Kolumnen_Der Zivilist: Grasser muß bleiben

Grasser muß bleiben

Wir müssen zwar alle Steuern zahlen, aber wir haben nichts gegen den Finanzminister. Von uns aus kann er dort bleiben, wo er ist. Es kommt eh nichts Besseres nach...    03.03.2004

Aber aber, liebe Chefredakteure und - innen (sollte es diese wirklich geben, bitte melden), man kann sich ja nur über euch wundern. Daß Politiker im Reflex sofort Rücktritte ihrer "Gegner" verlangen, ist hinlänglich bekannt. Aber ihr, die Blattmacher, die Creme der heimischen Intelligenzia, solltet wenigstens diesmal ein bißchen querdenken.

Wieso fällt euch das auch nach Wochen sinnloser Hetzkampagnen nicht endlich selbst auf? Warum muß euch das der Zviliist erzählen?!

Also, hört gut zu: Grasser muß bleiben! Hat er sich die Homepage-Suppe nicht selbst eingebrockt? Warum zum Kuckuck soll er sie dann nicht auch auslöffeln? Die Suppe bleibt in der Schüssel. Zurückgetreten wird nicht. Das hieße ja die Verantwortung abgeben. Irgendjemand im Finanzministerium wird so oder so nachsitzen müssen, und Sie dürfen jetzt alle mitraten, wer das sein wird. Weil: Alles geben auch wir nicht preis.

Es geht auch gar nicht darum, wieviel Geld die Industriellenvereinigung an "Sponsoring" überwiesen hat. Die werden das schon offenlegen, wenn sie höflich gefragt werden. Was viel mehr wiegt, ist die schlagartige Erkenntnis, daß der Finanzminister nicht weiß, wieviel die IV gespendet hat. Und Zahlen sollte er sich schon merken können - ob mit oder ohne Partei.

Nein nein, Grasser muß bleiben. Er hat ja ganz nebenbei auch ein (mißglücktes Nulldefizit-)Budget mitzuverantworten, das mit besonderer Brutalität auf den Rücken der Steuerzahler durchgezogen wird. Schon dafür möge KHG bitte bis zum St. Nimmerleinstag nachsitzen.

Unter uns: Mit "New Economy" verbindet Grassers Homepage samt Verein einzig und allein dessen Name "Verein zur Förderung der New Economy". Bunte Luft-Ballons zum Selberaufblasen sind nicht nur billiger, sondern obendrein auch lustiger.

Noch einmal: Grasser muß bleiben, ER, Zorro, der zeigen wollte, wo der Bartel den Most holt. Was von ihm übrigblieb, ist allenfalls ein Mahnmal für leidenschaftliche Selbstüberschätzung und Rückgratschwäche und Selbstverliebtheit und das trügerische Gefühl der Unantastbarkeit, wenn man einmal "ganz oben" sein darf.

Und zu guter Letzt muß er bleiben, um auch den uninformiertesten Östereichern genug Zeit zu geben, zu erkennen, daß dies staatliche Gebilde, in dem wir armen Würste herumzappeln, alles andere ist als eine funktionierende Demokratie. Dort wäre der Finanzminister nämlich längst zurückgetreten. Sowas ist nicht nur eine Frage der Ehre, sondern auch des diplomatischen Stils. Und des Vorangehens mit gutem Beispiel. So muß z. B. die Weste des Finanzministers stets weißer sein als alle Westen der Oppositionspolitiker zusammen, besser noch: weißer als die Westen der eigenen Parteigänger (was im Falle KHG unmöglich ist).

Was immer Grasser vorhatte: Den exklusiven Sympathiebonus, der dem eloquenten Frauenschwarm vielleicht bis zum Kanzler verholfen hätte, hat er verspielt. Möglicherweise hat er ja noch Kontakt zu seinem einstigen Ziehvater. Bei Frank Stronach ist sicher noch ein Platzerl frei - ein ruhiger Hafen nicht nur für ehemalige Parteispezis, sondern auch für andere ausrangierte Politiker.

Ernst Meyer


 

Kommentare_

Musik
The Notwist - The Devil, You + Me

Weilheim revisited

Das Wiedersehen mit Bayerns Besten gerät auf deren sechstem Album zu einer sanften und melancholischen Reise ins Innere.  

Musik
The Orb - The Dream

Japanische Träumereien

Die Ambient-Dub-Veteranen geben ein starkes Lebenszeichen von sich. Ihr vor einem Jahr exklusiv für den japanischen Markt erschienenes Album ist nun weltweit erhältlich.  

Musik
Portishead - Third

Scratch is dead

Das mehr als zehn Jahre erwartete dritte Album des nach einer englischen Hafenstadt benannten Trios bietet alles mögliche - nur nicht das, was sich der ausgehungerte Fan erwartet hat ...  

Musik
Nine Inch Nails - Ghosts I-IV

Die Stunde der Geister

Trent Reznors neues Werk besteht aus 36 Instrumental-Songs, die über das Internet vertrieben werden. Trotz fehlenden Gesangs hört man deutlich, wer da an den Reglern saß.  

Stories
Bauhaus - Geschichte eines Stils

Vampire leben länger

Die Gründerväter des Gothic-Rock präsentieren nach 25 Jahren Pause ihr fünftes Studioalbum "Go Away White". Ernst Meyer begibt sich zu diesem Anlaß auf Zeitreise.
 

Musik
Autechre - Quaristice

Popsongs für Synapsen

Zwischenstation Zugänglichkeit? Der neunte Longplayer der Herren Booth und Brown ist in 20 Sound-Miniaturen gegliedert, die man guten Gewissens Popsongs nennen könnte. Na ja, zumindest fast ...