Kino_Dreamgirls

Dressed for Success?

"Chicago"-Autor Bill Condon geht wieder mit einem Star-Musical auf Oscar-Beutezug. Man kann nur hoffen, daß sein in vieler Hinsicht mißglückter Versuch nicht belohnt wird.    31.01.2007

Es war der Sound einer neuen Ära. Motown - der Name eines Plattenlabels stand stellvertretend für etwas Aufregendes, etwas anderes. Schwarze Musik, geboren in den Clubs von Detroit, soulig und mit Rock´n´Roll-Einflüssen, versetzte eine ganze Generation in Ekstase. Mitverantwortlich für diesen Siegeszug waren die Supremes, mit der später auch als Solokünstlerin sehr erfolgreichen Diana Ross. Zwölf Nummer-eins-Hits in den USA sprechen eine deutliche Sprache. Aufbauend auf der Geschichte der Girlgroup entstand Anfang der 80er Jahre nach einer Vorlage von Tom Eyen ein populäres Broadway-Musical, das Oscar-Gewinner Bill Condon wiederum als Quelle für seinen neuen Film "Dreamgirls" diente.

Aus den Supremes wurden so die "Dreamettes" - drei talentierte junge Sängerinnen, die den Traum fast aller Künstler träumen: berühmt und erfolgreich zu werden, mit dem, was ihnen am meisten bedeutet. Doch bis es soweit ist, müssen sich Deena (Beyoncé Knowles), Lorrell (Anika Noni Rose) und Lead-Sängerin Effie (Jennifer Hudson) mit kleinen Auftritten herumschlagen. Das Showbiz ist kein Ort für zartbesaitete Naturen, das lernen die drei schnell. Als sie von James "Thunder" Early (Eddie Murphy), einem der Vorreiter des neuen Detroit-Sound, als Background-Sängerinnen engagiert werden, nimmt ihre Karriere erste Konturen an.

Ihr Entdecker und Manager Curtis Taylor Jr. (Jamie Foxx) ist sich sicher, daß die Mädels eines Tages groß rauskommen werden. Nur bedarf es dazu einiger nicht unerheblicher Veränderungen: Deena, Lorrel und Effie sollen fortan unter dem Namen "The Dreams" vermarktet werden, mit Deena als neuer Lead-Sängerin. Ihre Schönheit und Eleganz - so das Kalkül - werden der Gruppe zum Durchbruch verhelfen.

 

Regisseur und Drehbuchautor Bill Condon kennt sich mit Glamour, Musicals und der kinogerechten Adaption berühmter Lebensläufe aus. Seine Erfahrungen aus früheren Werken wie "Gods & Monsters", "Kinsey" und vor allem "Chicago" gingen allesamt in den vorliegenden Streifen über den langen Weg an die Spitze ein, wobei die Story stets eine Spur zu plakativ den in die amerikanische DNS eingepflanzten Glauben an das scheinbar Unmögliche zelebriert.

Auch ansonsten knirscht es an unerwartet vielen Ecken im Gebälk. Ganz im Gegensatz zum schwungvollen, wenngleich überschätzten "Chicago" fehlt es den Musical-Nummern in "Dreamgirls" zumeist an einer phantasievollen Einbindung in den Plot. Die Handlung wird durch die Gesangseinlagen kaum vorangetrieben; sie stagniert und wirkt wie eingefroren. Das Ergebnis besitzt dadurch weniger den Charakter eines Films als den eines überlangen Musikclips.

Um ein weiteres Mal den "Chicago"-Vergleich zu bemühen, sei auf die Qualität der Musikstücke hingewiesen. Abseits des neu produzierten "Listen" und dem von Newcomerin Jennifer Hudson mit Verve und Leidenschaft vorgetragenen Statement "And I Am Telling You I´m Not Going" als Replik auf Curtis Entscheidung, Effie aus der Besetzung zu nehmen, bleibt nur wenig hängen. Viele Songs klingen austauschbar oder sind einander schlichtweg zu ähnlich. Originelle Beiträge wie "Mr. Cellophane" oder "Cell Block Tango" aus "Chicago" sucht man hier vergebens.

Wäre die Geschichte nicht dünner als ein Blatt Papier und in ihrem Kitsch - wie beim gemeinsam intonierten "Family" - nicht so entsetzlich banal, könnte sich der Zuschauer zumindest an ihrem Fortgang erfreuen. Doch auf die Art gehen einem schnell die Argumente aus, warum es sich lohnen würde, für "Dreamgirls" ein Kinoticket zu lösen. Jennifer Hudson ist mit ihrer geballten Stimmkraft zwar ein Erlebnis und macht sogar schauspielerisch eine überaus gute Figur (was man von Knowles, die außerhalb der Musical-Einlagen in ihrer durchgestylten Erscheinung eher wie "Black Barbie" aussieht, nicht behaupten kann), aber auch sie kann den 128 Minuten langen Film nicht alleine tragen. Die restliche Besetzung erfüllt die ihr zugedachten Rollen pflichtgemäß. Foxx, Murphy und Altmeister "I´m too old for this shit" Danny Glover fungieren als Stichwortgeber für die drei Ladys.

Die Idee, den Plot mit politischem Gewicht beschweren zu wollen - immerhin böten die 60er Jahre mit ihren Rassenunruhen dafür reichlich Material -, verwirft "Dreamgirls" bereits nach einigen schüchternen Beobachtungen der Schwarz/Weiß-Problematik. Politisch ist Condons langweilige Perücken-Show eher aus einem anderen Grund. Wie der vor kurzem gestartete "Das Streben nach Glück", der seine gesamte Agenda im Titel trägt, beschwört er am Beispiel schwarzer Protagonisten den fiskalisch meßbaren Erfolg als entscheidenden Gradmesser des Lebens.

"Auch du kannst es schaffen!" schreit uns "Dreamgirls" unverhohlen entgegen. Welch ein Alptraum.

Marcus Wessel

Dreamgirls

ØØ 1/2


USA 2006

134 min.

dt./engl. OF

Regie: Bill Condon

Darsteller: Jamie Foxx, Beyoncé Knowles, Eddie Murphy u. a.

 

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