Musik_Y-luk-O - Sin(n)

Soll Sinn denn Sünde sein?

Hinter dem Namen, der ungewollt Assoziationen zu einem japanischen Sammelkartenspiel weckt, versteckt sich ein deutsch-amerikanisches Industrial-Trio. Und weil der EVOLVER auch die Schwarzträgerszene nicht ignorieren will, widmet sich unser redaktioneller Neuzugang Dr. K dem fünften Album der Band.    25.09.2008

"Der Dualismus zwischen Deutsch und Englisch war schon für sich sehr spannend. Die Sünde am Sinn war ein für uns vielleicht wichtiger Punkt an diesem Wortspiel", sagt Y-luk-O-Mastermind Leo von Leibnitz über den Titel der neuen CD seiner Gruppe.

Daß es bei Y-luk-O generell mehr als nur ein- oder zweidimensional zugeht, zeigt bereits die erste Nummer der rund 47minütigen Scheibe. Im Verlauf des nicht ohne Grund "Symphony for Eternity" genannten Stücks entwickelt sich aus einem jazzigen Intro mit geisterhaften Theremin-Einwürfen ein kantiges Industrial-Epos, dessen zerrissene Struktur sicher auch eines der Leitmotive des Band-Schaffens darstellt. Mit sägenden Gitarren und krachenden Beats dringt mit "The Gift" als zweiter Track auch gleich ein weiteres Highlight aus den Boxen - und ist zugleich die erste Cover-Nummer der Band. Ihr fulminantes Streicher-Finale verführt übrigens mehr als einmal dazu, die Repeat-Taste zu drücken.

Neben einer soliden Cover-Version von Pink Floyds "Another Brick in the Wall" drehen Y-luk-O auch die Rolling Stones durch die Industrial-Mangel: Das mit ungewöhnlichem Rhythmus in Szene gesetzte "Spider & The Fly" ist eine schöne Allegorie zu den Motiven auf der CD-Hülle: einer überdimensionalen Fliege und einer kleinen Spinne. David und Goliath haben hier möglicherweise Pate gestanden.

 

Die einzelnen Stücke des Albums wandeln irgendwo zwischen Industrial à la Skinny Puppy und den aktuellen Einstürzenden Neubauten - insbesondere durch die zum Teil sehr organisch scheppernden Percussions. Selbst bei eher minimal-reduzierten Tracks wie dem Drum´n´Bass-angehauchten "Astronaut" oder dem dynamischen Titelstück "Sin(n)" fügt sich die stets präsente, aber dezent eingesetzte Gitarre nahtlos in den Gesamtklang ein.

Mit ihrer letzten Nummer "Overthrown" gelingt es Y-luk-O, mitten in die träge-düstere elektronische Endzeitstimmung ein nahezu profan wirkendes Gitarrensolo einzuwerfen und mit den Worten "We´ve still never been overthrown!" ein gänsehauterzeugendes Lippenbekenntnis abzulegen. Die Stille, in der die Nummer den Hörer nach dem Verklingen des letzten Tons zurückläßt, liegt irgendwo zwischen Ratlosigkeit und vollkommener Zuversicht.

Kaum eine andere Band schafft es, so gekonnt auf dem Grat zwischen Eingängigkeit und Chaos zu wandeln und dabei nicht den Faden zu verlieren. Obwohl Y-luk-O für "Sin(n)" auf ein reduziertes Arsenal von wenigen Instrumenten und Sounds zurückgegriffen haben, ist das Ergebnis weit weniger monoton und homogen als bei anderen Veröffentlichungen des Genres. Die vielen kleinen Details und gekonnten Arrangements erschließen sich einem jedoch erst beim wiederholten Einlegen in den Player.

Der große Erfolg ist dem Trio mit dem ungewöhnlichen Namen bisher jedenfalls trotz seines Anspruchs versagt geblieben. Aber vielleicht ist Y-luk-Os Streben nach Sinnhaftigkeit in der Musik gleichzeitig auch ihre größte Sünde ...

Dr. K

Y-Luk-O - Sin(n)

ØØØØ 1/2

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Lukotyk Records/Prussia Records (D 2008)

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