.
Die Zeit der Aufklärung ist vorbei. Menschen, die wir aus unerfindlichen Gründen eine Zeitlang mit Demokraten verwechselt haben, versuchen die Bevölkerung wieder dummzuhalten. Wann fangen wir wieder damit an, unliebsame Bücher zu verbrennen?
Leider werden Sie darüber im Internet bald nichts mehr lesen dürfen. Bedanken Sie sich dafür bei unseren Großen Brüdern, die nichts als unser Wohlergehen im Sinn haben.
Und darauf rauchen wir gleich einmal eine.
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