Kino_Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

Die Rückkehr des Dinosauriers

Back for good? Nach fast zwei Jahrzehnten reaktivieren Steven Spielberg und George Lucas den bekanntesten Archäologen der Filmgeschichte für ein viertes Indy-Abenteuer. Ob das eine so kluge Entscheidung war?    23.05.2008

Die Wiederauferstehung großer Kino-Idole geht in die nächste Runde. Nachdem bereits Sylvester Stallone Rocky und Rambo aus dem Altenteil zurück auf die Leinwand holte, darf nun auch Professor Henry Jones erneut zu Schlapphut und Peitsche greifen, um als "Indy" ein viertes Mal zu einer abenteuerlichen Suche nach einem legendären Artefakt aufzubrechen. Da Mr. Jones für viele so etwas wie der Held ihrer Jugend war, fieberten Millionen treuer Fans dem Comeback des Jahres mit großer Freude und noch größeren Erwartungen entgegen. Und selbst wer seinerzeit mit dem Lucas-Spielberg-Franchise nicht allzuviel anfangen konnte, dürfte sich fast 20 Jahre später mit eigenen Augen davon überzeugen wollen, wie sich ein Harrison Ford im Rentenalter als peitschenschwingender Archäologie-Dino so schlägt.

Um den unübersehbaren Alterungsprozeß ihres Helden plausibel zu erklären, siedelten George Lucas und sein Drehbuchautor David Koepp die Handlung Mitte der 50er Jahre an - rund zwei Jahrzehnte nach dem Ende von "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug". Die Welt ist in zwei Blöcke aufgeteilt. Die USA und die Sowjetunion befinden sich im Kalten Krieg, als Indy und sein Kumpel Mac (Ray Winstone) auf einer Militärbasis in Nevada von sowjetischen Agenten festgehalten und verhört werden. In allerletzter Sekunde gelingt es Indy, zu entkommen und wohlbehalten an sein geliebtes Marshall College zurückzukehren. Doch auch dort will der Ärger nicht abreißen. Weil die Behörden ihn der Zusammenarbeit mit den Sowjets verdächtigen, legt man ihm unmißverständlich nahe, seinen Lehrauftrag bis auf weiteres ruhen zu lassen.

In dieser mißlichen Lage macht Indy die Bekanntschaft des jungen Rebellen Mutt Williams (macht einen auf Marlon Brando und James Dean: Shia LaBeouf). Dieser bittet ihn um Hilfe bei einer äußerst heiklen Mission. Indy soll sich im südamerikanischen Dschungel auf die Suche nach seinem verschollenen Kollegen Professor Oxley (John Hurt) begeben. Huxley berichtet in mehreren reichlich wirren Briefen, wie er einem lange gehüteten Geheimnis auf die Spur gekommen sei. Dabei handelt es sich um den sagenumwobenen Kristallschädel von Akator, dem in Mythen gar übermenschliche Kräfte zugeschrieben werden - Kräfte, für die sich auch die Sowjets brennend interessieren. Irina Spalko (Cate Blanchett), die zu allem entschlossene Anführerin einer geheimen sowjetischen Elitetruppe, ist unserem Indy stets dicht auf den Fersen.

 

Als erstes fallen einem die zahlreichen geschickt in den B-Movie-Plot integrierten Referenzen an die drei Vorgänger auf. Da wird von Spielberg mal eben die Bundeslade oder Jones senior dezent ins Bild gerückt oder das Paramount-Logo als filmische Reminiszenz in der ersten Überblendung in einen kleinen Erdhügel verwandelt. Das hat Charme und zeugt vom Spaß, den alle Beteiligten bei ihrer Arbeit hatten. Überhaupt braucht es anfangs nicht viel, damit der Film zumindest als Zeitreise seinen Zweck erfüllt. Bereits einige Noten von John Williams´ legendärer Filmmusik dürften das Herz jedes eingefleischten Fanboys höher schlagen lassen. Dazu noch einige Aufnahmen von Indys berühmter Silhouette, und schon wähnt man sich zurück in den Achtzigern.

