Musik_Philosopher´s Point - Sucht!

Schöngeist mit doppeltem Boden

Ein Album mit Suchtpotential - von einer Band, die den Geistesarbeiter im Namen trägt: Darf man sich da noch wundern, daß sich hinter der deutschen Truppe ein Psychiater als Mastermind verbirgt?    05.12.2008

Daß sich auf der zweiten Veröffentlichung der bislang nicht sonderlich auffällig gewordenen deutschen Band alles um die Spielarten der Sucht dreht, wird bereits beim Blick auf die Titelliste klar. "Sadismus" und "Masochismus" stechen hier ins Auge und schlagen auch mit Härte zu - krachende Industrialbeats und schroffe Gitarrenriffs prägen das Bild. Die teilweise gewöhnungsbedürftigen Stimmen von Mastermind Chris Tagore und seinem Kumpanen Siegfried Grampe lassen keinen Zweifel daran, daß es hier auf der Kippe zum Plakativen um die Untiefen des Beziehungslebens geht. Neben einigen fast zu komplex arrangierten Tracks, die (wie zum Beispiel "Leben") dadurch etwas zerfahren und sperrig wirken, sind Höhepunkte wie das an Johnny Cash angelehnte "Mr. Clean" oder "Emotional Chaos" durch ihre Kontraste und liebevollen Details Perlen einer intelligenten Symbiose von Industrial mit 80er-Jahre-Popelementen.

Um die besondere Beziehung zu den Achtzigern auch noch musikalisch eindeutig zu belegen, beinhaltet "Sucht!" eine überraschend eigenständige Interpretation des weniger bekannten Erasure-Songs "When I Needed You", die durch das Duett mit Sängerin Ulrike Müller eine besondere Note bekommt. So werden die harten Drums mit sich perfekt einpassenden Gitarren ergänzt und mit akustischen und klassischen Elementen garniert. Um dieses Grundgerüst bauen die Philosophen ein melodisches und ausgetüfteltes Klanggebilde mit Synthesizer-Stakkatos und mitreißenden Baßlinien, die zum unbewußten Mitwippen verführen. Langeweile kommt beim Hören niemals auf; man muß sich aber schon darauf einlassen, diese Musik in sich aufzunehmen - als Hintergrundbeschallung ist sie definitiv nicht geeignet.

Dr. K

Philosopher´s Point - Sucht!

ØØØ

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Lukotyk Records/Prussia Records/Rough Trade (D 2008)

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