Musik_The Soundtrack Of Our Lives - Origin (I)

Was lange währt, wird gut

Das Vorgängeralbum "Behind the Music" brachte den Skandinaviern eine Grammy-Nominierung ein. Jetzt wollen sie auch bei uns bekannter werden.    11.10.2004

Das Sextett mit einer Ausnahmeerscheinung als Frontman entwickelte in den vergangenen Jahren weder eine absonderliche Neigung für Abkürzungen, noch erschien ihm plötzlich der eigene Name zu kurz. Warum sie jetzt trotzdem The Soundtrack Of Our Lives (OEOC) heißen? Das liegt daran, daß ihr bisheriger Band-Name rechtlich unzureichend geschützt war. Umständlich, aber nicht wirklich unser Problem ...

Problematischer war da schon, daß es so lange gedauert hat, bis die Schweden ihr viertes Album veröffentlichten. Schuld daran war nicht etwa Label-Politik, sondern einzig und allein der Perfektionsdrang der Musiker. Diese Eigenschaft polierte das Dutzend der für "Origin Vol. I" ausgewählten Lieder auf Hochglanz, zeigt sich aber auch in der Gesamtmenge der als Vorarbeit für das Album aufgenommenen Stücke. Von den 45 bereits produzierten Songs finden sich nur zwölf auf der Platte - der Rest wird wahrscheinlich (zumindest teilweise) auf dem für 2005 angesetzten "Vol. 2" zu hören sein. Auch die zahlreichen Nebenbeschäftigungen der Band-Mitglieder wirkten sich verzögernd auf auf die Zusammenarbeit von TSOOL (OEOC) aus: Tastenmann Martin Hederos etwa gab gemeinsam mit Mattias Hellberg den bedrückten Interpreten von Klassikern und Eigenschöpfungen. Bassist Kalle Gustafsson Jerneholm ist in seiner Heimat ein gefragter Produzent und war unter anderem für Division Of Laura Lee oder die Whyte Seeds tätig. Gitarrist Ian Person und Sänger Ebbot Lundberg wiederum ließen eineinhalb Konzertsommer lang den Vorläufer zu TSOOL (OEOC) erstehen und waren im Norden wieder mit Union Carbide Productions, der Mutter aller skandinavischen Rockbands, auf Festivaltour.

Von all diesen Seitengeräuschen ließen sie sich jedoch nicht von der gemeinsamen Arbeit nicht ablenken - "Origin Vol. 1" wirkt, wie es ist: hochkonzentriert. Da weiß jemand genau, was er will, und versteht es, diese Vorstellungen präzise umzusetzen, ohne dabei angestrengt zu wirken. Jedes der Lieder ist eine in sich geschlossene Beschreibung des für TSOOL (OEOC) Typischen. Die konsequente Rhythmussektion gibt den Unterbau der Melodie, drängt sie als Ergänzung für die ausholenden Gitarrenriffs zur Harmonie und kommt doch nicht an der einschmeichelnden Exzentrik des Sängers vorbei. Zum Album aneinandergereiht, geben die Titel der Unaufmerksamkeit keine Chance. Man wird zum Zuhören gezwungen und läßt sich doch nur allzugern dazu überreden.

 

Den Beginn macht das abgeklärte "Believe I´ve Found" als Einleitung für ein furioses Duo. "Transcendental Suicide" greift dann die Heiligsprechung selbstmordender Vorbilder an. Das baßdominierte Intro zu "Big Time" hat das Zeug, um die ersten Takte von "Sister Surround" (dem Hit des Vorgängeralbums) in der Fan-Beliebtheit einzuholen. Später schwingt sich die Single zu epochaler Größe auf.

"Heading For A Breakdown" interpretierten TSOOL (OEOC) erstmals 1999. Damals war die Nummer noch als Ballade gedacht, im Lauf der Jahre wandelte sie sich dann zu einer Pop-Perle, die sich als zweite Single-Auskopplung anbietet. Die Inspiration zum dampfzügigen Live-Favoriten "Mother One Track Mind" ist Courtney Loves Lebenslauf. Für das darauffolgende Stück erkor Ebbot Lundberg keine Geringere als Jane Birkin zu seiner Duettpartnerin. Ja genau, DIE Jane Birkin von "Je t´aime ... moi non plus", was schon genug der Umschreibung für die Gangart von "Midnight Children" ist. Mit den versammelten Kindheitserinnerungen von "Lone Summer Dream" klingen die Schweden so Love-haft wie selten zuvor. Danach kracht "Royal Explosion II" in die Idylle und läßt sie zerplatzen. Das während einer US-Tour geschriebene Stück ist das politischste auf "Origin Vol. I". Noel Gallaghers Granteln darüber, wie fad das Rockstar-Dasein doch sei, formten TSOOL (OEOC) zu "Wheels of Boredom". Anschließend führt "Borderline" Menschen vor, die für flüchtigen Ruhm alles zu tun bereit sind und jeder Situation mit einem aufgesetzten Lächeln begegnen - Big Brother läßt grüßen.

Wie schon bei "Behind the Music" zeigt sich Martin Hederos auch diesmal als der Verantwortliche für zerbrechliche Balladen. Dort war es "Tonight", hier ist es das verstorbenen Freunden gewidmete "Song for the Others". Der Pianist rückt dabei das Piano als das gesangsbegleitende Hauptinstrument in den Vordergrund. "Age of No Reply" bauscht sich zum bombastischen, tonträgerabrundenden Schlußpunkt mit Spielfläche für den Lead-Gitarristen auf. Kein Zweifel - bei dieser Band sind Könner am Werk. Das einzige, was bislang fehlt, ist eine international anerkannte Auszeichnung für die Darstellungskunst ihres Sängers.

Bernadette Karner

The Soundtrack Of Our Lives (OEOC) - Origin (I)

ØØØØØ


Warner (Schweden 2004)

 

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