Musik_Tori Amos - Scarlet´s Walk

Am Ende steht immer ein neuer Anfang

Vom Modepüppchen und Vorbild für Goth-Comics zur seriösen Songwriterin, die auch ein bißchen Meinung zu aktuellen Mißständen auf der Welt und vor allem in Amerika beizutragen hat. Stimme und Klavier lösen den Tanzflur ab.    04.11.2002

Von "Toris Abrechnung mit den USA" war zu lesen, von einer "Analyse des amerikanischen Way of Life", die neue CD gar "ein riskantes Unternehmen nach 9/11". Läßt man den neuerdings grassierenden Pre-Hype beseite, entsagt man dem Medienrummel und konzentriert sich auf das Wesentliche, so kommt unterm Strich aber ein kluges, moderates Album mit nachdenklichem Grundtenor heraus. Freilich, Toris Kindheitsgeschichte ist ausreichend bekannt, christliches Heil contra hebräische Mythologie, die vielzitierte Problematik der Indianer Nordamerikas, all das findet sich auch in den kontemplativen Lyrics zu "Scarlet´s Walk". Es sieht so aus, als hätte eine kritische, junge Frau endlich zu sich selbst gefunden. Stimme und Klavier. Innerer Frieden. Keine Elektronik, die ablenkt, keine TripHop-Beats, keine Dancemaxis mehr. Wer sich jetzt an die zarten Anfänge von "Kissing the Pink" oder "Little Earthquakes" erinnert fühlt, ist schon auf dem richtigen Weg. Mit "Scarlet´s Walk" gelingt Tori Amos die Rückkehr ins Genre der Singer/Songwriter. Traute Zweisamkeit - nur mehr Toris Stimme und der heißgeliebte Bösendorfer Flügel dominieren weite Strecken des Albums. Manchmal verliert sich jedoch beides in der Breiigkeit der zu dick aufgetragenen String-Arrangements. Toris blasierte Emotionslosigkeit bei Tracks wie "I Can´t See New York" ist und bleibt ein Rätsel. Und wer auch immer die geisteskranke Clip-Abscheulichkeit zu "A Sorta Fairytale" verbrochen hat, wird auf der Stelle mit lebenslangem Berufsverbot belegt.

Ernst Meyer

Tori Amos - Scarlet´s Walk

ØØØ


Epic/Sony (GB 2002)

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