Musik_Current 93 - Halo

God is Love

Vom Pionier aus der Frühzeit der Industrial-Musik bis zum bedeutenden Vertreter der aktuellen Neofolk-Szene: David Tibet läßt wirklich nichts aus - auch bei Live-Auftritten.    13.05.2004

Am 9. Oktober 2003 traten die Urväter des Apocalyptic Folk, Current 93, gemeinsam mit Carter-Tutti (ehemals Chris & Cosey) in der Londoner Queen Elizabeth Hall auf. Neben Mastermind David Tibet setzte sich die Band aus den beiden Gitarristen Michael Cashmore (von Nature & Organisation) und Joe Budenholzer (Backworld) zusammen, am Klavier saßen Maja Elliott und Graham Jeffery. Urgestein und Industrial-Pionier Karl Blake steuerte Gesang bei, als Streicher traten Joolie Wood und John Contreras auf. Eine ungewöhnlich große Band-Besetzung also - und so ungewöhnlich war auch das Set, das Current 93 an diesem Abend spielten.

Auf der vorliegenden CD "Halo" ist das gesamte Konzert jenes Abends zu hören. Im Gegensatz zu früheren Live-Alben der Band ist die Sound-Qualität diesmal auch recht akzeptabel ausgefallen. Die Songs, die man zu hören bekommt, stammen aus allen möglichen Schaffensperioden von Current 93. "Fields of Rape" und "The Death of The Corn" reichen bis in die Mitte der achtziger Jahre zurück. "Mary Waits in Silence" oder "Silence Song" stammen von ihren Klassikern Anfang der Neunziger, und mit "Hypnagogue" liegt auch ein Titel aus dem kommenden Album vor, den man in Studioversion noch gar nicht hören konnte. Überzeugend ist auch die exzellente Version von Currents stark vom amerikanischen Avantgarde-Komponisten Charlemagne Palestine beeinflußten Titel "Sleep Has His House" - der Drone-lastige und überlange Orgel-Track wird live zu einem brillanten, kurzen Song inklusive akustischer Instrumentierung.

Am überraschendsten allerdings ist die Tatsache, daß zum ersten Mal seit fast 20 Jahren auch die düster-industriellen Wurzeln der Band wieder zum Vorschein kommen, denn so mancher Folksong wird auf dieser CD mit den frühen Klangexperimenten à la "Maldoror is Dead" unterlegt. Somit schließt sich endlich der Kreis, und David Tibet beweist, daß hinter dem Konzept seiner Band doch ein einzelner kreativer Kopf steht, dessen Vision immer wieder die gleiche ist, auch wenn manche Platten sich nicht stärker voneinander unterscheiden könnten.

Die spirituellen Hintergründe und aktuellen Glaubensrichtungen Tibets dürfen auf keinem seiner Alben fehlen, und so steht das neue Werk einmal mehr unter dem Motto "God is Love". In diesem Sinne: Amen.

Walter Robotka

Current 93 - Halo

ØØØØØ


Durtro/World Serpent (UK 2004)

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