Kino_Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt

Der Fluch der Drei

Mehr Kampf, mehr Krampf: Einen durchwegs spannenden Dreiteiler zu drehen, ist ein mühsames Unterfangen. Leider ist der Abschluß der Karibikpiraten-Trilogie so lustlos produziert, daß er auch die Vorgänger endgültig im Meer der Bedeutungslosigkeit versenkt.    24.05.2007

Ob "Matrix", "Spider-Man" oder "Blade" - immer wieder hofft der Freund des gepflegten Unterhaltungsfilms nach einem furiosen ersten Teil auf ebenso geniale Fortsetzungen. Hoffnungen dieser Art lösen sich aber bekanntlich meist schneller in Luft auf, als einem lieb ist. Im Fall von "Pirates of the Caribbean" ist das nicht anders. Teil eins der Piratensaga war noch das erfreuliche Beispiel eines Blockbusters, für den man sich nicht genieren mußte: Da wurde herzerfrischend geliebt, geschossen, gefochten und mit Johnny Depp in der Rolle des Jack Sparrow zudem noch ein sympathischer Hauptcharakter eingeführt.

Insofern ist es nicht verwunderlich, daß sich der Event-Kinogeher weitere aufregende oder wenigstens in sich abgeschlossene Abenteuer erwartet hatte. Doch das Image der Karibik-Fluch-Reihe wurde schon mit Episode zwei grundlegend angekratzt. Darin wurde nämlich bewiesen, daß es möglich ist, geschlagene 145 Minuten lang absolut nichts zu erzählen und am Schluß noch mit aller Gewalt einen Cliffhanger draufzupappen, ohne den man die dritte Piraterie gar nicht erst versteht.

 

In der Operette "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt" suchen anfangs Will Turner (Orlando Bloom), seine Freundin Elizabeth, dargestellt von Keira Knightley, und der wiederaufgetauchte Kapitän Barbossa (Geoffrey Rush) den allseits bekannten Captain Jack Sparrow. Mit der Hilfe des durchgedrehten Seeräubers soll es gelingen, das Tintenfischgesicht Davy Jones (wieder einmal kaum erkennbar: Bill Nighy) zu bekämpfen, das wiederum von der feindlichen Handelskompanie kontrolliert wird, weil die sein in einer Truhe befindliches Herz besitzt.

Daß Sparrow am Ende des zweiten Teils von einem Kraken verschluckt wurde und nun in der Zwischenwelt weilt, erleichtert das Vorhaben der unfreiwilligen Dreierkoalition nicht merklich - und außerdem gelangt man nicht zu Fuß an den Rand der Erde. Es muß also ein Schiff her. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Ganz einfach: Sao Feng (Chow Yun-Fat), einen vernarbten Asia–Piraten fragen, der wird schon mitspielen. Tut er auch, aber erst nach einer zwanzigminütigen Fechtorgie, die nicht die letzte ihrer Art und Länge in diesem Abenteuer bleiben wird.

Als Jack dann endlich gefunden ist, hängt sich die weitere Handlung des Films zwar nicht wie vermutet an Johnny Depp auf, doch wird die Figur des ständig betrunkenen Kopftuchträgers durch Vervielfältigungsszenen überstrapaziert und der Charakter während der restlichen zwei Stunden etliche Male gefeiert, daß sich die Balken biegen. Was bei Johnny Depp nicht unbedingt problematisch ist - im Gegensatz zur Rolle des Vaters Sparrow, der von Drogenfriedhof Keith Richards gespielt wird, Gott sei dank aber nur kurz auf den Plan tritt. Der gute Keith macht nämlich mit seiner ausdruckslosen Visage den Eindruck, als würde er überhaupt nicht bemerken, was rings um ihn geschieht, und nur darauf warten, daß man ihm endlich was zu saufen bringt.

 

Angesichts der Tatsache, daß die anderen Figuren zu allem Überfluß jede für sich eigene Süppchen am Brodeln haben und es obendrein auch noch gilt, die Göttin Calypso zu befreien, sollte man meinen, die drei Stunden Laufzeit würden gar nicht ausreichen, um all diese Handlungsstränge zu vereinen und zu einem befriedigenden Ende zu führen. Doch es kommt leider anders, als man denkt ...

