Kino_Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich

Kontrollierte Freizügigkeit

Der "Austin Powers"-Regisseur wollte anscheinend nur nichts falsch, sondern es allen Recht machen. Das Konzept, Ball und Witz flach zu halten, ist dabei voll aufgegangen.    17.02.2005

Nachdem der potenzielle Schwiegersohn (Ben Stiller) im ersten Teil von allen Seiten durch den Brautvater (Robert De Niro) durchleuchtet wurde, will dieser nun die Eltern des Kandidaten unter die Lupe nehmen. Das Schwiegersöhnchen hat seine Erzeuger, gegenüber dem vom Kontrollwahn besessenen Ex-CIA Mann und seiner verklemmten Frau als Ärztin und Anwalt dargestellt. Dabei hat er aber - wie könnte es anders sein - nicht so ganz die Wahrheit gesagt.

Mama Focker (Barbara Streisand) ordiniert nämlich als Sexualtherapeutin für Senioren. Der Herr Papa (Dustin Hoffman) hat schon jahrzehntelang keinen Gerichtssaal von innen gesehen und den Anzug längst gegen ein Hawaiihemd getauscht. Das Leben der beiden findet auf ihrer eigenen Focker-Insel in Florida statt, wo sie den Idealen der Sechziger frönen und die freie Liebe, soweit das ein solcher Film halt erlaubt, abfeiern.

Was weiter passiert, ist eigentlich so belanglos wie erwartet. Verwechslungen am Laufband, das Auftauchen der ersten Liebe samt dem beinahe unehelichen Sohn des Bräutigams, eine Verhaftung, ein notgeiler Hund, ein extrem nerviges Kleinkind, dessen erstes gesprochenes Wort sehr, sehr schmutzig ist und am Ende die Läuterung der Gespreizten samt erfolgreicher Inthronisierung in die Leichtigkeit des Seins halbverdorbener 68er. Alle werden "Focker-isiert".

 

Hier ist auch der Hund begraben (beziehungsweise runtergespült), denn die Familientauglichkeit des Humors wandert auf gar seltsamen Pfaden. Die schmutzigen Witzchen sind so angelegt, daß sie die ganz Kleinen nicht verstehen; und auch nicht nachfragen, da gleich der nächste Gag ansteht, der wiederum verstanden werden darf. Die "Großen", also Mama und Papa, haben aber wohl verstanden und dürfen sich wissend anlächeln, weil sie ja auch jede dritte Donnerstagnacht das Bett krachen lassen. Hier wird unfreiwillig, aber klar deutlich gemacht, wie irreversibel gestört das Verhältnis der Amerikaner zum Thema Sex ist. Kontrollierte Freizügigkeit, angedeutetes Nacktsein und bloß keine Nippel im Bild!

Das Ganze manifestiert sich in eindeutigen Zweideutigkeiten, halblustigen Wortspielen (Martha Focker - selten so gelacht) und schlagobersgebremsten Bettszenen.

Das wirklich positive und erfrischende an diesem Streifen ist, daß man den Darstellern die Riesengaudi am Set ansehen kann, was sich wohltuend auf den Film auswirkt. Hoffman mixt Tim Collins im Akkord, tackelt De Niro beim Footballspiel schwer und verrichtet sein morgendliches großes Geschäft, während sein alter Freund duscht. Muß früher mal wirklich so gewesen sein, als Bobby noch Taxi fuhr und Dustin Marathons lief. So entsteht ungewollt ein sehr familiärer Vibe, was natürlich nicht auf das gute Script, sondern allein auf die Protagonisten zurückzuführen ist. Stiller und seine Braut stören am Ende nur mehr das Inselleben mit ihren berufsjugendlichen Gesichtern und ihrer infantiler Städterhektik.

Drei Sterne für De Niro, Streisand und Hoffman. Ein Stern Abzug für die teilweise wirklich lausigen Schmähs. Wer "Meet The Parents" witzig fand, wird hier sicher nicht völlig enttäuscht aus dem Saal gehen, sollte sich aber keinesfalls zu viel erwarten.

 

PS: Sollte der Erfinder des deutschen Titels hier mitlesen, bitte melden Sie sich beim Rezensenten, er muß Ihnen unbedingt etwas sagen!

Walter Reiterer

Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich

ØØ

(Meet The Fockers)


USA 2004

115 Min.

dt. Fassung und OF

Regie: Jay Roach

Darsteller: Robert De Niro, Dustin Hoffman, Ben Stiller u. a.

 

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