Print_Carol O'Connell - Der Mann, der die Frauen belog

Konstruierte Kriminalistin

Eines muß man dem btb-Verlag lassen, der seit kurzem die Mallory-Reihe neu auflegt: Die Cover sehen toll aus, allein ihretwegen lohnt sich der Bücherkauf. Was man vom Inhalt leider nur bedingt behaupten kann.    12.05.2011

Eigentlich ist Kathleen Mallory Computerspezialistin bei der New Yorker Polizei. Aber da sie außerdem ein ziemlicher Sturkopf ist, der von Regeln und Vorschriften gar nichts hält, mischt sie sich gerne in die Ermittlungen ihrer Kollegen ein, wenn sie glaubt, die Fälle gingen sie etwas an. Wie zum Beispiel jener der jungen Rechercheurin Amanda Bosch, die im Central Park erschlagen aufgefunden wird - und verblüffende Ähnlichkeiten mit Mallory aufweist.

Die nistet sich deshalb in einem Appartment der Coventry Arms ein, einem vornehmen New Yorker Wohnkomplex, in dem auch die Tote zuletzt gelebt und an ihrem neuen Buch gearbeitet hat. Offenbar ein autobiographisches Werk, denn wie anders ist das abrupte, emotionale Ende des Manuskripts zu verstehen: "Du Lügner Du Lügner Du Lügner"?

Ist damit der Mörder gemeint? Mallory ist überzeugt davon, und indem sie jetzt als Amanda Bosch durch die Luxusherberge "geistert", hofft sie, den Killer aufzuscheuchen. Was ihr zu guter Letzt natürlich gelingt. Doch raffiniert wie Mallory ist, deckt sie ganz nebenbei noch zwei weitere Verbrechen auf und verhindert einen neuen Mord, den ausgerechnet ein kleiner, naseweiser Junge plant ...

 

Wem das jetzt alles zu übertrieben konstruiert erscheint, dem sei gesagt: Er hat recht! Aber das alleine ist noch nicht einmal das Problem der Mallory-Reihe von Carol O'Connell, die der btb-Verlag seit dem Frühjahr letzten Jahres (obendrein in willkürlicher Reihenfolge!) neu auflegt: Viel schlimmer wirkt sich die Distanz aus, die O'Connell zu ihrer Heldin wahrt.

Sicher, Mallory ist ein ehemaliges, mißbrauchtes Findelkind, von einem strengen Cop aufgezogen, ein gebrochener, ein getriebener, ein verschlossener Charakter. Aber eben diese Wesenszüge erfährt man wie schon in "Such mich" nur durch die Augen ihrer Kollegen (die nahezu alle in sie vernarrt sind), ihrer Freunde (die wenigen, die sie noch nicht vergrault hat) und Gegner (die gar nichts über sie wissen).

Das ist schade, denn ein starker Charakter ist Mallory definitiv. Aber da man an keiner Stelle erfährt, wie sie wirklich denkt und fühlt, bleibt sie dem Leser fremd - und das macht auch "Der Mann, der die Frauen belog" zu einem blassen Thriller. Schade.

Marcel Feige

Carol O'Connell: Der Mann, der die Frauen belog

ØØ

The Man Who Lied to Women

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btb (D 2011)

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