Stories_Interview: Rudolf Kapellner

Grenzenloses Bewußtsein

Eine neue Bewußtseinserfahrung gefällig? Dann ist die "transpersonale Psychologie" vielleicht genau das richtige. Willkommen im total vernetzten Meta-Kosmos.    23.02.2004

Der Ort: Verein Focus im siebenten Wiener Gemeindebezirk. Im großen Vortragssaal sitzt eine Gruppe von Leuten in Filzpatschen herum. Rudolf Kapellner steht draußen im Büro und raucht die letzten Züge einer Zigarette. "Fangen wir an", treibt er die umherstreunenden Seminarteilnehmer in den Saal. Das Thema des Abends: "Psychoaktive Pflanzen und heilige Rauschmittel". Trotz des Titels wird die Versammlung nicht vom Drogenkommando gesprengt - es geht nicht darum, wer am meisten Psilocybin in sich reinschaufeln oder einen Joint mit einem Atemzug inhalieren kann. Es geht zwar darum, neue (alternative) Bewußtseinsräume zu erforschen, aber nicht auf einer chemischen Ebene, sondern auf einer mehr transzendenten oder "transpersonalen", wie Rudolf Kapellner erklärt. Die Teilnehmer der Jahresgruppe, die am 5. März beginnt, sollen "ihre" Pflanze finden und kennenlernen, auf einer über den Körperkontakt hinausgehenden Ebene, und auf diese Art eine andere Selbstwahrnehmung erlernen.

 

Rudolf Kapellner: Ich habe mich über Jahre hinweg mit verschiedenen Themen befaßt: geführte Visualisationen, Timeline, Heldenreise, schamanische Trancen, Rhythmus- und Atem-Trancen, dann Zukunftsvisionen. Immer wenn ich ein neues Thema für mich angerissen habe, bin ich draufgekommen: es läuft nach einem bekannten Strickmuster ab, blaupausenident. Und das Strickmuster ist ein transpersonales Konzept. Das heißt: Wir sind mehrere Instanzen in uns. Also nicht nur Patchwork-Identities, sondern echte Instanzen, die Eigenleben und eine eigene Urteilsfähigkeit haben, eine eigene Bewußtheit. Wie ist es beispielsweise möglich, unter LSD eigene Geburtserinnerungen zu haben - detailgenau, bis zum Licht im Kreißsaal?

 

EVOLVER: Wie ist das wirklich möglich - außer, man hat ein Video davon gesehen?

Kapellner: Da geht´s darum, wie ich in Raum und Zeit verhaftet bin. Da geht´s um Zeitwahrnehmung, die nicht nur linear ist, sondern zyklisch. Um Gleichzeitigkeiten, Zeit als konzentrisches Phänomen - wie Wiedergeburten, die nicht hintereinander, sondern gleichzeitig stattfinden. Es gibt Bereiche in unserem Bewußtsein, in denen alles, was im Leben passiert, nicht hintereinander erlebt wird, sondern nach Intensität geordnet oder nach Bedeutungszusammenhängen. Ich höre dabei nicht bei meinem Körper auf. Wenn ich zu einer Pflanze Körperkontakt habe und ihr Elektroden anhänge, wird sie mich erkennen und anders reagieren als eine Pflanze, die mich nicht kennt. Wenn Menschen zusammen sind, gibt es immer einen personalen und einen transpersonalen Teil.

 

EVOLVER: Dieser transpersonale Teil ist immer da aber nicht meßbar?

Kapellner: Personalität oder Persönlichkeit kommt von dem Wort persona. Das ist die Maske, die im griechischen Theater aufgesetzt wurde, durch die es hindurchtönt. In Wirklichkeit ist die Persönlichkeit die Maske. Wir identifizieren uns also mit der Maske. Was aber sind wir, wenn wir nicht nur Maske sind? Ein unheimlich weitreichendes, komplexes System. Total vernetzt und verwoben. Ich sitze zu Hause und denke mir, ich muß meine Freundin anrufen - und es läutet das Telefon. Das kennt jeder in tausend Variationen, es ist ein transpersonales Phänomen.


EVOLVER: Die Geschichte mit den Anrufen - wäre das nicht eher so etwas wie Telepathie? Etwas, das wir alle können, wenn man Rupert Sheldrake glaubt (Anm.: Autor von "Sieben Experimente, die die Welt verändern können")?