Die viel zu vielen und teils schlicht unwichtigen Nebengeschichten werden nur oberflächlich angerissen und verwelken hilflos neben den viel zu langen und zu vielen Kampfchoreographien. Hätten großzügige Könner das Drehbuch geschrieben, wäre Teil zwei entbehrlich gewesen und die letzte Episode hätte mit ein bißchen weniger Schmus und Singsang nur zwei Stunden gedauert, wäre dafür aber ein richtiger Kracher geworden. Aber beim Entertainment–Kino (das hier definitiv neue "Höhen" erreicht) geht es halt nicht mehr darum, Geschichten zu produzieren, die unterhaltsam und - um Himmels willen! - vielleicht auch noch gut erzählt sind, sondern darum, die Zuseher mittels Special-Effects, Set-Design und 3D–Sound zu betäuben sowie sie ihres Atems und schwerverdienten Geldes zu berauben - wie das ja auch die Piraten tun. Und das immer und immer wieder.

Das mit dem Luftanhalten gelingt hier zugegebenermaßen auch ab und zu - wenn sich etwa Tausende Steine in Krabben verwandeln, um die "Black Pearl" über Sanddünen ins offene Meer zu tragen, oder wenn wegen eines Unwetters ein riesiger Strudel im Ozean entsteht, in dem sich dann die beiden Schiffe der verfeindeten Piraten mittels Kanonenfeuer bekämpfen. Doch das ist die Ausnahme von der Regel, die da zu lauten scheint: viel Lärm um nichts.

An die Finanzen der Zuseher wird Jerry Bruckheimer sicher auch noch gelangen - mit dem ältesten Trick des Schaustellergewerbes. Wer sich "Pirates 3" ansieht, der fühlt sich wie auf einer Hochschaubahnfahrt nach zuviel Zuckerwatte: Er ist überwältigt, kann sich auf nichts mehr konzentrieren und leidet danach unter Schwindel und einem flauen Gefühl im Magen. Obwohl wir alle wissen, daß dieser Zustand eigentlich nicht erstrebenswert ist, lassen wir uns immer wieder auf solche Situationen ein und hoffen wider besseres Wissen, es möge bitte noch nicht das letzte Mal gewesen sein.

Nach dem nur vermeintlichen Story-Ende ist das auch bei den "Piraten der Karibik" nicht zu erwarten. Hier ist anscheinend noch lange kein Land in Sicht. Also sollte man sich gar nicht erst aufs Wasser wagen.

Nikolaus Triantafyllidis

Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt

ØØ

(Pirates Of The Caribbean: At World´s End)


USA 2007

168 min.

Regie: Gore Verbinski

Darsteller: Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley u.a.

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Kommentare_

doktorseltsam - 25.05.2007 : 11.16
also, ich weiß nicht: der film ist für ein maistreamerzeugnis doch wirklich extrem gut, detailreich und plotmäßig verschchtelt gelungen... ich habe mich keine sekunde gelangweilt. ich versteh die kritik nicht. sorry.
cp - 25.05.2007 : 12.43
plotmäßig verschachtelt und detailreich? man könnte auch sagen: bis ins unverständliche wirr erzählt, mit ca. 17 unnützen nebengeschichten aufgeblasen und johnny depp (das eigentlich einzige highlight) zum statisten im eigenen film degradiert. kurzum: katastrophe.
Johnny Digitalis - 26.05.2007 : 14.30
Werter Herr,

abgesehen davon, dass die Diskussion in Sachen "Kommerz vs. 'Kunst'" seit jeher grober Unfug war und nur von minderbemittelten Besserwissern geführt wird - Kunst kann jeder machen, ein Produkt, das darüberhinaus eine große Masse anspricht, nicht: Zwischen "Mainstreamerzeignissen" wie bspw. "Terminator 2" oder "Jurassic Park" und dem karibischen Scheissdreck liegen einfach Welten, weil man seinerzeit eben noch möglichst viele Menschen auf intelligente erzählerische Weise ansprechen wollte, heute hingegen mittels Test-Screenings und Zielgruppenforschung versucht die Produkte auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen, damit auch die letzte niedere Saubrezel dem Geschehen folgen kann. Das ist nicht Sinn der Sache, soll aber keinesfalls jemanden davon abhalten sich trotzdem zu amüsieren.

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