Allerdings können selbst diese netten, selbstreferentiellen Spielereien nicht kaschieren, daß dem vierten Indiana Jones recht schnell die Puste ausgeht. Und das liegt weniger an Harrison Fords Kondition - der 65jährige Hollywood-Star scheint für sein Alter fit wie ein Turnschuh - als an der erschreckend einfallslosen und streckenweise sehr zähen Story. Nach der ersten halben Stunde, die zumindest mit originellen Sets wie einer für Atomwaffentests errichteten Geisterstadt aufwartet, baut der Film kontinuierlich ab. Sind Indy und sein junger Kompagnon erst einmal im Dschungel Südamerikas angekommen, verliert sich die Handlung in einer visuell recht monotonen Schnitzeljagd. Da reiht sich Gemäuer an Gemäuer und ein Urwald-Bild an das nächste. Das Ganze mündet in einem effektüberladenen und irgendwie deplaziert wirkenden Finale, in dem Spielberg seine Vorliebe für Paranormales bis zum Exzeß ausleben darf.

Obwohl der Film ein wahres CGI-Gewitter auf den Zuschauer losläßt, sind packende Action-Szenen dünn gesät. Die Dschungel-Flucht vor Mireille-Mathieu-Double Spalko und ihren Schergen ist sogar unter technischen Aspekten wenig überzeugend. Alles schreit hier nach Blue Box, was angesichts des üppigen Budgets doch überrascht. Selbst der Humor bleibt im Dickicht des südamerikanischen Urwalds irgendwann auf der Strecke. In der zweiten Hälfte gibt sich "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" zunehmend ernst und verbissen, was (wenn überhaupt) eher unfreiwillig komische Züge trägt.

Mit der Entscheidung, die Sowjets als neue Bösewichter ins Spiel zu bringen, haben sich Lucas und Spielberg ebenfalls nicht unbedingt einen Gefallen getan. Der Film ähnelt dadurch zuweilen stark einem James-Bond-Abenteuer - mit dem Unterschied, daß man bei Spielberg vergebens auf sexy Damen, heiße Action und technische Gadgets wartet. Wie gut, daß Indy nie ohne seinen Schlapphut aus dem Haus geht. So hält sich zumindest die Verwechslungsgefahr in Grenzen. Daß der Film am Beispiel der Kommunistenhatz immer wieder auch politische Nadelstiche setzt, rettet ihn nicht vor dem ernüchternden Fall in die Mittelmäßigkeit.

Die Welt von heute braucht andere Helden und andere Geschichten.

Marcus Wessel

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

ØØ 1/2

(Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull)

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2008

124 Min.

Regie: Steven Spielberg

Darsteller: Harrison Ford, Shia LaBeouf, Cate Blanchett u. a.

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Kommentare_

nik - 03.06.2008 : 09.39
Nein braucht sie nicht. Ich finde es befremdlich, dass leider fast alle Filmkritiker den vierten Indy so bewerten, als wäre er der erste Teil einer veralteten, noch zu erwartenden Abenteuerreihe. In Indiana Jones 4 erinnert bereits die Eingangssequenz an Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte", aber schon vorher, als das Murmeltier seinen Bau verlässt, ist klar, worauf es Steven Spielberg abgesehen hat. Das optische Styling im Stil von 60er Jahre-Fernsehserien, ein Atompilz, Cate Blanchett so schön wie noch nie, als wäre sie einer Folge von "Raumschiff Enterprise" entsprungen. Fantastisch nostalghisch und selbstironisch, wie alle drei anderen Teile der Saga davor auch. Wenn man schon eine Hommage an das Kino der 60er startet, dann so. Und das können die Herren Lucas und Spielberg eben. Ich denke, zuviel in ein solches Fun-Movie hinein zu interpretieren schadet nur der Möglichkeit sich zu entspannen, an alte Zeiten zu denken und echtes Popcornkino zu geniessen. Schade, dass der Film von so vielen "Experten" schlicht und einfach nicht verstanden wurde. Indy ist nach wie vor fantastisch.

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