Christian De Metter - Scarface
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Schreiber und Leser
Heiß erwartet und endlich da: die deutsche Ausgabe der Comic-Interpretation von Armitage Trails Noir-Klassiker "Scarface". Erschienen ist das Werk in der gnadenlosen Noir-Reihe von Schreiber & Leser und in der gewohnt edlen Aufmachung, die den formalen Begriff "pulp" Lügen straft. 14.08.2012
Das Cover mit den plastisch wirkenden Einschußlöchern wäre ein tolles Poster.
Wie bei einer Filmadaption muß sich auch der Comic-Künstler beschränken, eine Auswahl treffen und eine eigene Struktur für seine Interpretation zu schaffen. De Metter bleibt eng an der Vorlage und nutzt alle Schlüsselszenen, um eine werkgetreue Adaption zu schaffen.
De Metter taucht sein Chicago der 1930er Jahre in dunkle, grünlastige Pastelltöne und schafft so eine düstere Atmosphäre, die dem Sujet entspricht. Seine Panels sind deutlich an der Filmsprache des klassischen Gangsterfilms orientiert, ein Kaleidoskop der geradezu archetypischen Bilder des Genres.
"Scarface" wurde bereits mehrfach im Medium Comic behandelt: 2006 waren bei IDW in den USA fünf Hefte eines "Scarface"-Comics von John Laymon erschienen, der sich auf Brian De Palmas Film bezog. Danach gab es noch eine eindrucksvolle Version, "Devil in Disguise" von Joshua Jabqua und Alberto Dose, die ein Prequel zum Film von 1983 darstellte. Und Drehbuchautor David Ayer, der die grandiosen Neo-Noirs "Training Day" (fast eine Blaupause für die TV-Serie "The Shield") und "Dark Blue" (mit James Ellroy im Credit, obwohl von ihm kaum etwas in den Film kam) schrieb, arbeitet derzeit an einem neuen "Scarface"-Film.
Das ist doch eine gute Gelegenheit, den Mythos "Scarface" wieder einmal zu betrachten.
Die letzten Minuten im klassischen Gangsterfilm - und auch oft im Roman - gehörten der Zensur. Ob wir es glaubten oder nicht, am Ende der Geschichte mußten sie alle ins Gras beißen, von Rico bis Tony, entweder im Kugelhagel oder auf dem elektrischen Stuhl. Hollywood erzählte allen Ernstes, daß das Gangstertum sich nicht lohne und stets von aufrechten Bullen oder gar Politikern (ein Widerspruch in sich) besiegt werden würde. Aber da es im Film dauernd besiegt wurde und bis heute wird, drängt sich der Verdacht auf, daß sich im wirklichen Leben nichts dergleichen ereignet hat. Und das ist ja auch kein Wunder.
Das organisierte Verbrechen war immer Bestandteil des amerikanischen Systems. Die brutalen Methoden der Vieh-, Eisenbahn- und Stahlbarone der glorreichen Pionierzeit unterschieden sich nicht von denen eines Johnny Torrio, Al Capone oder Frank Nitti. Halt! Ein Unterschied ist auffällig: Chisum oder Carnegie finanzierten keine Suppenküchen für die Armen, Capone aber schon. Während sich die Räuberbarone als amerikanische Aristokratie etablieren konnten, da sie die Gesetzgebung weitgehend kontrollierten, mußten sich die Leute, die mit illegalen Substanzen und Dienstleistungen handelten, in eine einmal mehr, einmal weniger geduldete Gegenwelt abdrängen lassen. Der Gangster wurde zum "feudalistischen Kapitalisten" (seine Leute haben den Status von Leibeigenen und Unfreien, werden aber versorgt). Er ist im politischen und wirtschaftlichen Gefüge etabliert und als gesellschaftliche Kraft am politischen Entscheidungsprozeß (die Mafia bestimmte mit, daß Roosevelt und Kennedy ins Weiße Haus einzogen) hochgradig beteiligt.
Als extremer Vertreter eines Raubtierkapitalismus stand und steht das organisierte Verbrechen der Wall Street und Washington immer näher als dem Gefängnis. Es ist wohl kaum ein Zufall, daß Vertreter des Establishments wie Anwälte, Geschäftsleute, Banker oder Beamte im Gangster-Genre als schwächlich und korrupt dargestellt werden. Im Vergleich zum enthemmten Unternehmer, der der Gangsterboß schließlich ist, sind die Angehörigen einer auf der Kippe stehenden Sozialstruktur, die sich zumindest rudimentär an einen Gesellschaftsvertrag hält, lächerliche Figuren. Der Gangster-Unternehmer riskiert nämlich etwas, um sich hochzuboxen. Dagegen sind die Staatsdiener lediglich die Schmarotzer des Systems. Was diesen frühen Beispielen (im Gegensatz zum Gangstergenre ab den 60er Jahren wie etwa bei Richard Stark) fehlt, ist die Umwandlung des patriarchalischen Prinzips in eine Management-Organisation, die geschäftlich unauffällig illegales Kapital in den legalen Wirtschaftskreislauf einspeist und legalisiert, um so in etablierten Herrschaftsschichten aufzugehen.
