Kino_Outsourced

Mild Mild East

Kampf der Kulturen? Davon ist in John Jeffcoats auf zahlreichen Festivals umjubelter Culture-Clash-Komödie nichts zu spüren. Sein Film plädiert vielmehr für einen möglichst unverkrampften Umgang mit kulturellen Eigenarten und Klischees. So trifft amerikanisches Renditedenken auf indische Improvisationskunst.    22.04.2008

Wenn zwei Kulturen aufeinanderprallen, ist das nicht selten ein Anlaß für allerlei amüsante Mißverständnisse, Peinlichkeiten und Fettnäpfchen. "Culture Clash" nennt sich sowas und wird auch im Kino immer wieder gerne aufgegriffen. John Jeffcoats charmante Independent-Komödie "Outsourced" haben wir - wie der Titel bereits vermuten läßt - der Globalisierung zu verdanken. Sein Film greift das vor allem bei Arbeitnehmern in Europa und den USA gefürchtete Phänomen der Arbeitsplatzverlagerung in Niedriglohnländer auf. Während China bereits heute als Werkbank der Welt gilt, ist der indische Subkontinent das neue Mekka der IT-Branche. Metropolen wie Bangalore und Bombay prosperieren, weil immer mehr Unternehmen ganze Abteilungen dorthin verlagern.

Auch Todd (Josh Hamilton) muß erfahren, was ein abstrakter Begriff wie Globalisierung sehr konkret bedeuten kann. Der Manager eines Call-Centers im amerikanischen Seattle wird von seinem Chef (Larry Pine) vor eine schwerwiegende Wahl gestellt: Entweder er reist nach Indien, um vor Ort die neuen Mitarbeiter auszubilden, oder er kann seinen Stuhl gleich ganz räumen. Und ehe er sich´s versieht, steckt er schon mittendrin im hektischen Trubel, wo er von Puro (Asif Basra) - dem Mann, den er ausbilden soll - in Empfang genommen wird.

Anfangs will die Eingewöhnung natürlich nicht so recht gelingen. Vor allem die für uns Westler sehr befremdliche Mentalität der Inder, die jedes Problem mit einer schier unendlichen Gelassenheit angehen, bereitet Todd im wahrsten Sinne des Wortes Bauchschmerzen. Zum Glück kann er sich in all dem Chaos auf Asha (Ayesha Dharker), eine besonders patente und (Überraschung!) attraktive Mitarbeiterin des Call-Centers, verlassen. Daß er sich seiner neuen Aufgabe später sogar mit Freude und Hingabe widmet, ist nicht zuletzt ihr Verdienst. Als er Ashas Ratschlag befolgt, sich innerlich nicht länger gegen das zu wehren, was Indien ausmacht, lernt er das Land und seine Menschen zu lieben.

 

Es braucht nicht viel, um zu erkennen, warum "Outsourced", der bereits auf zahlreichen Filmfestivals Preise abräumte, so gut funktioniert. Zwar kommt auch John Jeffcoats Spielfilmdebüt nicht ohne die bekannten Klischees über Indien aus - wenn sie aber wie die Kuh im Call-Center mit einem erkennbaren Augenzwinkern aus dem Blickwinkel des westlichen Besuchers präsentiert werden, kann man ihm dafür kaum böse sein. Zumal Jeffcoat sich keineswegs nur über Vorurteile von Gag zu Gag hangelt: Der Humor in "Outsourced" funktioniert subtiler und verzichtet weitgehend auf den Lacher per Ansage. Dafür wimmelt das Drehbuch von liebenswerten Beobachtungen des einfachen Indiens, das Todd wie den Zuschauer auf eine Entdeckungsreise abseits der Metropolen und bekannten Postkartenmotive mitnimmt.

Die Armut und die Gegensätze dieses riesigen Landes blenden Jeffcoat und sein Koautor Georg Wing ebensowenig aus. Als integraler Bestandteil der Story, die um den turbulenten Aufbau des Call-Centers und Todds schüchterne Romanze zu Asha kreist, thematisiert ihr Film auch immer wieder die Schattenseiten des rasanten Wirtschaftswachstums, das viele Menschen überhaupt nicht erreicht. Als Todd von einem Bewohner der nahegelegenen Armensiedlung zum Essen eingeladen wird, zeigt sich, mit welcher Würde die Menschen unter diesen für Todd bis vor kurzem noch unvorstellbaren Umständen leben (müssen). Dieser Moment ist ein nur einer von vielen Augenöffnern, die der Film bereithält.

Jeffcoat und Wing vermeiden es, den Globalisierungsprozeß, der zweifelsohne auch viel Gutes bewirkt, pauschal und oberlehrerhaft an den Pranger zu stellen. Ihre Kritik fällt weit intelligenter aus. Am Ende schauen die indischen Call-Center-Mitarbeiter in die Röhre, da der gesamte Betrieb einfach weiterzieht – gen China. Wie es Todds Boß so treffend formuliert: "China ist das neue Indien."

Allerdings ist "Outsourced" weniger Wirtschaftssatire als vielmehr eine sehr unverkrampfte, mit reichlich Bollywood-Musik unterlegte Culture-Clash-Komödie, die von ihren teils recht schrulligen Charakteren - Puro weckt Erinnerungen an Peter Sellers "Der Partyschreck" - und dem liebevollen Spiel mit Stereotypen lebt. Der hierzulande den meisten wohl unbekannte Josh Hamilton und die indische Aktrice Ayesha Dharker dürfen in einer kulturübergreifenden, mit viel Sensibilität erzählten Liebesromanze ihr schauspielerisches Können in die Waagschale werfen. Und wenn es letztlich für Todd und Asha nicht reicht, weil er wieder zurück nach Seattle fliegt und sie bereits einem anderen versprochen wurde, fühlt sich "Outsourced" ehrlicher und wahrhaftiger an als das Gros der nach Schema F abgedrehten RomComs - wobei uns der Film dann doch noch einen letzten Hoffnungsschimmer schenkt.

Marcus Wessel

Outsourced

ØØØØ

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USA 2006

103 Min.

Regie: John Jeffcoat

Darsteller: Josh Hamilton, Ayesha Dharker, Asif Basra u. a.

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