Video_Brick
Mördersuche auf dem Schulhof
Autor/Regisseur Rian Johnson verlegt ein klassisches Noir-Puzzle in das Umfeld einer amerikanischen High-School. Der Szenarienwechsel funktioniert tadellos.
30.04.2007
Teenager Brendan (Joseph Gordon-Levitt) ist ein konsequenter, wachsam-mißtrauischer Außenseiter, ein einzelgängerischer Starrkopf erster Ordnung. Als sich Emily (Emilie de Ravin), seine große High-School-Liebe, von ihm abwendet und in drogenverwickelte Kreise abdriftet, will Brendan sie nicht ohne weiteres gehen lassen. Zur Rede gestellt, verweist Emily auf ihr neues Herzblatt, den giftgeschädigten Dode (Noah Segan), und zieht einen endgültigen Schlußstrich. Brendan ist davon ziemlich alarmiert und sichert sich die Unterstützung seines Freundes "The Brain" (Matt O´Leary), mit dem er nach den Hintergründen für Emilys absonderlichen beziehungstechnischen Kurswechsel forscht. Er sucht nach Antworten, stößt auf ein Rätsel Namens "Brick" - und findet Emilys Leiche. Die Beziehungskrise wird zum Mordfall, in dem Brendan stur auf eigene Faust ermittelt.
Der halsstarrige Protagonist von "Brick" mag anfangs gewöhnungsbedürftig - da äußerlich zu harmlos - erscheinen. Doch dieses vermeintliche Defizit Gordon-Levitts relativiert sich rasch, da sein Charakter innerhalb der von Rian Johnson gewählten sozialen Topographie des Films absolut seinen Zweck erfüllt. In "Brick" dient nämlich nicht die Düsteroptik eines Großstadtmolochs, sondern ein sonnendurchflutetes, wenn auch latent bedrohlich wirkendes High-School-Areal als geographisches und gesellschaftliches Nervenzentrum.
Der innovative Kniff in Johnsons Filmdebüt beschränkt sich auf die Auslagerung der historisch vertrauten Noir-Umgebung in das modernisierte, verjüngte Milieu einer südkalifornischen Schule, inklusive kleinstädtischer Suburbia-Kulisse. Johnson verläßt sich auf die Kraft dieses eigenwilligen Standortwechsels - und kommt damit auch tatsächlich davon. Der anvisierte Noir-Touch wird mittels Adaption der geschliffenen Gangsterfilm-Semantik und Etablierung eines angemessenen audiovisuellen Stils erreicht. Das Geschehen in der kleinkriminellen Welt von "Brick" spielt sich hauptsächlich in Sichtweite des entvölkerten Schulkomplexes, auf entleerten Parkplätzen und unbefahrenen Nebenstraßen ab. Unspektakulär, aber nicht unelegant werden diese Schauplätze eingefangen und montiert, akustisch unterlegt von zurückgenommener Pianobegleitung in den Ruhephasen und nervösem Saxophonspiel während der aufreibenderen Passagen des Films.
Rian Johnsons Protagonisten sind dabei überdeutlich an die legendären Archetypen des alten Hollywood angelehnt. In "Brick" belauern sich moderne Äquivalente des cineastischen Ganoventums - die verjüngten Versionen der Laufburschen, Drahtzieher und undurchschaubaren Weibsbilder. Biographische Hintergrundinformationen werden somit überflüssig, Verhaltensmuster und Funktionen der minderjährigen Antagonisten sind offensichtlich. Hauptakteur Brendan gibt den typischen "Hard Boiled"-Schnüffler und agiert nicht sonderlich sympathisch, jedoch mit immenser Beharrlichkeit.
Die Übersetzung des alten filmischen Codes gelingt: Brendans Zusammenstöße mit seinem Rektor werden in "Brick" beispielsweise als Abwandlung des uralten Duells zwischen dem autonom am Rande der Legalität operierenden Outlaw-Cop und dem ewig mahnenden Polizeichef durchexerziert. Das beständige Spiel mit filmhistorischen Vorbildern wird durch selbstironische Momente veredelt: Wenn der unbeirrbare Brendan dem Drogenbaron "The Pin" (Lukas Haas) gegenübertritt, findet das Zusammentreffen in einem unpersönlichen Hinterzimmer statt. Die Unterhaltung (von deren Ausgang das Leben der Hauptfigur abhängen mag) wird später aber verlagert - und zwar an den Eßtisch in Mutters Küche, bei Keksen und Limonade.
Selbstbewußte Dialoge und eine souveräne Regie ergänzen die überzeugende Neuinterpretation eines gut 70 Jahre alten Plots und fügen dem hochbetagten Noir-Genre einen gewieften Urenkel hinzu. Auch ganz ohne Bauchschuß.
Dietmar Wohlfart
Kommentare_