Kino_Terminal

Es war einmal … ein Airport

Mit der skurrilen Geschichte um einen Osteuropäer, der neun Monate lang auf dem New Yorker Flughafen festsitzt, erweist sich Spielberg unerwartet als Meister der leichten Komödie.    07.10.2004

"Ich wollte wieder etwas drehen, das uns ein Lächeln auf die Lippen zaubert", war Steven Spielbergs Prämisse für seinen neuesten Film. Ein lobenswerter Vorsatz, eingedenk seiner mißglückten Ausflüge in düstere Science-Fiction-Welten ("A.I.", "Minority Report"), die mit ihrem Pathos höchstens Anlaß zu gequälten Grimassen boten. Im Gegensatz dazu funktioniert "Terminal" als leichtfüßig-verspielte Außenseiterkomödie über weite Strecken tatsächlich sehr gut.

Dabei klingt die Story eigentlich gar nicht lustig: Der osteuropäische Tourist Viktor Navorski (Tom Hanks) stellt nach seiner Ankunft am internationalen Flughafen von New York fest, daß sein Paß nicht mehr gültig ist. Während er in der Luft war, hat in seinem Heimatland Krakozhia ein Umsturz stattgefunden; die neue Regierung wird von den USA nicht anerkannt. Unvermittelt staatenlos, darf Navorski weder nach Amerika einreisen noch zurück in sein Heimatland fliegen. Als Aufenthaltsort bleibt ihm lediglich die internationale Lounge des Flughafens. Die Flughafenleitung stattet ihn mit einer Telefonkarte und ein paar Essensgutscheinen aus und überläßt ihn ansonsten seinem Schicksal.

Was als Übergangslösung für ein paar Stunden gedacht war, zieht sich allerdings über Wochen und Monate, da in Krakozhia ein langwieriger Bürgerkrieg ausbricht. Navorski versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Er richtet sich im Terminal häuslich ein, lernt Englisch und freundet sich mit dem Flughafenpersonal an. Doch seine Anwesenheit geht dem pedantischen Sicherheitschef Frank Dixon (Stanley Tucci) zunehmend auf die Nerven, und so greift dieser zu immer verzweifelteren Mitteln, um den Störfaktor im geregelten Airport-Betrieb wieder loszuwerden. Navorski hat derweil ein neues Ziel: das Herz der Stewardess Amelia (Catherine Zeta-Jones) zu erobern.

Wie von Spielberg nicht anders zu erwarten war, hat der Film mit einem realitätsnahen Porträt eines auf unbestimmte Zeit Gestrandeten in etwa so viel zu tun wie "Garfield" mit einer Katzendoku. Der Vorzeigeregisseur erzählt vielmehr ein heiteres Märchen um einen gutherzigen, einfallsreichen Underdog, der sich zum Schluß gegen alle Widerstände durchsetzt. Dabei bietet er beste Hollywood-Unterhaltung: Die Geschichte ist straff inszeniert und strotzt vor Situationskomik und absurd-amüsanten Dialogen - vor allem, wenn die Widersacher Dixon und Navorski aufeinandertreffen. Auch schafft der Film es über weite Strecken, Kitsch- und Klischeefallen gekonnt zu umschiffen - dies allerdings nur, um in der letzten halben Stunde bis zum Abwinken in Rührseligkeit zu schwelgen und den Sieg von Menschlichkeit und Freundschaft über die kalte Bürokratie in aller Länge und Breite auszukosten. Immerhin kommt "Terminal" dabei ohne Kinder und Teddys aus ...

Anne Herskind

Terminal

ØØØ 1/2

(The Terminal)


USA 2004

128 Min.

dt. Fassung und engl. OF

Regie: Steven Spielberg

Darsteller: Tom Hanks, Catherine Zeta-Jones, Stanley Tucci u. a.

 

Links:

Kommentare_

Video
Lichter der Vorstadt

Vive la tristesse

Der Abschluß von Kaurismäkis "Trilogie der Verlierer" widmet sich auf konsequente Weise dem Thema Einsamkeit. Berühren kann der Film jedoch nicht.  

Kino
28 Weeks Later

Auf die Plätze, fertig, Rage!

In London wütet erneut die Apokalypse - und wie! Die Fortsetzung von Danny Boyles Endzeit-Thriller "28 Days Later" hat in Sachen Härte und Action deutlich zugelegt.  

Stories
Berlinale 2007/Journal III

Forum für Skurriles

Es gibt viele Strategien, sich sein individuelles Festival-Programm zusammenzustellen. Im Fall der Berlinale scheint zu gelten: Je weniger Filme des offiziellen Wettbewerbs man anschaut, desto größer sind die Chancen, eine ganze Reihe spannender Entdeckungen zu machen.  

Stories
Berlinale 2007/Journal II

Elefanten im Porzellanladen

Die Berlinale im Blutrausch: In Zack Snyders Comic-Verfilmung "300" türmen sich die Leichenberge, der Protagonist von Okamoto Kihachis "Sword of Doom" metzelt einem Besessenen gleich seine Gegner nieder, und in Mitchell Lichtensteins "Teeth" wütet eine bissige Vagina unter der männlichen Bevölkerung.  

Stories
Berlinale 2007/Journal I

Cyborgs und blinde Samurai

Anne Herskind besucht für den EVOLVER wieder das Berliner Filmfestival. Ihr erster Bericht: Filme aus Japan und Südkorea behandeln einfühlsam bis skurril die Themen Außenseitertum und Einsamkeit - aber auch die befreiende Wirkung der Liebe.  

Video
Factotum

Na dann Prost!

Matt Dillon als Alter ego von Charles Bukowski? Das klingt zwar etwas gewagt, funktioniert aber in diesem Trinkerfilm über weite Strecken erstaunlich gut.