Print_Lee Child - Outlaw

Den Spiegel vorgehalten

Getrieben von Hoffnung und Verzweiflung muß Reacher, der coolste Held aller Zeiten, in seinem neuen Abenteuer erkennen: Häufig ist das Übel hausgemacht.    04.12.2011

In seinem zwölften Abenteuer, das ins Deutsche übersetzt worden ist (im amerikanischen Original erschien jüngst mit "The Affair" der bereits 16. Roman), durchstreift Reacher die USA von Ost nach West. Von New York nach San Diego. Quasi in der Mitte Amerikas, in Colorado, findet er Hoffnung und Verzweiflung – zwei Städte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

 

Auf der einen Seite das kleine Wüstenkaff Hope. Hoffnung eben. Die Leute sind nett, ihre Häuser schön, die Straßen gepflegt. Hier lebt das gutsituierte, optimistische, das normale Amerika, dessen Leben sich ohne Zweifel angenehm gestaltet. Doch für Reacher noch lange kein Grund, seßhaft zu werden. Er marschiert also weiter und erreicht schon nach wenigen Meilen das ebenso winzige Wüstennest Dispair.

Verzweiflung. Hier sind die Straßen heruntergekommen, die Häuser marode, die Leute abweisend. Hier hat es sich die Unterschicht bequemgemacht – oder das, was sie für bequem hält. Als Reacher sich in dem einzigen Restaurant einen Kaffee genehmigen möchte, gibt man ihm zu verstehen, schnellstmöglich zu verschwinden.

Doch erstens läßt sich Reacher nichts sagen. Es kommt zum Handgemenge, bei dem er einen Deputy krankenhausreif prügelt. Folgerichtig findet er sich vor dem Richter wieder. Dieser verweist ihn des Ortes und läßt ihn von den Cops zurück an die Stadtgrenze bringen – zurück nach Hope.

Zweitens haßt Reacher es, umzukehren. Und drittens: Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte man ihn ins Gefängnis gesperrt. Stattdessen wollte man ihn so schnell wie möglich aus dem Ort entfernt wissen. Was ist los in Dispair?

Schon bald muß Reacher erkennen: Manchmal ist das Übel, das das Wohlergehen eines Landes bedroht, hausgemacht.

 

"Outlaw" mag sich auf den ersten Blick wie ein lässiger, mit flotter Hand erzählter Thriller lesen lassen, mit den üblichen markigen Reacher-Sprüchen, viel harter Action und etwas Erotik garniert. Zwischen den Zeilen ist es aber auch ein politischer Roman, der Einblick gewährt in den Zustand eines tief gespaltenen Landes.

Hope und Dispair, die beiden Kleinstädte im Herzen Amerikas, stehen symbolisch für den Zustand der USA: gefangen irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung.

Mittendrin steckt Reacher, der wohl coolste Held aller Zeiten, der das Feuer löscht, doch nach getaner Arbeit, wie immer ganz Lonesome-Cowboy-like, in die Hitze der Nacht verschwindet. Um den Neuaufbau müssen sich andere kümmern.

Marcel Feige

Lee Child: Outlaw

ØØØØ

Nothing To Lose

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Blanvalet (D 2011)

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