Einer der ersten Autoren, die sich mit den Profiteuren der Prohibition (= der Goldrausch des organisierten Verbrechens) beschäftigten, war Armitage Trail mit "Scarface".
Armitage Trail war das Pseudonym von Maurice Coons. Sein Vater war ein Impresario, der als Road-Manager für die New Orleans Opera Company arbeitete und auch noch Getreidesilos und Möbel herstellte. Sein Bruder war der humoristische Schriftsteller Hannibal Coons. Mit sechzehn Jahren ging Maurice von der Schule ab, um sich künftig ganz dem Schreiben zu widmen. Innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre hatte er sich als Autor von Stories für die Pulps etabliert. Unter verschiedenen Pseudonymen füllte er oft eine komplette Ausgabe von Detective-Story-Pulps. Ende der zwanziger Jahre lebte er in Chicago und kam mit verschiedenen sizilianischen Gangs in Berührung. Und natürlich beobachtete er auch, wie Al Capone die Stadt beherrschte. Monatelang trieb sich Coons nachts zusammen mit einem befreundeten Anwalt in den Klubs des Chicagoer Ganglands herum. Tagsüber saß er in seiner Wohnung am Oak Park und schrieb an "Scarface".
Coons hatte genau hingeschaut. Sein Roman strahlt eine Authentizität aus, die noch heute spürbar ist und fasziniert. Ja, seine Beschreibung einer durch und durch korrupten Welt, in der nur die Skrupellosesten überleben, erscheint heute wieder aktueller denn je. Mit kalter Präzision führt er den urbanen Dschungel vor und jagt dem heutigen Leser manchen Eisesschauer über den Rücken. Im Gegensatz zu vielen späteren Autoren verklärt er nichts, sondern führt schonungslos ein erschreckendes Zeitbild vor. Es ist die Zeit der Bandenkriege und der Prohibition, die für die wirtschaftliche Integration des organisierten Verbrechens notwendige Voraussetzung war. Es ist die Zeit, für die ein Name steht: Al Capone. Der Roman wurde sofort ein großer Erfolg, da er den Zeitgeist widerspiegelte und Einblick in die Welt des organisierten Verbrechens vermittelte.
Der Normalbürger konnte in diesen Jahren kaum den Kontakt mit Gangstern vermeiden (trank er dazu noch Alkohol, verhielt er sich ja selbst wie ein Krimineller); aber tieferen Einblick erhielt er über die Zeitungslektüre hinaus nicht. Da konnte nur die vermeintliche Fiktion nachhelfen, und W. R. Burnetts "Little Caesar" sowie Trails "Scarface" wurden als Schlüsselromane rezipiert. Es waren für die Gegenwart bestimmte Bestseller, die zu Klassikern wurden. Auch heute noch überzeugt Trails frischer Stil. Trotz gelegentlicher Überlegungen, Phrasen und Anmerkungen, die von heutigen Autoren so nicht mehr erzählt oder reflektiert würden, wirkt der Roman erstaunlich authentisch und modern. Aktuell ist auch die gesellschaftliche Beschreibung: Damals wie heute stellt die organisierte Kriminalität eine Macht dar, die ganze Staaten erschüttern oder zum Einsturz bringen kann (Rußland und Kolumbien augenscheinlich, Belgien und Italien etwas weniger deutlich): das organisierte Verbrechen als höchste Stufe des Kapitalismus, als Wirtschaftsliberalismus ohne Gesellschaftsvertrag. Hobbes hätte seine helle Freude an diesem Anschauungsmaterial gehabt.
