Stories_Ein dreckiges Dutzend, Pt. III

Tough Guys

Mit den Herrschaften ist nicht zu spaßen: Ein einsilbiger Racheengel, der zur Regie-Legende wurde; ein Meister der Zerstörung, der sich selbst zum König ausrief; ein politikaffiner Engländer, der sein Publikum direkt in die Epizentren tobender Schlachten wirft. Der dritte Teil unserer Serie widmet sich einigen der härtesten Filmemachern unter der Sonne Kaliforniens.    19.04.2010

Dieses Dreckige Dutzend hätte selbst Lee Marvin imponiert: Zwölf Regisseure, zwölf Stile und zwölf Gründe, warum die Traumfabrik relevant bleibt. Dietmar Wohlfart blickt auf einige der profiliertesten Regisseure Hollywoods, deren aktuelle Formkurven und Zukunftsperspektiven.

(Hier geht es zu: Teil 1 und Teil 2.)

 

 

Der Fremde hat einen Namen: CLINT EASTWOOD

 

In den 60er Jahren wurde er mit Sergio Leones legendären Spaghettiwestern berühmt, in den 70ern als "Dirty Harry" zum Star, und in den 80ern bewies er, daß er auch hinter der Kamera zu den Besten zählt.

Am 31. Mai dieses Jahres feierte Westernlegende Clint Eastwood seinen 80. Geburtstag. Daß Männer seiner Profession der Unterhaltungsindustrie auch noch im hohen Alter aktiv erhalten bleiben, ist keine Neuigkeit. Doch was dieser Mann - der längst bereits mit diversen Auszeichnungen für sein Lebenswerk bedacht wurde - weiterhin im Jahrestakt veranstaltet, ist schier unglaublich. Präzise wie ein Uhrwerk reiht er Erfolg an Erfolg. Und das nicht nur als Schauspieler und Regisseur; nebenbei ist er auch noch Produzent, Politiker und Vollblutmusiker. Bei seinen Filmen nimmt er spielend Genrehürden aller Art, arbeitet kostenschonend und mit beispielhafter Geschwindigkeit, und kann dann das jeweilige Kinojahr auf diversen Award-Galas  gelassen ausklingen lassen: in der Regel als Nominierter in zumindest einer Hauptkategorie. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die kein Ende zu nehmen scheint.

 

Duke: "What you lookin' at old man?"

Walt Kowalski: "Ever notice how you come across somebody once in a while you shouldn't have fucked with? That's me."

("Gran Torino")

 

Status Quo

 

Alleine Clint Eastwoods Alterswerk stellt schon die Gesamtleistungen vieler renommierter Berufskollegen in den Schatten. