Musik_Interpol - Antics

Heart and Soul

Nochmal von vorn: Unter dem Independent-Deckmantel etablierte sich in den letzten Jahren eine satte Anzahl klassischer (New) Wave-Bands - wie diese New Yorker.    28.10.2004

Interpols neues Album "Antics" könnte glatt als Hommage an Joy Divison durchgehen. Sowohl Paul Banks´ charismatische, dunkle Stimme als auch seine Lyrics erinnern stark an den berühmten Selbstmörder Ian Curtis. Ja, mehr noch, manche Textzeilen könnten direkt aus dem Nachlaß des JD-Sängers stammen: "Look what you´ve done to my heart and soul/This is a wasteland now" etc.

Die Single-Auskopplung "Slow Hands" hat viel Tempo, eine Hookline, die der von Joy Divisions "She´s Lost Control" um nichts nachsteht, und selbst das Outfit der Band (schwarzer Anzug, helles Hemd und - no na - Krawatte) erinnert an die "good old Factory days". Interpols Gitarren-Riffs bestehen großteils aus verschachtelt-melodischen 16tel-Rhythmen und das Schlagwerk liefert wie anno dazumal beschwingte 4/4 konstant. Langeweile kommt somit beim Tanzbein garantiert keine auf.

Allerdings sind wir diesmal nicht in Manchester, sondern in New York. Metropolen wie diese produzieren 24 Stunden am Tag Isolationismus, Entfremdung und Angst. Paul Banks spielt mit diesen Emotionen, mehr noch: er lebt in ihnen, zelebriert sie. Das kennen wir auch schon, aber es ist verdammt lange her, daß es ein Sänger so glaubhaft intonierte, abseits jedweder gewissenlosen Image-Fladerei.

Wir alle wissen es schon lange: Eine Retro-Welle monströsen Ausmaßes überschwemmt zur Zeit die Independent-Charts; einige Beispiele sind etwa The Hives, The Killers oder Soulwax. Die 80er Jahre sind so hip wie noch nie, von "überm Hosenbund" gespielten Gitarren bis hin zu analogen Korg-Synthesizern ist alles wieder da.

Sogar die Song-Titel auf "Antics" wie "Next Exit", "Narc", "Evil" oder "A Time to Be So Small" wirken wie gemacht für das Eighties-Revival der großen Depressionen. Interpol haben sich ihren Top-Rang schon erspielt, zumindest in den USA, England und Deutschland. Sie sind nicht mehr zu überhören. Und das ist gut so. Sehr sogar.

Ernst Meyer

Interpol - Antics

ØØØØØ


Matador/Labels/EMI (USA 2004)

 

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