Al Capone selbst, der die hauptsächliche Inspiration für seinen Roman war, lernte Coons nie persönlich kennen. Er lebte in New York, bevor er nach Hollywood ging, um eine Karriere als Drehbuchautor anzustreben. Trail bekam von Howard Hughes 25.000 Dollar für die Verfilmungsrechte von "Scarface". Auf ziemlich miese und selbstgefällige Weise erinnerte sich William R. Burnett an seine Arbeit am "Scarface"-Film: "Trail war glücklich darüber, ein paar Dollar in der Tasche zu haben. Er brauchte immer Geld. Für den Rest seines Lebens war er nicht mehr nüchtern und starb an einer Herzattacke in Grauman´s Chinese Theatre. Hughes wollte im Grunde nur den Titel haben und etwas Material aus diesem Pulp-Ding. Bevor er mich verpflichtete, hatten sich ungefähr zwölf Autoren an dem Drehbuch versucht. Ich bekam 2000 Dollar die Woche und schrieb ein völlig neues Drehbuch."
Coons war keine 30 Jahre alt und wog 300 Pfund, als er an seinem Kino-Herzanfall starb. Er lebte nicht lange genug, um den nach seinem Roman entstandenen Film zu sehen. Außer "Scarface" ist nur ein weiterer Roman von ihm als Buchveröffentlichung bekannt: die Hardboiled-novel "The Thirteenth Guest" aus dem Jahre 1929.
II. Der Film
Howard Hawks Verfilmung von "Scarface" (1932) war der dritte große Gangsterfilm nach "Little Caesar" und "Public Enemy", die das Genre für die nächsten Jahrzehnte prägten und Stereotypen und Rituale festlegten. Der von Howard Hughes produzierte United-Artists-Film erregte die Gemüter der Zensoren noch mehr als die beiden Gangsterstreifen von Warner Brothers. Drei Schlußsequenzen wurden für den Film gedreht. Dabei wurde das übliche Klischee, wie der einstige furchtlose Gang-Boß um Gnade bittet, zur Freude der Zensoren bei den meisten Vorführungen in den USA verwendet. Das schönste Ende ist aber sicherlich die Version, in der Paul Muni von Maschinengewehrkugeln niedergemäht wird, vor dem Cook-Tours-Zeichen mit der Aufschrift "The World Is Yours".
Wie kompliziert die Adaption für den Film in Zeiten heftiger Zensur gewesen sein muß, sieht man an der langen Namensliste der Drehbuchautoren. Beteiligt am Drehbuch waren: Ben Hecht, Seton I. Miller, John Lee Mahin, William R. Burnett (der die Romanvorlagen für "Little Caesar", "High Sierra", "The Asphalt Jungle" und andere Filme lieferte) und Fred Palsey Burnett: "Ein Agent von Howard Hughes rief mich an und bot mir 2000 Dollar pro Woche für die Arbeit am Drehbuch zu 'Scarface'. Grundlage war dieses Buch von einem Heini namens Armitage Trail. Ein schlimmes Stück Mist - Pulp-Magazin-Zeugs eben. Ich arbeitete nicht für Howard Hawks, sondern für Hughes, der mir auch ein Büro gab. Plötzlich hatte ich zwölf verschiedene Drehbuchfassungen von "Scarface" auf dem Tisch. Egal. Ich schrieb ein komplettes Buch. Als ich fertig war, setzte Hughes den Drehbeginn an. Aber Hawks mochte nicht, was ich geschrieben hatte und holte zehn Tage vor Drehbeginn Ben Hecht dazu. Ben sagte: Ich schreib´ euch ein drehbares Skript in zehn Tagen und kriege täglich 1000 Dollar ausbezahlt. Hecht war brillant, brauchte aber immer Geld. Ich denke, Ben Hecht war letztlich dafür verantwortlich, daß der Film gedreht wurde."
Laut anderen Quellen schrieb Hecht in zwei Wochen 60 Seiten des Drehbuchs. Dann wollte er zurück nach New York und übergab die Arbeit an John Lee Mahin mit den Worten: "Voller Löcher, das Ding. Kaum Dialog. Das ist eher ein gutes Treatment. Du wirst Probleme haben, aber das ist dein Job." Hawks behauptete, er wäre zu Ben Hecht gegangen und hätte ihm die Anweisung gegeben, "Al Capones Geschichte wie die der Borgias zu erzählen". Mahin: "Falsch. Ben sagte das zu Hawks. Ich habe selbst gehört, wie er es ihm sagte. Die Borgias faszinierten Ben schon immer. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Howard die Borgias überhaupt kannte. Vielleicht. Wahrscheinlich hat er aber im Lexikon nachgeschaut, nachdem Ben ihm das gesagt hatte. Howard ist ein großer Lügner. Er behauptete auch, die Idee, wie George Raft mit der Münze spielt, sei von ihm. War sie aber nicht. Das stand alles schon im Drehbuch. Ben hatte auch das erfunden." Raft mußte das Flippen der Münze tagelang üben, bevor er es so gut konnte, daß er dabei einen anderen Schauspieler ansehen konnte.
