Video_Argo

Argo fuck yourself!

Die außenpolitische Krise um die Geiselnahme westlicher Botschaftsbediensteter im Iran des Jahres 1979 wird von Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck in einen packenden Politthriller übertragen. Dafür gab es jetzt den Oscar für den Besten Film.    27.02.2013

Die Erstürmung der US-Botschaft in Teheran im Spätherbst 1979 bildet den Ausgangspunkt von "Argo". Diese dramatische Abbildung des Volkszorns, der sich zuerst vor den Toren der amerikanischen Auslandsvertretung aufstaut und dann von einem entfesselten Mob ins Innere des Botschaftsgebäudes getragen wird, ist nur einer von zahlreichen Höhepunkten eines Films, der trotz vereinzelter humoristischer Einschübe in seiner Gesamtheit ernsthaft, stringent und fesselnd bleibt. Der Sturm auf die Botschaft ist ein grimmiger Zusammenschnitt historischer Archivaufnahmen und nachgestellter Szenen, vornehmlich aus dem Gebäudeinneren. Dort erwarten verängstigte Angestellte den Einbruch einer Welle aus Anarchie und Wut. Es ist die haßerfüllte Reaktion auf eine Supermacht, die das Regime des im gleichen Jahr gestürzten persischen Schahs über Jahrzehnte hinweg gestützt hatte. Was den Geiselnehmern zunächst entgeht: Sechs Mitarbeiter konnten sich der Gefangennahme entziehen und Unterschlupf in der Villa des kanadischen Botschafters Ken Taylor (Victor Garber) finden. Das US-Außenministerium zieht den CIA-Berater Tony Mendez (Ben Affleck) hinzu, um bei der Entwicklung einer Rettungsstrategie zu helfen. Sein Lösungsansatz mutet auf den ersten Blick reichlich absurd an: Als Hollywood-Filmcrew getarnt, sollen die Untergetauchten aus Teheran entkommen, bevor ihr Verschwinden überhaupt erst bemerkt wird.

Tatsächlich basiert Afflecks dritter Regiestreich (nach "Gone Baby Gone" und "The Town") auf wahren Begebenheiten. Denn das allgemein bekannte außenpolitische Schlamassel der glücklosen Carter-Administration wurde durch genau diesen Wahnsinnsakt - die Vorspiegelung vorbereitender Hollywood-Dreharbeiten in der Höhle des Löwen - gelöst, wenn Affleck & Co. für ihren Film auch Teile des Ablaufs konstruiert und einige Figuren frei erfunden haben.

 

"Argo" heißt der vermeintliche "Star Wars"-Klon, für den nach geeigneten exotischen Drehorten im Nahen Osten Ausschau gehalten wird. Mit Unterstützung des erfahrenen Produzenten Lester Siegel (Alan Arkin) und des listigen Make-up-Spezialisten John Chambers (John Goodman) soll die obskure Operation gelingen. Die spielfreudigen Veteranen Arkin und Goodman bereichern den ansonsten bemerkenswerte Hochspannung aufbauenden Streifen mit witzigen Momenten, ohne dabei die Humorschraube zu überdrehen und das insgesamt seriöse Antlitz des Films wegzulachen.

Überhaupt ist "Argo" ein Musterbeispiel, was den erzählerischen Gesamtaufbau und die effiziente Setzung nervenaufreibender Highlights anbelangt. Der Film veranschaulicht plausibel, weshalb man den Iran, insbesondere während des 444 Tage andauernden Geiseldramas, als den letzten Ort auf Erden ansah, den ein westlicher Staatsbürger betreten sollte. Beängstigend mutet der nahöstliche Hexenkessel an, glaubhaft erscheinen die Zweifel der Flüchtigen. Die kollidierenden Ansichten innerhalb der Gruppe sind nur allzu verständlich: Sollen sie den Unterschlupf im Hause des kanadischen Diplomaten tatsächlich aufgeben und ihr Heil in einer getarnten Flucht durch die vermutlich todbringenden Straßen Teherans suchen? Mendez´ irrwitziger Rettungsplan muß auf die Verzweifelten wie ein Himmelfahrtskommando oder zumindest ein geschmackloser Scherz gewirkt haben.

Falschem Pathos hat in "Argo" jedoch keinen Platz. Zu gut funktioniert der felsenfest unter historischem Gewand installierte Thriller-Kern, und zwar vom aufrüttelnden Prolog bis hin zum gelungenen Finish.

Dietmar Wohlfart

Argo

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

Warner Home Video (USA 2012)

DVD Region 2
120 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder engl. OF

Features: Interviews

Regie: Ben Affleck

Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman u. a.

Links:

Kommentare_

sfbuff - 14.05.2013 : 07.15
erwähnenswert wäre auch, dass der echte john chambers ua für die effekte von star trek und planet der affen zuständig war und das 'echte' argo-drehbuch auf dem roman lord of lighgt von roger zelazny basiert.

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