Musik_Audioslave - Revelations

Im Westen nichts Neues

Auf ihrem dritten Album präsentieren sich die Ami-Rocker wieder als das, was sie immer schon waren: die Überreste von Soundgarden und Rage Against The Machine.    19.10.2006

Audioslave - von vielen sehnlichst erwartet - sind wieder da! Und was haben sie mitgebracht? Na ja, zumindest keine Überraschungen ...

Die einzige musikalische "Neuerung" auf dem Album "Revelations" stellt die einige Stücke prägende "soulfulness" und ein gelegentlich übertriebenes "funky" Feeling dar - wobei das mit dem Funk wohl auch von den Rage-Against-The-Machine-Roots herrühren dürfte.

Läßt der aufmerksame Hörer die drei Veröffentlichungen der von der US-Presse fast zu Tode gehypeten "Supergroup" Revue passieren, entdeckt er folgendes: Auf ihrem ersten Album klangen Audioslave noch wie RATM, bloß mit anderem Sänger. Auf "Out of Exile”, mit Abstand ihrem besten Album, konnte man zum ersten Mal hören, daß die Musiker zu einer neuen Band verschmolzen waren. Darüber hinaus überzeugte das Album durchwegs mit eigenständigen Kompositionen.

Diese Eigenständigkeit ist Audioslave nun wieder abhanden gekommen. Wer also auf "Revelations" Enthüllungen wie "Cochise" oder "Man Or Animal" erwartet, tut dies vergebens. Dafür überrascht Chris Cornell mit eher gedämpftem Gesang (er singt nicht mehr so hoch hinauf), und Chefgitarrist Morello greift so ziemlich alle Akkorde durch, die auch das Repertoire von RATM bildeten. Auch der "funky" Walking-Baß von Tim Commerford ist nicht neu. Irgendwie hat man das alles schon mal gehört. Und wo? Natürlich auf den alten, aber guten Rage-Alben.

Das alles tut aber der Spiel- und Hörfreude keinen Abbruch. Die Jungs von Audioslave sind nicht nur verdammt gute Vollblutmusiker, sondern man spürt auch richtig, daß sie auf "Revelations" ganz ausgezeichnet zueinander gefunden haben. Entstanden ist dabei nur keineswegs eine neue, stilbildende Combo (wie etwa QOTSA), sondern eben ein weiterer von "Californian Dreams" inspirierter Mainstream-Rock, der seine Abstammung von Soul und Blues nicht verleugnen kann.

Und das will die Band auch nicht. So konnte man etwa unlängst auf "Hosted By" (im österreichischen Musikclip-Sender GOTV) sehen, welche Musikvideos die Musiker am liebsten haben. Richtig geraten - es sind ihre eigenen! Fast zwei Stunden lang spielten sie Rage, Rage und nochmals Rage ("Testifiy", "Sleep Well In The Fire"), gewürzt mit ein paar "klassischen" Audioslave-Songs ("Cochise" und das schon fast an U2 erinnernde "Be Yourself").

Chris Cornell besitzt unbestritten und nach wie vor eine der besten Rockstimmen der Welt; in einer Umfrage von MTV lag er knapp hinter Jacko, aber deutlich vor Eminem. Allerdings dürften ihn seine frisch gewonnenen Vaterfreuden ein bißchen in Richtung Faserschmeichler transformiert haben. Die zwölf Songs auf "Revelations" bewegen sich folgerichtig sämtlich im Midtempo-Bereich, ausgenommen "Broken City" (der beste Track) und "Original Fire". Mitverantworlich für die allumfassende Schaumbremsung ist auch Produzent Brendan O´Brien, der einst das mit (zu) poppigen Ohrwürmern geradezu überquellende Soundgarden-Album "Superunknown" (1994) produzierte, aber auch "Evil Empire" und "The Battle of L. A.", jene essentiellen Alben, die RATMs Ruf bis heute einzementieren.

Wie gesagt: "Revelations" ist kein schlechtes Album, dazu sind die versammelten Profimusiker gar nicht in der Lage. (In diesem Zusammenhang sei das liebevolle Laidback-Drumming von Brad Wilk besonders lobend erwähnt. Wer das letzte Viertel im Takt so gekonnt hinauszögert und mit akribischer Perfektion seine Hi-Hats dressiert, braucht sich um zuckende Beine seiner Fangemeinde keine Sorgen zu machen.)

So bleibt abschließend nur eines festzuhalten: Mit "Revelations" verlassen Audioslave die Hardrock-Ecke, um noch mehr Fans zu begeistern, deren Hörgewohnheiten im klassischen, US-amerikanischen Rock beheimatet sind. Die anderen werden ein bißchen enttäuscht sein, aber seien wir mal ehrlich: Wenn man sonnengebräunt im Ford-Mustang-Mach-2-Cabrio die Route 66 hinunterbraust - welche Musik im CD-Player eignet sich da besser als Soundtrack?

Ernst Meyer

Audioslave - Revelations

ØØØ 1/2


Epic/SonyBMG (USA 2006)

 

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