Kapellner: Telepathie ist eine nicht-sprachliche transpersonale Kommunikationsweise. Ich beschäftige mich mit dem Thema "transpersonal" über alle Bewußtseinsbereiche hinweg, die aus dem alltäglichen hinausreichen und mich mit inneren transpersonalen Aspekten konfrontieren - wie die Instanz der Gleichzeitigkeit oder die Instanz des alten, weisen Mannes, der einfach auf sein Leben schaut. Wie ist das, wenn der Körper stirbt, was läuft dann ab? Ob ich so was mit der Lotte Ingrisch pflege oder mit den Buddhisten oder ob ich im Samadhi-Tank liege, das sind einfach verschiedene Zugänge. Wohin dehnt sich mein Bewußtsein aus? Ein Beispiel: Ich liege in New York in einem Tank. Plötzlich sagt mir eine Stimme, wie ich mit meiner Frau umzugehen habe - und jeder Ratschlag stimmt hundertprozentig. Das ist ein transpersonales Phänomen, das über Telepathie hinausgeht und auftreten kann, wenn man zu jemand eine ganz besonders intensive Beziehung aufbaut.

 

EVOLVER: Ich erinnere mich an ähnliche Erlebnisse mit jemand, der mir sehr nahestand. Manchmal wußte ich über eine Distanz von ein paar hundert Kilometer hinweg, was die Person gerade machte - und sie spürte mich einmal fast körperlich durch das Haus gehen, obwohl ich in Wien war.

Kapellner: Die transpersonale Psychologie ist für mich ein Meta-Thema mit verschiedenen konkreten Teilbereichen, in denen überall dasselbe Grundthema enthalten ist. Das Thema "Identität auflösen", das hast du überall, bei S/M genauso wie bei den Pflanzen. S/M hat sogar, intelligent betrieben, einen sehr hohen transpersonalen Anteil. Auch wenn man die Pflanzenseite betrachtet, wird einem der transpersonale Anteil schon aus der Geschichte heraus deutlich. Der frühzeitliche Wissenerwerb geschah über Trance-Techniken. Man ging auf eine Trance-Reise und nahm das Wissen der Pflanze mit. Wenn das gelingt, dann weiß man, das man Salbei als Küchengewürz verwenden kann, als Hustentee, zum Räuchern, als Bestandteil von Hexensalben und auch als Halluzinogen - wenngleich auch nicht dieselben Salbeisorten. Diesen Zugang möchte ich in der Pflanzengruppe wieder lebendig machen. Es geh total leicht. Da stehen die Leue bei der Tollkirsche, und du rasselst - und dann kriegen die Leute plötzlich Anweisungen für Rezepte oder so.

Früher waren die Menschen naturverbundener. Sie konnten mehr Wissen mitnehmen. Die Menschheit ist ja auf die verschiedenen Wirkungen von Pflanzen auch nicht durch Ausprobieren draufgekommen; sonst gäbe es uns längst nicht mehr.

Chris Haderer

Focus


Vortrag "Geburt, Tod, Transzendenz - Bewußtsein jenseits der Grenzen des Alltags: Eine Einführung in die transpersonale Psychologie. Anschließend an den Vortrag folgt ein Infoabend über die drei Abendzyklen. Donnerstag, 26. 2. 2004, Beginn 20 h im FOCUS.

 

Abendzyklen zur Transpersonalen Psychologie:

"Innere Kraftplätze, Vision und Lebenssinn" und "Dem Glück auf der Spur - Rituale des Alltags". Erster Zyklus: 11. + 18. + 25. 3. 2004, jeweils 20-22.30 h im FOCUS.

 

"Psychoaktive Pflanzen und heilige Rauschmittel"

Die Jahresgruppe umfaßt:

-- 6 Abende "TISCHGESPRÄCHE" - über das transpersonale und ekstatische Erleben mit psychoaktiven Pflanzen

-- im Anschluß: experimentelles PFLANZENLABOR (optional)

-- 3 RASSEL-TRANCEREISEN in psychoaktiven Pflanzen - outdoor

- TRANCE-FEST: ritueller Abschluß im Dezember 04 (Wintersonnwende)

 

Anmeldung + Info:

FOCUS, 1070 Wien, Neubaug. 44

Tel.: 01/523 10 82 & 523 90 82

Fax: 01/523 90 826

Links:

Kommentare_

neugierig123 - 13.08.2009 : 18.21
würde mich interessieren wie es mit der jahresgruppe weitergegangen ist...

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