Rickie Lee Jones

Stories_Rickie Lee Jones
Bonfires of hell
Mit 14 riß sie von daheim aus und zog nach Los Angeles. Sie spielte mit Dr. John und Randy Newman, und sie war einige Jahre die Lebensgefährtin von Tom Waits. Am 1. September 2010 gastierte sie im "Porgy & Bess" in Wien.
Bernhard Moshammer über ein ungewöhnliches Konzert einer ungewöhnlichen Frau.
09.09.2010
I wish I could tell you that things finally turned out fine in my life - but they didn't.
If I could trade love for performing, I would do it in a minute.
... sagte sie vor dem letzten Song.
Zwischen diese beiden Sätze fügte sie noch eine Zeitrafferversion ihres letzten Beziehungsendes ein: Es war ein Sonntagmorgen, und auf dem Beifahrersitz des Autos ihres Freundes saß eine ihr fremde Frau. Jung, blond, with a lot of hair. Er versicherte ihr, die Dame sei eine Lesbe, die er nur irgendwohin fahre.
Sie hat dann Monate später einen Song geschrieben: Bonfires. Hätte sie dieses Lied nicht geschrieben, wer weiß - vielleicht würde sie heute nicht hier stehen. Letztlich findet sie es richtiger, sich an die schönen Dinge zu erinnern, als sich dem Zorn hinzugeben. Sie mag es, songs of hope zu schreiben, und hofft, daß wir - das Publikum - ebendiese Hoffnung aus ihren Songs mitnehmen und schöpfen werden. You know, when you're down.
Dann spielte sie das Lied und verabschiedete sich höflich - mit einem großen Lächeln im Gesicht.
Sie sprach viel und sehr offen. Ein halbes Leben zwischen (und in) Songs in knappen Worten. Die Songliste entsprach der Chronologie ihrer Karriere. Das Konzert als Autobiographie.
Zum ersten Mal wurde mir bewußt, daß so ein Solo-Konzert wie ein Vorstellungsgespräch ist. Nur irgendwie umgedreht, so, als ob der Chef sich bei seinem Personal vorstellt. Oder wie eine Wahlveranstaltung, bei der der Redner das Publikum ohnehin auf seiner Seite weiß. Die Vergleiche hinken aber, denn sowohl Vorstellungsgespräch als auch Wahlveranstaltung basieren auf dem Bestreben, sich selbst in ein besseres Licht zu stellen, also auf der Lüge. Sie bedienen sich Erkenntnissen und Prinzipien des Showbusineß. Und eines ist sicher: Noch nie war ein Konzert weniger Show als dieses.
Ich hatte erst am Nachmittag davon erfahren; es gab nur noch Stehplatzkarten. Ich war eine halbe Stunde vor Beginn da und entdeckte ganz vorne an der Bar zwei leere Plätze. Reserviert für Universal stand da. Plattenfirmentypen, die sich für Rickie Lee Jones interessieren? Hmm. Ungläubig schob ich die Hocker zur Seite.
Später kamen dann tatsächlich zwei unterernährte, müde Majorlabel-Frauen, die einander gelangweilte Blicke zuwarfen, sich flüsternd unterhielten und nach einer Stunde den Raum wieder verließen.
Auf manche Dinge ist immer noch Verlaß.
Rickie Lee Jones weiß natürlich, was sie tut, wo sie sich befindet und mit wem sie es zu tun hat. Umso erstaunlicher ihre Entscheidung, ganz sie selbst zu sein. So offen und verletzlich gibt sich nur, wer nichts zu verlieren hat.
Sie weiß, daß ihr Publikum vor allem aus eingeschworenen Fans besteht. Da war der Mittfünfziger, der, ihr erstes Album in Händen haltend, nervös am Rand stand - zu ängstlich, um sich in die erste Reihe zu setzen und von ihr entdeckt zu werden? (Holte der sich dann ein Autogramm? Da hätte er ihr ja gegenübertreten müssen. Oder war das gelblich gewordene Cover in der Plastikschutzhülle unterm Arm nur eine Art Ausweis?)
Oder die Frauen der gegenteiligen Art, die selbstbewußt in der ersten Reihe saßen und alles taten, um aufzufallen: Nach jedem ersten Akkord wiehern, die Hände vors Gesicht schlagen, um allen zu demonstrieren, wie gut sie das Repertoire ihrer Rickie Lee draufhaben; in Glück und Dankbarkeit vergehen, daß sie genau diesen einen Song spielt, der entweder immer schon ihr Lieblingssong war oder ein ganz wichtiger, der sie irgendwann gerettet haben mag.
Rotwangige, auch nicht mehr ganz junge Mädchen, die auf jede Regung ihrer Heldin lautstark reagierten, um ihr totales Verständnis für Alles auszudrücken. Hinter mir an der Bar stand auch so eine, die permanent verständnisvoll nickte und ein Hm nach dem andern lachte. Als ob nur sie und Ms Jones im Raum wären.
