Akzente_Head Hunter

Gesichtskontrolle im Museumsquartier

Überwachung bedeutet Sicherheit. Darum wird jeder überwacht. Und möglicherweise ins Zentrum einer Fahndung gerückt, wie die Quintessenz-Installation zu vermitteln versucht.    09.03.2004

Machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird gut. Was geschieht, geschieht nur zu Ihrem Besten. Digital codierte Biometriemerkmale und Funk-Chips in den Ausweisen dienen nur der frühzeitigen Terrorbekämpfung. Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Section-Control-Systeme erhöhen die Sicherheit und damit die Lebensqualität. Eindeutige Bürgerkennzahlen vereinfachen den Umgang mit Behörden. Telefonrasterfahndung hält die organisierte Kriminalität im Zaum. Mehr Transparenz bedeutet mehr Sicherheit, mehr Komfort, ein besseres Leben - oder nicht? Die Rechnung ist einfach, und die Argumente der Überwacher sind im Ansatz ebenso richtig wie die der Überwachungsgegner, so sehr das auch alles nach Orwell-Newspeak klingt: Je mehr Sicherheit wir fordern, desto mehr Freiheit müssen wir im Gegenzug dafür aufgeben.

Aber wollen wir das?

Die Installation "Head Hunter" des Wiener Privacy-Aktivistenvereins Quintessenz soll eine Auseinandersetzung mit dem Thema Überwachung auslösen. Am Samstag, den 6. 3. 2004, wurde "Head Hunter" eröffnet und wartet nun auf Besucher. Die Installation ist nämlich nicht leicht zu finden; sie befindet sich im Quintessenz-Raum in der "Electric Avenue" im Wiener Museumsquartier.

"Head Hunter" sieht aus wie eine aufgeklebte Zeitung (die aus irgendeinem Grund dem "Standard" zum Verwechseln ähnlich schaut). Die Meldungen sind Frohbotschaften aus dem Land des Großen Bruders. Was elektronische Datenverarbeitungssysteme dem Bürger alles bringen - Success-Stories, wie das im Werbejargon heißt. Rechts oben bricht die Wirklichkeit durch, da findet sich der staunende Betrachter nämlich selbst als Teil einer Fahndung wieder. Sein mit versteckter Kamera eingefangenes Gesicht ist sofort aktenkundig, biometrisch vermessen und mit einem schwarzen Balken versehen.

Das klingt wenig spektakulär, entbehrt jedoch nicht eines gewissen Zynismus. Stellen wir uns die Biometrie-Software, die in der "Head Hunter"-Installation das Gesicht des Betrachters scannt und über der Augenposition einen schwarzen Anonymisierungsbalken einblendet, doch als Virus vor, der in die globalen Überwachungssysteme eingeschleust wird. Gleichzeitig ist "Head Hunter" ein Spielzeug, mit dem man herausfinden kann, wie gut sich Gesichtsfelderkennungssysteme täuschen lassen.

Chris Haderer

Head Hunter

ØØØØ

Eine Installation des Vereins Quintessenz


Museumsquartier Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien

Quartier 21, Quintessenz-Raum in der "Electric Avenue"

6. 3. 2004 bis 14. 4. 2004, täglich 10-20 Uhr

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