Musik_Mando Diao - Hurricane Bar

Sturmwarnung

Die Frisur sitzt, die Stimmbänder sind geölt und das Ego ist auf Hochglanz getrimmt: beste Voraussetzungen für das zweite Album der schwedischen Maulhelden.    02.02.2005

Und schon wieder Borlänge. Eben noch haben sich Sugarplum Fairy mit der Single "Stay Young" in Radioprogramme und den Rezensionsteil deutscher Print-Medien geschummelt, da meldet sich der große Bruder der Fairys, Gustaf Norén, wieder zu Wort.

Dessen Band Mando Diao ist sich auch auf dem Nachfolger zu "Bring ´em In" ihrer Stärken bewußt und setzt nicht zuletzt deshalb frech bis gekonnt die Vorbilder zur Seite. Zur Veröffentlichung des Debüts posaunte es aus dem Bandlager noch unüberhörbar, daß dieses besser sei als Werke von The Who, Kinks, Beatles oder Stones. Punktum. Mittlerweile riskieren sie eine nicht mehr ganz so dicke Lippe; sie haben gelernt, zu relativieren, weil sie es nicht mehr nötig haben, die Ellenbogen auszufahren, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

"Hurricane Bar" sei - natürlich - aus Sicht der Band gelungener als bisher dagewesenes. Weil genau die Musik drauf sei, die sie selbst auch hören wollten. Weil es zur Gänze funktioniere. Weil jeder Song bis ins Detail passe. Im Gegensatz zum Erstling wurde die Grundarbeit nicht im bandeigenen Keller, sondern - da nun Studiozeit mach- und leistbar war - im englischen Bath verrichtet. Die vier Schweden haben auf der Insel tatsächlich alles richtig justiert. Zwischen Björns auf Soul gepeilte Stimme und Gustafs schreiresistenten Reibevocals schiebt sich ein ausgleichendes Moment, das "Hurricane Bar" homogener und populärer macht.

Will heißen: Den Gitarrenriffs in unterschiedlichen Härtegraden und einprägsamen Refrains zum Trotz bleibt man bei der Bewertung der einzelnen Songs eine Weile in der Grübelei hängen, inwieweit man hier nun in einem Stück Eigenständigkeit oder in einer Wiederholungsschleife gelandet ist. Von derlei Überlegungen ausgenommen ist "God knows" als Schnittmenge der Sänger. Titel wie "Ringing Bells" zeigen, daß sich das Quartett durchaus der leisen Töne zu bemächtigen versteht. Die hier statt durchgehender Rotzerei an den Tag gelegte Nachdenklichkeit erweist sich als ausgezeichnetes Mittel um den Hurricane nicht zur steifen Brise verflachen zu lassen.

Bernadette Karner

Mando Diao - Hurricane Bar

ØØØ 1/2


Capitol/EMI (Schweden 2004)

 

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