Print_S. Dickhaut & S. Sälzer (Hrsg.) - Leben!

Deppensicher leben

Mit diesem Survival-Guide für den Alltag kann nichts mehr schief gehen: 1013 Ratschläge, die "man wirklich braucht." Oder auch nicht.    15.04.2005

Leben, so richtig in vollen Zügen, wie es einem die Werbung vorlügt, ist nicht einfach. Im Alltag, so wie wir ihn kennen, sind jede Menge Fallstricke versteckt, über die man von Pannen zu Pleiten stolpert. Schon einfachste Fragen können einem, im falschen Moment gestellt, tückisch die Besinnung rauben; und dann stehen wir da wie ein Haider vor der zweisprachigen Ortstafel, und sind völlig von den Systemanforderungen des Lebens außer Atem gebracht.

Dabei wußten bis in die 60er-Jahre sogenannte Hausbücher wie alles geht im Leben, "wie man sein Geld zusammenhält, die Wohnung schön macht oder was bei Masern los ist", sagt Sebastian Dickhaut, an der Seite von Sabine Sälzer selbst Co-Herausgeber eines modernen Hausbuchs. "Aber auch, wie ich mit meinem Chef klar komme. Alles Fragen von heute. Nur sind die Antworten jetzt andere."

Grund genug für die Neuauflage einer alten Idee: "Leben! Das Hausbuch von GU" enthält gezählte "1013 Ratschläge, die man wirklich braucht", wie der Untertitel verspricht. "Ein Kochbuch fürs Leben", nennt Sabine Sälzer, die wie ihr Kollege durch zahlreiche Rezeptsammlungen positiv aufgefallen ist, den 600 Seiten schweren Band, in dem auch jede Menge "Rezepte für den Alltag" stehen.

Eingeteilt in Rubriken erfährt man "alles über den Bohrer" und lernt spielerisch "Zangen aller Art" kennen, denen man ein wenig später eindrucksvoll seine "Gefühle zeigen" kann. "Es sind über tausend Antworten auf die wichtigsten Alltagsfragen, die immer wieder oder ziemlich sicher irgendwann mal auftauchen, aufgeteilt in neun Kapitel von Wohnen und Wohlfühlen über Kinder haben und Kochen bis zu Arbeiten und Freihaben.", fassen die Autoren zusammen. Doch trotz der sonnigen Intention, die Dickhaut und Sälzer aus ihrem ähnlich aufgemachten Buch "Kochen!" mitbrachten, wird das Hausbuch von der täglichen Problemvielfalt überrollt, der eine doch beschränkte Lösungsauswahl entgegensteht. Dadurch taumelt es ein bißchen zwischen Heimwerker-Guide, Garten- & Baby-Handbuch, Esoterik-Ratgeber, Kochanleitung und ähnlich abenteuerlichen Werken, ohne daß man sich darauf verlassen kann, ein gerade aufgetretenes Problem tatsächlich behandelt zu finden. Einen handfesten Überlebensführer kann es in Krisenzeiten nicht ersetzen; am Status eines Nachschlagwerks schummelt es sich mehr als nur vorbei, und wer schon am Einschrauben einer Glühbirne scheitert, den macht die Hausfibel nicht zum Heimwerker.

In diesem Fall ersetzt die heimatliche Axt nicht den Zimmermann, aber ein nettes Geschenk für Freunde, die als junge Familiengründer noch vor leeren Regalen stehen, ist "Leben!" auf jeden Fall. Auch Arztpraxen und Frisiersalons können von einem oder zwei aufliegenden Exemplaren nur profitieren - das Buch richtet sich an eine ähnliche Zielgruppe wie der Lesezirkel, ist aber neidlos besser geschrieben; und außerdem recht trendy, weil das Hausbuch-Konzept bei immer mehr Verlagen gut aufgeht (Übrigens: auch in der DDR gab es Hausbücher, deren Führung Wohnungseigentümern oder Vermietern zur Lösung der Alltagsprobleme der Deutschen Volkspolizei zwingend vorgeschrieben war). An die Originalität von John Seymours mit ähnlichen Intentionen vom Urania-Verlag neu herausgegebenen Büchern "Selbstversorgung aus dem Garten" und "Leben auf dem Lande" kommt das "GU-Hausbuch" jedenfalls nicht heran. Dazu fehlt es ihm leider am hüstelnden Charme der 60er, der von der Realität einfach niedergewalzt wird. Denn auf deren profane Fragen, wie "Ich bin seit einem Jahr arbeitslos und kann meine Familie nicht ernähren. Wie komme ich zu einem Job?" oder "Ich kann nicht lesen. Was jetzt?" hat das Buch keine Antworten parat. Und auch wer wissen will, warum Frauen so kompliziert sind, und das Leben an sich noch ein bißchen komplizierter, muß sich die Weisheit wo anders herholen. Vielleicht von "Malcolm mittendrin"?

Chris Haderer