Print_Tom Holert, Mark Terkessidis - Entsichert

Zeichen der Zeit

Krieg ist überall, auch im täglichen Leben. Das wollen uns Politiker und Medien zumindest einreden. Und dieses Buch erklärt, warum.    15.09.2003

Die Erkenntnis ist nicht neu: Zunehmend versucht das neoliberale Establishment uns einzutrichtern, der Lebenssinn des Menschen bestünde im permanenten Kampf gegen seine Konkurrenten. Sei es als Soldat, Broker oder Einzelunternehmer, die jeweils neu erworbene Individualität (= größtzulässiges, vom Establishment toleriertes Maß an Freiheit) muß gegen die Mitbewerber verteidigt werden. Dieser Krieg "aller gegen alle" ist längst Lebensmotto zu vieler Lifestyle-Rekruten, Personal-Coaches und "Starmania"-Probanden.

Kulturwissenschaftler Holert und Soziologe Terkessidis nehmen den Faden der Argumentation dort auf, wo der soldatische, hierarchisch organisierte Krieg aufhört. Längst wurde die konformistische Berichterstattung über Krieg zum regelmäßigen und anonymen Spektakel auf den Displays deklassiert; Krieg gehört zum Alltag wie der tägliche Bodycount auf den Action-Channels. Wo Realität aufhört und Fiktion anfängt, weiß bald niemand mehr - die manischen Ego-Shooter am wenigsten.

In "Entsichert" bedienen sich die Autoren bewußt eines klassifizierenden Technokraten-Jargons, um auf drastische Art die grauenhafte Kälte und den metallischen Zynismus einer neoliberalen Gesellschaft zu vergegenwärtigen: spannend bis zur letzten Seite, ausgezeichnet recherchiert, vielleicht manchmal eine Spur zu hochtrabend. Zuweilen erschweren die rhetorischen Provokationen die Lektüre, schärfen aber andererseits die Wahrnehmung des Lesers für Zeichen und Codes, die vor unseren Augen umhertanzen.

Ernst Meyer

Tom Holert, Mark Terkessidis - Entsichert

ØØØØ

Krieg als Massenkultur im 21.Jahrhundert


Kiepenheuer & Witsch (Köln 2003)

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