Print_Marcus Chown - Das Universum nebenan

Das Science-Fiction-Universum

Stellen Sie sich vor, die Zeit liefe rückwärts - dann müßten Sie diesen neuen Wissenschafts-Bestseller von hinten nach vorne lesen. Quantenphysik ist, wenn man trotzdem lacht.    18.12.2003

Schriebe Marcus Chown Science-Fiction Romane, dann würde sich Hollywood um seine Bücher prügeln. So aber bleibt die abgehobene Gedankenwelt des Wissenschaftsjournalisten und gelernten Physikers ein paar Mutigen vorbehalten, die zwischen Stephen King und Joanne Rowling zufällig über "Das Universum nebenan" stolpern.

Das Hinfallen lohnt sich, denn kaum ein anderer Autor schafft es, so viele schräge Ideen zwischen zwei Buchdeckel zu packen, ohne daß sich beim Leser ungläubiges Kopfschütteln einstellt. Chown ist allerdings für mehr als vereinzelte Rotationsphänomene in den Gräbern der klassischen Physik verantwortlich. Der Quantenpopulist stellt mit seinen überschäumenden Ideen vielmehr die bisherigen Erkenntnisse der Wissenschaft über die Beschaffenheit unseres Universums in Frage.

Sind schwarze Löcher in Wahrheit die Geburtsstätten neuer Universen? Ist der kosmische Staub, den die Erde auf ihrem Weg vor sich herschiebt, der Keimplatz neuen Lebens? Ist unser Universum nur die Folge eines Experiments in einem Paralleluniversum? Verbirgt sich hinter dem Schleier der Wirklichkeit eine Wahrheit, die physikalisch nicht festgenagelt werden kann? Obwohl in der Quantenphysik alles möglich (und offenbar auch alles erlaubt) ist, läßt Chown die immer stärkere Annäherung von Mythologie und Wissenschaft beiseite. Dennoch bleibt im Raum stehen, daß unser (an sich schon unüberschaubarer) Kosmos vielleicht nur Teil von etwas Größerem sein könnte.

Bewundernswert an Marcus Chown ist die perfekte Grätsche zwischen wissenschaftlicher Dichtung (sprich: Science Fiction) und kosmologischer Theorie, wobei er fast immer auch für Laien verständlich und unterhaltsam bleibt. Fazit: ein Sachbuch, das sich liest wie ein Roman - und dabei intelligenter und unterhaltsamer ist als so manche hochgejubelte Belletristikschwarte. Zumindest in diesem Universum; in dem nebenan hat Chown vielleicht vier Pfoten und ein weiches Fell und wird von einem gewissen Herrn Schrödinger gefüttert. Das würde uns nach 240 Seiten Tour-de-force durch Wissenschaft, Spekulation und das, was auch die Quantenphysik nur unzureichend als Ahnung definiert, auch nicht mehr wundern.

Chris Haderer

Marcus Chown - Das Universum nebenan

ØØØ 1/2

(The Universe Next Door)


Deutscher Taschenbuch-Verlag (München 2003)

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