Print_Michael Connelly - Black Box

Etwas mehr als Mittelmaß

LAPD-Cop Harry Bosch ermittelt wieder. Marcel Feige hat einen Blick in die schwarze Kiste des Krimiveteranen gewagt. Ob die Katze darin noch lebt oder nicht, lesen Sie am besten selbst.    10.03.2014

20 Jahre Harry Bosch - da sollte man doch einiges erwarten dürfen, zumal die Fälle des LAPD-Cops seit kurzem vom Online-Riesen Amazon als TV-Serie produziert werden. Allerdings ließen Connellys vorangegangene Romane, seit 2011 im deutschsprachigen Raum bei Knaur verlegt, nicht wirklich Gutes fürs große Bosch-Jubiläum erwarten: "Neun Drachen" und "Spur der toten Mädchen" waren laue Fälle mit flachen Figuren und gepflegter Langeweile; "Der Widersacher", erst vor zwei Monaten als Taschenbuch veröffentlicht, markierte einen weiteren Tiefpunkt der Bosch-Karriere.

Was bringt also die "Black Box"? Wie gehabt einen alten Fall, seit Harry Bosch bei der Cold-Case-Unit des LAPD arbeitet. Diesmal geht es um eine dänische Reporterin, die 1992 während der Rassenunruhen in Los Angeles erschossen aufgefunden wurde. Der Mord wurde nicht aufgeklärt und landet jetzt, 20 Jahre später, wieder auf dem Schreibtisch von Harry Bosch - quasi zum Jubiläum. So schließt sich der Kreis.

Sprachlich hat sich bei Michael Connelly auch nach zwei Jahrzehnten nichts verändert. Ein Literat wird aus dem US-Autor ganz sicher nicht mehr. Auch bei der Charakterzeichnung seiner Figuren läßt er nach wie vor zu wünschen übrig. Alle paar Kapitel ein bißchen Privatleben Boschs, ein Abendessen mit der neuen Freundin, ein gemütlicher Jazz-Plausch mit der Tochter; das wirkt eben nicht lebendig, sondern nur gewollt - oder wenn man es böse meinen möchte: konstruiert.

Was Connelly allerdings perfekt beherrscht - und da schimmert sein einstiges Können als Polizeireporter durch: die Schilderung der Ermittlungsarbeit der Cops. Plötzlich fiebert man tatsächlich mit Harry Bosch, während er sich mühselig durch Spuren, Hinweise und Akten wälzt und sich den politischen Ränkespielen seiner Bosse entgegenstemmt. Denen geht es nämlich nicht um Recht und Ordnung, sondern einzig um die geschönte Statistik am Jahresende - und um ihre Karriere. In dieser Hinsicht machen nur wenige Autoren Connelly etwas vor, und das reißt dann auch "Black Box" aus dem Mittelmaß heraus.

Marcel Feige

Michael Connelly - Black Box

ØØØ

(The Black Box)

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Droemer (D 2014)

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