Akzente_Tom Platzer - Far From Heaven

Ausgeleuchtet obdachlos

Ein Promi-Photograph zeigt in seiner Charity-Ausstellung schwarzweißen Neo-Neo-Realismus, brillante Close-ups und tiefe Einsichten in menschliche Schicksale.    19.02.2004

Alkoholiker, Obdachlose und Ausgestoßene werden durch die Kamera zu überraschender Ikonenhaftigkeit emporgehoben. Tom Platzers spärliche Schwarzweißporträts zeigen einmal mehr, daß erst das rechte Korn den Charakter freilegt, der mitunter auf den Mienen ruht. Noch mehr Bilder aus dieser Serie wären freilich wünschenswert gewesen - aber vielleicht klappt es ja das nächste Mal.

Gut ist es, zu wissen, daß selbst den Armen der Humor nicht ausgeht, ganz am Ende des Korridors, hier in dieser freien Welt. Das Leben rast unaufhaltsam voran, egal, ob man sich dafür begeistert oder nicht. Dann schon lieber mit Begeisterung, auch wenn es nur mit Drogen geht. Das war früher. Heute ist die Gosse Heimat. Die altbekannten Drogen, meist Alkohol und Heroin, helfen heute bloß noch über die Monotonie hinweg. Die Monotonie des Nichts. Der Ohnmacht. Des Zerfalls. Bis zum nächsten Tag...

Platzers Kamera kriecht in die Poren, die groben Falten, die geschwollenen Tränensäcke. Trotz dieses löblichen Naturalismus erscheinen manche der Porträtaufnahmen dennoch eine Spur zu gewollt gestaltet, was die Hilfsbedürftigkeit der Obdachlosen gelegentlich zu deren Ungunsten etwas kaschiert. Andererseits wird der stets elegant gekleidete Promi-Photograph damit auch seinem Ruf gerecht. Die riesige Schwarzweißsequenz, bestehend aus zwei Grotesken (siehe Abbildung) macht ohnedies alles wieder wett.

 

Ernst Meyer

Tom Platzer - Far From Heaven

ØØØØ

Photographs


von 23. 1.-30. 3. 2004

täglich im "Curhaus St Stephan"

1010 Wien, Stephansplatz 3

 

Photos © Tom Platzer

 

Kommentare_

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