Stories_Kings Of Leon

Tennessee Rock

Was tun drei Söhne eines amerikanischen Wanderpredigers, wenn sie die frohe Botschaft in aller Welt verkünden wollen? Sie holen ihren Cousin dazu und gründen eine Band. Zehn Jahre und diverse Top-Charts später waren die Könige erstmals live in Wien zu hören. Günther Sturmlechner über den neuen Sound der Südstaaten ...    23.12.2010

4. Dezember 2010, 20.35 Uhr: Das Licht in Halle D der Wiener Stadthalle wird langsam gedimmt. Während es dunkler wird, schwindet auch der Gesprächslärm der Zuschauer, bis man nur mehr vereinzeltes Getuschel hört. Das versammelte Publikum wartet gespannt ab. Immerhin geben heute die Kings of Leon, die spätestens mit ihrem vierten Studioalbum "Only By The Night" 2008 den internationalen Durchbruch schafften, das einzige Österreichkonzert im Rahmen ihrer Europatournee. Das Online-Kartenkontingent war binnen 30 Minuten ausverkauft - und nun starren 16.000 Zuschauer gespannt auf die Bühne.

Plötzlich ertönt ein lauter Knall, der alle zum Zusammenzucken bringt. Roter Rauch steigt auf, es riecht nach Feuerwerkskrachern. Das Warten ist vorbei, die Fans geben lautstark ihrer Begeisterung Ausdruck. Und dann tritt der erste der Könige auf: Nathan Followill, Schlagzeuger. Während er sich an die Drums setzt, betreten Bassist Jared Followill und Lead-Gitarrist Matthew Followill die Bühne. Die sind natürlich alle verwandt, wie sich das für echte Südstaaten-Rocker aus Nashville, Tennessee gehört ...

 

Die Begeisterung erreicht einen neuen Höhepunkt, als der letzte der Brüder - Sänger Caleb Followill - rauskommt, seine Gitarre umschnallt, zum Mikro schlendert und "Hi, we’re the Kings of Leon" nuschelt. In solchen Fällen hilft tatsächlich nur gepflegtes Understatement.

Das Konzert beginnt mit dem markanten Riff zu "Crawl" vom Nummer-1-Album "Only By The Night". Die harte Ryhthmusgitarre wird von einer klaren, leicht verzerrten Leadgitarre umspielt, der Bluesrock kippt in seinen unsterblichen, unwiderstehlichen Groove, Bewegung kommt ins Publikum. Nach dem Opener lassen die Kings mit dem grungigen "Molly’s Chambers" die erste Single-Auskopplung ihres Debütalbums "Youth and Young Manhood" ertönen, wo sich zum Blues-Riff Vocals à la Cobain gesellen. Und als Bandleader Caleb am Anfang des dritten Songs vom "A" zum "Es" slidet, weiß jeder, daß es jetzt endlich "Radioactive" wird. Auch hier die zwei Gitarren im geschmeidigen Zusammenspiel, ebenso wie die geliebten Southern-Rock-Einflüsse - nur der Gesang ist klarer und verweist auf die Weiterentwicklung der Band vom ersten bis zum aktuellen fünften Album "Come Around Sundown".

 

Die drei Brüder und ihr Cousin Matthew spielen Hightlights ihres bisherigen Repertoires, erfüllen mit "Fans", "The Bucket" oder "Notion" typische Hörerwünsche, konzentrieren sich aber eindeutig auf die neue Platte, von der ganze fünf der ersten zehn Songs stammen. Und sie spielen das alles so perfekt, klar und rein, daß einem geradezu ketzerische Gedanken kommen: Wo bleibt denn hier das typische Live-Erlebnis? Wie schaffen die vier Herren es, auf der Bühne genauso zu klingen wie von CD oder aus dem mit MP3s angefüllten Kopfhörer-Handy? Und warum entschuldigt sich Caleb mitten im Konzert für seine angeblich aus Gesundheitsgründen etwas angeschlagene Stimme? Wie klingt denn der Typ dann erst, wenn er gesund ist?

Mit solchen Gedanken vertreibt man sich die Zeit während des gefühlvollen Blues von "Knocked Up". Doch kaum ist im Publikum etwas Ruhe eingekehrt, erklingt auch schon das Intro zu "Use Somebody", und die Volksmassen sind plötzlich wieder hellwach, stimmen mit Drummer Nathan das berühmte "Oho-O, Ooho-O, Oooo" an und brüllen den restlichen Song auch gleich mit.

 

Es wird still. Ergriffenheit. Postorgasmische Euphorie, die blitzschnell in Depression umzuschlagen droht: Auf einmal gehen nämlich die Scheinwerfer aus, und die Kings of Leon verlassen im Schutz der Dunkelheit die Bühne. Man schaut auf die Uhr und fragt sich, ob das denn wirklich schon alles gewesen sein kann? Man hat ja nicht einmal noch "Sex On Fire", den wohl bekanntesten Hit der Band, zu hören bekommen. Und man ist anscheinend nicht der einzige, der so denkt. Dem ersten Rufer nach einer "Zugabe!" schließen sich unzählige andere an, bis die heiligen vier Könige - no na - wieder rauskommen und die Lichtanlage neuerlich den Betrieb aufnimmt.

Und als Matthew dann den Jimi macht, um das klare, an U2 (danke, Mr. Edge!) erinnerende Intro zu "Closer" mit der Zunge zu spielen, ist der Teufel los. Bei "Sex On Fire" schließlich springt dann auch noch der letzte der Sitzplatzkartenbesitzer auf, um begeistert mitzutanzen und Caleb lautstark beim Refrain des Hits zu unterstützen. Audience on fire. So hat man sich das gewünscht und vorgestellt.

 

Nach dem Grunge-angehauchten Finale mit "Black Thumbnail" (vom Album "Because Of The Times") ist es schnell vorbei. Die Musiker verbeugen sich und verschwinden auf Nimmerwiedersehen, das Saallicht wird aufgedreht, die Roadies machen sich an den Bühnenabbau.

Und der kleine Fan, einer unter 16.000, schaut noch einmal auf die Uhr. Zehn nach zehn erst? Nur eineinhalb Stunden Konzert? Und dafür hat man 50 Euro hingelegt? Das ist, rückblickend betrachtet, sogar für eine Band mit den Live-Qualitäten und dem Song-Repertoire der Kings of Leon ein bißchen viel.

Aber schön - ja, sogar richtig schön - war's trotzdem. 

Günther Sturmlechner

Kings Of Leon - Come Around Sundown

ØØØØØ

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RCA/Sony (USA 2010)

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