Überhaupt fiel auf, daß die Leute einem permanenten Reaktionszwang ausgesetzt zu sein schienen; jeder Blick, jedes Lächeln, jeder Halbsatz der Sängerin wurde mit gutturalen Lauten und bisweilen unpassendem Lachen bestätigt. War das Freundlichkeit oder einfach nur Unsicherheit? Wir sind es nicht gewohnt, unsere Stars so offenen Herzens und gleichsam privat auf der Bühne zu sehen und zu spüren. Die Dinge, von der Rickie Lee Jones da ganz beiläufig erzählte, hört man sonst höchstens von einer guten Freundin, die sich einem anvertraut, weil sie es nicht mehr aushält und sie unbedingt loswerden muß. Das wäre ja auch eine schöne Motivation, um Songs zu schreiben, aber Ms Jones entspricht - mutmaße ich jedenfalls seit diesem Abend - so gar nicht dem Klischee, demzufolge ein Künstler sich nur durch seine Kunst mitteilen will oder kann.
Hat sie keine Freundin? Oder sind wir, das Publikum, ihre Freundin?
Als sie sich zum Flügel setzte, sich kurz ein wenig schwer dabei tat und lakonisch meinte: You know, I bought this suit eleven years ago ... (da mußte auch ich lachen, zugegeben), rief eines der Fanmädchen: You are beautiful, Rickie! Frau Jones lächelte und antwortete: If I had a boyfriend, I would like him to say that.
Und dann waren da die Musiker im Publikum, ich schätze einmal hauptsächlich Jazzmusiker, deren möglicherweise übertriebene Erwartungshaltungen sie mit ihrer schlichten Performance in die Schranken wies. Als ob sie sagen wollte: Es geht nur um die Songs, die handwerkliche Umsetzung ist schön und gut, aber nicht der Rede wert.
Sie erfüllte dennoch alle künstlerischen Erwartungen, erwies sich als unglaublich intensive (Jazz-)Sängerin, groovte entspannt mit kargen Schlägen und Tönen auf der Gitarre oder verlor sich in melancholischen Akkordfolgen auf dem Klavier. Sie war richtig, richtig gut. Aber traurig. Und ihre Haltung - vor allem zwischen den Songs - sagte ebendas, wie sie es dann am Ende auch ganz konkret aussprach.
Sie spielte keine Zugabe, war auch nicht nötig.
Und wieder einmal fragt man sich, ob das der Preis ist. Ob persönliches Leid tatsächlich den künstlerischen Output erhöht oder sogar ausmacht. Sie wirkt sehr sympathisch, ist attraktiv, spielt auf der ganzen Welt vor ausverkauften Häusern. Ich meine, wieviele künstlerisch Ambitionierte gibt es, die genau das anstreben, was sie hat, aber nie erreichen, die auch einsam sind oder sich allein und unverstanden glauben?
In Interviews spricht sie vom Tod ihrer Mutter und von ihrer Tochter, die jetzt erwachsen und von daheim ausgezogen ist. Alles ganz normal.
Und doch auch wieder nicht.
Die Welt ist irgendwie verkehrt. Wir alle wollen immer mehr, verbiegen uns, um etwas Besonderes darzustellen, und sie, die in unseren Augen das Besondere darstellt, will weniger, will nur normal sein. Nein, das stimmt nicht. Auch sie will mehr, nur scheint ihr Mehr unser Weniger zu sein, ihr Traum unsere Normalität - wenn wir Glück haben.
Als ich ging, blickte ich kurz in die Augen der Frau hinter mir, deren hysterisches Gehabe mich so genervt hatte. Sie waren rot und naß.
Ich fühlte mich wie in einem dieser John Hughes-Filme, wo ein paar Jugendliche aus den unterschiedlichsten Verhältnissen mit den unterschiedlichsten Problemen in einem Raum zusammengepfercht werden, um draufzukommen, daß sie alle gleich sind.
There's just one thing before I go
You are the sweetest boy I know
I've lived my whole life in the past
But I awoke last night at last
I thought I'd finally won your heart
And that forever never part
And in sweet love we would grow old
Now I'm just a scavenger in the cold
All I can do is wish you well
And light the bonfires of hell
Honey, you hurt me bad this time
I'm burning everything I find
You hurt me bad this time
You nearly tore me from my mind
Before I knew I had been hurt
She laid her hair across your shirt
All I can do is wish you well
And light the bonfires of hell
There's just one thing before I go
You are the sweetest boy I know
If there's a sun I'll watch it rise
To dry the tears out of my eyes
If there's a river, you can bet
There'll be a sea for my heart yet

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