Gleichzeitig arbeitete auch Seton Miller, ein alter Weggefährte von Howard Hawks, an dem Buch. Mahin konzentrierte sich auf die Dialoge, und schließlich erstellten die beiden Autoren zusammen mit Hawks die endgültige Fassung. Angeblich verlangte Al Capone, der von dem Filmprojekt erfahren hatte, Einblick ins Drehbuch, das frei seine Lebensgeschichte erzählen sollte, zu nehmen. Der Capone-Biograph John Kobler schreibt:
Eines Nachts, so erzählte Hecht später, klopfte es plötzlich an der Tür seines Hotelzimmers in Los Angeles. Als er öffnete, standen zwei finster blickende Unbekannte vor ihm. Auf irgendeine Weise waren sie an eine Kopie seines Drehbuchs gekommen.
"Sind Sie der Mensch, der das geschrieben hat?" fragte der Mann mit dem Skript in der Hand.
Hecht bejahte.
"Wir haben es gelesen."
"Und wie fanden Sie es?"
"Ist dieses Zeug über Al Capone?"
"Gott bewahre! Ich kenne Al noch nicht mal." Er nannte die Namen einiger Gangster, die er in Chicago als Reporter kennen gelernt hatte - Colosimo, O´Banion, Hymie Weiß ...
"Okay. Wir sagen Al, daß dieses Zeug über andere Brüder ist." Als sie gerade gehen wollten, fiel ihnen noch etwas ein:
"Wenn das Zeug nicht über Capone ist, warum haben Sie es dann 'Scarface‘ genannt? Jeder glaubt, daß er es ist."
"Genau deshalb. Al ist einer der berühmtesten und faszinierendsten Männer, die es gibt. Wenn man den Film 'Scarface' nennt, will jeder ihn sehen, weil er glaubt, er ist über Al. Das gehört zu den Tricks im Showgeschäft."
"Werd´ ich Al sagen. Und was ist dieser Howard Hughes für ein Kerl?"
"Der hat damit gar nichts zu tun. Das ist der Dummkopf mit dem Geld."
"Okay. Hol ihn der Teufel." Befriedigt zogen sie ab.
Den Titelzusatz "Shame of a Nation" hatte ein Zensor des Hays Code durchgesetzt. Anscheinend war Capone von den Berichten seiner Drehbuch-Controller aber nicht völlig überzeugt. Jedenfalls besuchten einige von Capones Leuten die Dreharbeiten und wollten eine Preview des Films sehen. Hawks sagte ihnen, Al könne sich eine Eintrittskarte kaufen, wenn der Film in den Kinos sei. Capones Leuten gefiel diese Antwort überhaupt nicht, und sie machten ein bißchen Druck. In Windeseile stellte Hawks eine Rohfassung für sie zusammen. Die Gangster mochten den Film und berichteten das auch Capone. Daraufhin wurde Hawks nach Chicago zu einer Audienz beim Boß der Bosse eingeladen. "Capone und ich tranken zwei, drei Stunden Tee miteinander. Er hatte einen Morgenrock an." Zur Premiere des Films in Chicago schenkte Capone Hawks eine Miniaturmaschinenpistole und verlangte, daß George Raft zu ihm kommen sollte. Raft erzählte seinem Biographen Lewis Yablonsky von dem Gespräch:
Capone rieb sich die berühmte Narbe und sagte: "Sag den Typen in Hollywood, sie kennen Al Capone nicht. Sie haben mich am Ende des Films umgelegt. Niemand legt den König von Chicago um. Sag ihnen das." Als ich verschwinden wollte, sagte er: "Georgie, du spielst in dem Film meinen Leibwächter und machst dauernd mit dieser Münze rum."
"Nur theatralisches Zeug."
"War das ein Vierteldollar?"
"Nein. Ein Nickel."
"Das ist schlimm. Sag ihnen, wenn einer meiner Leute mit einer Münze spielen würde, dann mit einer goldenen Zwanzigdollar-Münze." Ich wußte nicht, ob er nur Spaß machte oder es ernst meinte. Jedenfalls mochte er den Film und die Aufmerksamkeit, die er durch ihn bekam.
III. Das Remake
1980 sah der amerikanische Produzent Martin Bregman im Nachtprogramm eines TV-Senders Howard Hawks´ Klassiker "Scarface". Sofort dachte er daran, eine zeitgenössische Version des Films zu realisieren. Und er sah eine Chance für Al Pacino, mit dem er zuvor schon bei "Dog Day Afternoon" ("Hundstage") und "Serpico" zusammengearbeitet hatte, "einen Charakter auf die Leinwand zu bringen, den Pacino nie zuvor gespielt hatte und wie er seit James Cagney in 'White Heat' nicht mehr zu sehen war".
