Stories_Black Cube

Vinyl Resurrection

International ist der Phonoverstärker der Edelschmiede Lehmann längst zum Kultobjekt für Plattenliebhaber geworden. Ernst Meyer berichtet über ein HiFi-Juwel.    16.01.2004

Praktisch alle Tonabnehmer-Systeme sind an den Black Cube anschließbar, vom High Output MM bis hin zu (low output) MC. Die "Black Cube SE"-Version inkludiert überdies serienmäßig das berühmte PWX-Netzteil.

 

Aller Anfang ist schwer.

Und hierzulande ist es alles andere als einfach, diese kleinen Kasterln in die Finger zu bekommen. Stunden verrinnen am Telefon. Schließlich erbarmt sich ein Händler und leiht mir einen Black Cube SE aus. Nichts wie hin und abgeholt. Schon liegen der Cube und sein schlankes PWX-Netzteil ausgepackt am Tisch.

 

Build to last.

Einige Worte zum Design: Das rote Lämpchen sowie die aus Aluminium gefertigten Gehäause sind schlicht zeitlos. Das PWX-Netzteil (ein 30VA Ringkerntrafo mit geerdeter Schirmwicklung) sieht nicht nur elegant aus, sondern versorgt den Cube noch dazu mit sauberer Energie. Die mitgelieferten XLR-Verbindungen sind zusätzlich abgeschirmt.

Die Gehäuse passen optisch hervorragend zu allen britischen Verstärkerlegenden wie Ion Systems, Nexus, Obelisk, Cyrus oder Mission. Schon allein sein außergewöhliches Format macht den Black Cube eigenständig und sympathisch. Er ist zu groß, um hinter dem Plattenspieler zu verschwinden, kann jedoch bequem neben oder um Verstärker jedweder Bauart gelegt oder hochkant aufgestellt werden.

 

Selbst ist der Analog-Fan.

Die vierpoligen XLR-Stromkabel sind selbstführend, und obendrein erklärt ein ausführliches A4-Manual alle notwendigen Handgriffe für Inbetriebnahme und Adaption. Es sind deren nicht viele. Die Mäuseklaviere (pro Kanal eines) zum Einstellen des Eingangssignals sind an der Geräteunterseite direkt durch zwei Fenster zu erreichen. Die Eingangsimpedanzen sind mittels vergoldeter Dipschalter zwischen 47kOhm, 470 Ohm, oder 100 Ohm einstellbar. Der Ausgangspegel kann von 0,21mV (MC) auf 2,2mV (MM) umgeschaltet werden. Noch ein bißchen Rumfummeln und fertig: Kabel sitzen, die Spannung steigt. Wir halten fest: Selbst ein technischer Nobody wie der Rezensent war mühelos in der Lage, innerhalb von wenigen Minuten alle Teile, Kabel und Stecker richtig zusammenzuschließen (und das Mäuseklavier zu spielen).

 

Signal liegt an.

(Für die folgenden Hörbeispiele wurde ein handelsüblicher Rega P3 verwendet. Als Cartridge kam ein Benz Micro MC Gold (ca 250 Euro) zum Einsatz.) "Teardrop" (Massive Attack) entfaltet sich gleich von Anfang an gläsern in der Mitte des Raumes. Simone Raymondes entkörperte Stimme schwebt schimmernd wie Bergkristall über den dunklen Fluß-Beats und ein hundertprozentig völlig freier, kohärenter Baß läßt sofort den Fuß mitwippen. Was Stereo an 3D schon in den psychotronischen 60ern drauf hatte, vermag "Lucy in the Sky with Diamonds" (The Beatles - "Sgt. Peppers..."-LP) sehr anschaulich zu vergegenwärtigen.

Der Black Cube wirkt begünstigend auf das Stereo-Imaging ein, was zur Folge hat, daß Instrumente präziser im Raum geortet werden können. Aber auch der Raum selbst kann besser wahrgenommen werden (ein Feature, das von Klassikliebhabern und Big-Band-Enthusiasten gleichermaßen geschätzt wird). MC-Systeme wie das Benz Micro Gold verheimlichen auch in den Höhen nichts, und das verleiht dem staubigen Session-Charakter von "Rope Bridge Crossing" (P. J. Harvey, J. Parrish - "Dance Hall at Louse Point") knisternde Spanunng ohne Ende. Puls sowie Adrenalinspiegel steigen an, und man stellt fest: Beim Cube ist Vorsicht geboten, macht er doch richtig Lust auf "Vinyl-Hören".

Die Mittenzeichnung ist vorbildlich und lebendig, ohne je in den Vordergrund zu treten. Das ist keine Selbstverständlichkeit. "Saltarello" (Dead Can Dance - "Aion") verzaubert ob seiner beschwingt mittelalterlichen Weisen das Wohnzimmer kurzfristig in einen Jahrmarkt, die Plastizität ist atemberaubend. Zurück zum Baß: "Out of Control" (Chemical Brothers feat. B. Sumner) fängt harmlos an, doch das Anschwellen der Gesamtlautstärke (ein simpler Mastering-Gag) und das langsame Öffnen der Acid-Filter waren mir bisher entgangen. Peppiger klang dieser Song noch nie. Als schließlich Dolores O´Riordan zum Refrain von "Zombie" (The Cranberries - "No Need to Argue) anhebt, überfällt mich ein Blackout. Sekunden später komme ich wieder zu mir, ertappe mich dabei, daß ich wie ein Irrer im Zimmer herumtanze und den Refrain brülle. Soll heißen: Der Cube spielt dynamisch, authentisch, aber vor allem eines - mitreißend.

 

Let your Vinyl live.

Waren solcherlei beeindruckende Klangerlebnisse noch vor zehn Jahren dem Geldadel vorbehalten, lassen sich solch audiophilen Eskapaden heute unter 1000 Euro realisieren. Der Lehmann Audio Black Cube SE ist eine durch und durch "ehrliche" Angelegenheit, und für einen angepeilten Verkaufspreis von 620 Euro gibt es weit und breit keine Alternative, die es in Auflösung, Verve, kurzum: Durchsatz mit der kleinen schwarzen Zauber-Box aufnehmen könnte. Gemeinsam mit einem "ausgezeichneten" MC-System wie dem "Benz-Micro MC-Gold" (etwa 249 Euro) legt der Lehmann Audio Black Cube eine Overall-Performance hin, die ihresgleichen sucht.

 

Noch immer nicht genug?

Aufgrund seiner Multikompatibilität ist der Black Cube auch ein idealer Gefährte, wenn es darum geht, hochwertige digitale Kopien von analogen Vinyl-Originalen zu erstellen. Wer es noch puristischer will, kann ja auch gleich seine Tonarmkabel auf die Black-Cube-Eingangsbuchsen löten. Solche und andere gute Ideen hält das Manual für den hartgesottenen Hobby-Lötmeister bereit. (O-Ton: "Kein Stecker ist so gut wie kein Stecker").

Ernst Meyer

Black Cube

Phonoverstärker


 

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