Kino_Die Simpsons - Der Film

Homers Odyssee

Was haben die "Simpsons" nur im Kino verloren? Eine ganze Menge, wie die nun endlich vorliegende Filmfassung der legendären TV-Serie beweist. Homer, Marge, Lisa, Bart und Maggie werden auch die große Leinwand im Sturm erobern.    25.07.2007

Ganze 18 Staffeln oder mehr als 400 Folgen hat es gedauert, bis die wohl berühmteste gelbe Familie der Welt auch auf der Kinoleinwand ihr Unwesen treiben konnte. Lange Zeit sträubten sich die "Simpsons"-Schöpfer um James L. Brooks und Matt Groening gegen die Idee einer Geschichte in Spielfilmlänge; zu groß waren ihre Vorbehalte gegen ein solches Format. Sieht man von einigen Doppelfolgen wie die um den vermeintlichen Mord an Mister Burns ab, blieben die einzelnen Episoden auf jeweils knackige 22 Minuten beschränkt. Wer würde die Garantie übernehmen, daß der gelbe Wahnsinn auch über die vierfache Laufzeit trägt? Würde es womöglich zu Abnützungserscheinungen kommen? Eines war den Verantwortlichen um Regisseur David Silverman deshalb von Anfang an klar: Sollte es jemals zu einem "Simpsons"-Film kommen, dann müßte die Story dem größeren Format gewachsen sein. Nur dann wäre es zu verantworten, Homer und die seinen dem Abenteuer Kino auszusetzen.

Nachdem bereits Ende 2003 mit ersten Entwürfen und Drehbucheinfällen experimentiert wurde, dauerte es noch eine ganze Weile, ehe schließlich der Plot für den knapp 90minütigen Kinoauftritt unter dem schlichten Titel "Die Simpsons - Der Film" feststand. Immer wieder wurden Szenen herausgenommen, eingefügt, bearbeitet und ganze Passagen umgeschrieben, bis das von den Produzenten handverlesene elfköpfige Autoren-Team - neben den Veteranen Groening und Brooks hatten auch langjährige Schreiber wie Al Jean, David Mirkin und Mike Reiss ihre Finger im Spiel - mit dem Resultat zufrieden war.

 

In "Die Simpsons - Der Film" steht nicht weniger als die Existenz Springfields auf dem Spiel. US-Präsident Arnold Schwarzenegger (!) beschließt, die Stadt nach einem für die Umwelt überaus schädlichen Zwischenfall unter einer gigantischen Käseglocke vom Rest des Landes zu isolieren. Klar, daß niemand anderes als Homer J. Simpson für die Katastrophe verantwortlich zeichnet. Der fettleibige, Duff-Bier-süchtige Held aller Antihelden vergnügt sich nichtsahnend mit seinem neuen Hausschwein, während draußen vor seiner Haustür ein aufgebrachter Mob aufmarschiert, der ihn am liebsten lynchen möchte. Letzlendlich bleibt ihm und seinen Liebsten nur die Flucht. Diese entwickelt sich für Homer zu einer wahren Odyssee, an deren Ende er Springfield von dem retten muß, was er einst selbst erschaffen hat.

Das Wichtigste vorneweg: Der Charme der Serie geht auch auf der großen Leinwand nicht verloren. Alle dahingehenden Befürchtungen verfliegen bereits nach der starken, typisch chaotischen und zusammenhanglosen Einleitung, die selbstironisch die Frage nach der Notwendigkeit für einen "Simpsons"-Kinofilm stellt. Schon spürt man, daß diese einzigartige Mischung aus charmanten, anarchischen Humorfragmenten und popkulturellen Querverweisen auch vom Film zelebriert wird. Kein Wunder, immerhin feilte die Stamm-Crew jahrelang an jedem einzelnen Satz, an jeder Einstellung, an jedem Zeichenstrich. Nachdem sich peu à peu so etwas wie eine Handlung herauskristallisiert und der Homersche Clan das geliebte Springfield verlassen muß, nimmt die Dichte an Pointen zugunsten der Narration fast zwangsläufig ab. Das ist nicht weiter schlimm, wissen Groening und seine Kollegen doch, wie sie die den Zeitgeist (Klimadiskussion, Esoterik-Hype, Al Gore) elegant mit dem eigentlichen Plot verweben können.

 

Homer, Ex-Astronaut, Ex-US-Präsident und Ex-Baseball-Maskottchen, war stets Anker und erster Anknüpfungspunkt für sämtliche Sympathien, die man der Serie und ihren Figuren entgegenbrachte. Sein beispiellos verzweifelt vorgetragenes "Nein!!!" oder das in ihm personifizierte Gesetz nach Murphy - jeder hat sich wohl schon einmal wie er gefühlt, genauso wie jeder einen Menschen wie Ned Flanders, Wayland Smithers oder Moe Szyslak kennt. Es sind die Charaktere, die der Serie weltweit zu ihrem beispiellosen Erfolg verhalfen. Ohne die Fähigkeit der Autoren zur Abstraktion allgemeinverständlicher Verhaltensmuster auf quietschgelbe Stereotypen wären die "Simpsons" vermutlich ein auf die USA beschränktes TV-Phänomen geblieben. Stattdessen lacht man heute von Kanada bis Finnland, von Spanien bis Australien über und vor allem mit Homer und seiner schrecklich netten Familie.

Wurde im Trailer damit geworben, daß im Zeitalter der perfekten CGI-Animation wenigstens ein Film noch den Mut zur Häßlichkeit aufbringen würde, läßt sich nach Ansicht des Resultats konstatieren, daß auch die "Simpsons" den alten Kritzeleien aus 2D-Zeiten längst entwachsen sind. Besser als in diesen 87 Minuten sahen Springfields Bewohner jedenfalls in keiner der Fernsehfolgen aus. Und auch die Computeranimation feiert in Szenen wie der Kamerafahrt durch den wütenden Mob - bei dem sich die Macher den Spaß erlaubt haben, sämtliche Figuren des "Simpsons"-Universums unterzubringen - ihren Sieg über die Tricktechnik vergangener Tage. Puristen mögen hierüber enttäuscht sein, alle anderen können sich über das durchgeführte Facelifting freuen.

Selbstverständlich wird es Homer gelingen, den von ihm angerichteten Super-GAU in letzter Sekunde zu verhindern - irgendwie, auf seine Art, scheinbar planlos und unkoordiniert. Genau dafür lieben wir ihn und die "Simpsons". Nichts ist zu absurd, als daß es nicht hierher passen würde. Sogar die Möglichkeit eines Sequels wird uns auf die denkbar charmanteste Art verkauft. Darauf ein kühles Duff!

Marcus Wessel

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