Print_Woody Allen - Alles von Allen

Gott, die Existenzialisten und wir

Der Rowohlt-Verlag hat drei frühe Allen-Bücher als Paperback-Sampler neu aufgelegt: eine abenteuerliche Tour de force durch eine Welt am Rande des Nervenzusammenbruchs.    23.06.2004

"Die Gottlosen wissen wahrscheinlich im Grunde ihres Herzens irgendwas." Für diesen Satz muß man Woody Allen mögen, selbst wenn man es sich zum Ziel gesetzt hat, irgendwann einmal Papst zu werden. Vor allem Menschen, die Gott nur vom Hörensagen kennen, weil sie ihn vorige Woche am Busbahnhof verpaßt haben, können von Herrn Allen und seinen gesammelten Aufzeichnungen lernen. Daß Gott tot ist, beispielsweise, weil er letzte Nacht von einem Existenzialisten kaltgemacht wurde. Das sind sowieso die Schlimmsten: Leute, die Spinoza benützen, um Descartes loszuwerden und anschließend Kant aus dem Weg zu räumen, auf eine Art, die wie ein Unfall aussieht. Die einzig angemessene Reaktion auf eine solche Impertinenz wäre ein sofortiger Hungerstreik nach dem Frühstück, würden die Behörden solcherart bürgerlichen Ungehorsam nicht mit intensivem Cheddar-Beschuß ahnden.

In Pakistan, das weiß Woody Allen, wurde ein Hungerstreik sogar durch ein von der Regierung bestelltes Riesen-Kalbs-Cordon-bleu beendet - eine Lösung, die fatal an das Ende der burgenländischen Gulaschkriege von ´78 erinnert. Damals versenkten als Paprika verkleidete Ungarn burgenländische Haubenköche, die als burgenländische Haubenköche verkleidet waren, im Neusiedler See; letztlich ein lebendiges Beispiel dafür, daß sich Geschichte nicht nur am Institut für Zeitgeschichte ständig wiederholt, denn schon bei der Boston Tea Party waren die Verhältnisse ähnlich gelagert (damals wurde nicht mit Gewürzen geworfen, sondern mit Teebeuteln und dem Silberbesteck der Queen).

In seiner Freizeit, wenn sich Herr Allen nicht mit dem Ausdenken irgendwelcher Neurosen beschäftigt, spielt er übrigens Klarinette, wie der Klappentext behauptet. Wann Herr Allen Filme dreht und Bücher wie das Vorliegende schreibt, verraten hingegen weder der Klappentext noch der Rest des Buches. Offenbar nicht in seiner Freizeit, denn da sollte er eigentlich darüber nachdenken, warum in diesem Buch alle Seitenzahlen rechts gedruckt sind, selbst die, die eigentlich links hingehören. Aber wenigstens der Titel stimmt: "Alles von Allen". Woody hat tatsächlich keinen ausgelassen, der vor 1980 geboren wurde (damals erschien der letzte der drei Einzeltitel, die sich in diesem existenzialistischen Paperback wiederfinden, nämlich "Wie Du Dir, so ich mir", "Ohne Leit kein Freud" und "Nebenwirkungen"). Vom Erwerb des Buches ausgeschlossen sind übrigens schwule Oberkellner, weil die vor allem beim Buchstabieren furchtbar lächerlich aussehen. Auch Personen, die sich insgeheim davor fürchten, von Außerirdischen entführt und mit fettigen Hühnerkeulen oder Kernöl abgerieben zu werden, sollten eher etwas anderes lesen als Herrn Allens Buch. Wer hingegen aus religiösen Motiven niemals lange Unterhosen trägt, ist zum Kauf dieses Buches sowie zur Übermittlung von Geld und Sachspenden an den Rezensenten geradezu verpflichtet. Der macht dann genau das, was auch der junge Woody Allen getan hätte, der sarkastisch von jeder Seite tropft: Take the money and run!

Chris Haderer

Woody Allen - Alles von Allen

ØØØØ

(Wie Du Dir, so ich mir; Ohne Leit kein Freud; Nebenwirkungen)


(Getting Even, Without Feathers, Sideeffects)

 

Rowohlt Verlag (München 2004)

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