Bregman wollte aber kein simples Remake: "Die Unterwelt hat sich, wie alles andere auch, seit den Tagen von Capone geändert. Inzwischen ist Kokain das große Geschäft geworden. Jemand, der skrupellos, clever und hungrig genug ist, kann unglaubliches Geld machen, indem er Drogen von Südamerika in die USA bringt." Das Drogengeschäft, das immer auch mit Unterstützung von so edlen Organisationen wie CIA oder DEA gemacht wird, ist für die Entwicklung der organisierten Kriminalität genauso wichtig, wie es einmal das Alkoholverbot war. Riesige illegale Vermögen werden und wurden verdient und in den legalen Weltfinanzkreislauf eingespeist. "Mit dem Geld aus dem Drogenhandel könnte man locker ganz Schwarzafrika und mehr aufkaufen", sagte einmal der zu ehrliche DEA-Fahnder Levine, der am eigenen Leib feststellen durfte, daß politische und wirtschaftliche Verantwortungsträger nicht das geringste Interesse daran haben, dieses schmutzige Geschäft zu zerstören. Oder wie es ein Wall-Street-Banker in der bahnbrechenden Noir-TV-Serie "Miami Vice" ausdrückte: "Unsere Freunde in Südamerika können uns ihre Schulden nicht mit Indianerschnitzereien zurückzahlen." Ein genialer Einfall von Stone und Bergman, die zeitgenössische Interpretation von "Scarface" in diesem Geschäft anzusiedeln!
Im Mai 1980 ließ Fidel Castro 125.000 Kubaner vom kubanischen Hafen Mariel aus in die USA deportieren. Castro nutzte diese Chance, Kubas Kriminelle in die USA zu exportieren. Versteckt unter den Neuankömmlingen befanden sich das schlimmste Gesindel und ein Haufen Psychopathen, fast der gesamte Abschaum der Insel. Fidel muß sich krankgelacht haben, als er die Knäste leerte und diese Horrorgestalten bei den Erzfeinden abkippen durfte.
Ausgehend von diesen Ideen, holte Bregman Oliver Stone als Drehbuchautor zu dem Projekt. Zwei Monate recherchierte Stone in der lateinamerikanischen Unterwelt von Südflorida. Er sprach mit Mulis, FBI-Agenten und Straßendealern, dann flog er zur Karibikinsel Bimini und weiter nach Kolumbien, Ecuador und Peru. "Damals fühlte ich mich ziemlich bedroht. Die meiste Zeit verbrachte ich zwischen Mitternacht und Tagesanbruch in dubiosen Gegenden. Es ist nicht gerade die sicherste Zeit, erst recht nicht, wenn man dauernd Leute trifft, die sich vielleicht hinterher überlegen könnten, daß sie dir zuviel erzählt haben", erinnerte sich Stone. Das fertige Drehbuch schickte Bregman an Brian De Palma, der gewöhnlich seine Filme selbst schreibt (vielleicht sein größter Fehler als Filmemacher), aber Stones Skript akzeptierte. Pacino begann auf die für ihn typische Art mit den Vorbereitungen: Er zog nach Miami und trieb sich unter Exilkubanern herum, um die Bräuche und Spracheigenheiten der "Marielitos" kennenzulernen. Während der Dreharbeiten sprach er ausschließlich in diesem Slang.
In De Palmas "Scarface"-Version spielt die Handlung während der 80er Jahre im "Miami Vice"-Territorium. Tony Montana (Pacino) flieht von Kuba nach Miami, um dort seinen eigenen amerikanischen Traum zu verwirklichen. Durch Drogenhandel im großen Stil wird er einer der mächtigsten Kingpins und muß feststellen, daß man genauso brutal die Macht verteidigen muß, wie man sie erobert hat. Nichts ist ihm dabei zu schmutzig. Am Ende ist er isoliert, und der Schlachten mit seiner Frau (Michelle Pfeiffer), die zur Fixerin geworden ist, müde.
Der arme Maurice Coons - alias Armitage Trail - hat bestimmt nicht im Traum daran gedacht, daß sein Roman so einflußreich werden würde. Dieser Roman und Burnetts "Little Caesar" waren die Grundlagen für die Mythologisierung des Gangsters zu einer Pop-Ikone des 20. Jahrhunderts.
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