Fortsetzung...

Projekt Theremin hat mehrere Phasen: Einbau der Antennenhalter, Bestückung des Bedienungspanels, Einbau der Haltungen für die Platine, schließlich ein bißchen Verkabeln und Löten am Bedienungsfeld und dann der endgültige Zusammenbau. Als schwierigste Hürde erweist sich die amerikanische Anleitung: Idiotensichere Zeichnungen à la Ikea fehlen, und auch erfahrene "Business Week"-Leser kennen selten die US-Begriffe für Zwischenringe und Schraubensorten oder die Länge eines Zolls (2,54 cm). Aber mit Hilfe der Inventarliste läßt sich genau herausbekommen, welche Schraube dreimal vorhanden ist und wie diese dann heißt. Alles in allem ist der Zusammenbau in Partnerschaft mit einem Englischwörterbuch also keineswegs unmöglich und beträgt bei fertig lackiertem Gehäuse und vorsichtigem, alles mehrmals überprüfendem Vorgehen maximal drei Stunden.

Am Ende haben Sie ein Gerät, das etwa so groß ist wie ein Designer-Radio aus den Siebzigern. Der Stromanschluß befindet sich auf der Rückseite, der Audio-Output auf der Vorderseite. Idealerweise montiert man das Ding auf ein stabiles Mikrophonstativ (gibt´s in jedem Musikladen); zur Not kann man es auch auf einen Tisch stellen, allerdings muß die linke, geschlossene Antenne dann im Freien schweben.

Anschließend ist das Theremin zu stimmen, denn abhängig von Ihrer Inneneinrichtung, Ihrer Körperfülle und der Lackierung des Holzes haben sich die elektrischen Eigenschaften verändert. Dazu müssen Sie das Gerät mit einem Klinkenstecker an einen Keyboard-Verstärker anschließen oder direkt an die Stereoanlage. Für Gitarrenverstärker ist ein Umbau nötig (wird in der Anleitung beschrieben), da diese einen niedrigeren Signalpegel erwarten. Ein Tip: PC-Lautsprecher reichen völlig aus, sollten aber nicht zu klein sein. Tja, und dann ist es soweit.

Winke, winke: Musizieren durch Dirigieren

Man kommt sich erstmal verdammt blöd vor, vor allem, wenn jemand zuguckt: Sie stehen leicht links von der Mitte vor dem Gerät und fuchteln mit den Armen in der Luft herum. Ist das Theremin korrekt gestimmt, hören Sie bei an den Körper gezogenem rechtem Arm gar nichts ("zero beat"). Sobald Sie sich mit der Hand aber der senkrechten Stangenantenne nähern, taucht ein Brummen auf, das immer höher wird und in einem hellen Singen endet, sobald Sie der Antenne ganz nah sind. So greifen Sie eine Bandbreite von etwa vier bis sechs Oktaven. Die linke Hand schwebt derweil direkt über der Rundantenne, und je höher Sie die Hand heben, desto lauter wird der Ton.

Das hört sich möglicherweise etwas kompliziert an. Und kein Scherz: Das ist es auch. Verdammt kompliziert. Schwierig. Geradezu unmöglich.

Wer eine Zeitlang sinnlos herumgequietscht hat und ziemlich frustriert ist, sollte sich daher dringend die beiden mitgelieferten Videos - eine Anleitung mit der noch lebenden Konzert-Thereministin Lydia Kavina und eine Dokumentation über Clara Rockmore, eine Theremin-Legende der 50er - ansehen. Diese Filme werden Sie davon überzeugen, daß man mit einem Theremin tatsächlich sinnvolle Musik machen kann. Und wenn Sie der Theremin-Virus gepackt hat, stehen Sie anschließend stundenlang an dem Gerät herum und fiedeln mit dem Äther.

Vibratos, Wah-Wahs und wilde Portamentos schütteln Sie schnell aus dem Ärmel; das Hervorbringen der ersten sinnvollen Melodie dauert allerdings Stunden. Die größte Herausforderung ist nämlich nicht nur das Modulieren einzelner, getrennter Töne, sondern überhaupt das Treffen eines vernünftigen Tons - es gibt ja weder Tasten noch Saiten. Sie müssen also jeden Ton selbst per Gehör ertasten, was ein Minimum an Musikalität erfordert (aber durchaus trainiert werden kann).

Seltsame Klänge

Das Theremin liefert den typischen Science-Fiction-Sound von "uuuuuuuuuhh" bis "wiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii", ähnlich einer "singenden Säge", allerdings etwas trockener. Wer sich vom Äther-Instrument aber auch gleich ätherischen Sound erwartet, der sei gewarnt. Für sich genommen klingt die Weltraumquietsche eben doch nach den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts: dünn, trocken, die musikalische Begleitung zum TV-Testbild. Allerdings darf man nicht vergessen, daß das bei Analog- und Vintage-Fans so gewünscht ist, denn auf diese Weise hat man ein völlig unverfälschtes Signal, mit dem jeder machen kann, was er will.

Filterbänke und Vocoder pressen den Ton z. B. in neue Formen oder trimmen den Sound weiter in Richtung "Stimme des Weltraums". Schon einfache Effekte wie Hall oder Echo (billige ab 100 Euro, vernünftige ab 250) verpassen dem etwas kargen Fiepen mehr Raum und Psychedelik. Nur Puristen spielen das Theremin "plain vanilla" - schließlich vertuschen allzuviele Effekte nur, daß man das Ding eigentlich nicht beherrscht. Was aber auch nicht weiter schlimm ist, weil das auf der ganzen Welt ohnehin kaum jemand von sich behaupten kann...

Ein Aspekt, der hier nicht verheimlicht werden soll, ist jener, daß Sie ein Theremin natürlich nicht im Umffdada-Casio-Shop kaufen können. Man könnte sogar sagen, es ist schwierig zu kriegen. Die erste Hürde ist der freundliche Verkäufer im Musikladen Ihrer Wahl - denn der muß wissen, wo er das Theremin bestellen kann. Seit Dezember 2001 ist es die Firma EMC in D-89129 Langenau, die Händler in Österreich und Deutschland beliefert und den bisherigen Lieferproblemen wohl endlich den Garaus machen wird. Die andere Möglichkeit besteht darin, das Gerät direkt in den USA zu bestellen, was auf den ersten Blick billiger wirkt. Aber nicht auf den zweiten, denn Shipping und Zoll schlagen mit um die 150 Euro zu Buche. Das lohnt sich nur dann, wenn Sie einen Freund oder Kollegen in den USA sitzen haben, der Ihnen das Gerät persönlich mitbringt.

Doch jede Mühe lohnt sich. Noch heute gibt es nämlich - abgesehen ein paar experimentellen Systemen oder Jean-Michel Jarres Laser-Harfe - kein Musikinstrument, das ähnlich ungewöhnlich zu spielen ist wie das Theremin. Im Wohnzimmer wirkt es auf seinem Mikrophonständer wie ein "Raumpatrouille Orion"-Bügelbrett, herrlich futuristisch und doch zugleich charmant retro. Damit wirklich Musik zu machen, erfordert ungefähr soviel Geschick wie das Spielen einer Violine, ist aber natürlich erheblich cooler. Und wenn man auf dem Theremin wieder einmal eine schiefe Note spielt, schützt einen seine mythische Aura zuverlässig vor der Häme des Publikums.



Alle 2 Kommentare ansehen

So muß ein Review sein!
(Daniel Tamberg, 25.07.2001 16:54)

Theremin
(Peter J. Kraus, 24.01.2004 22:11)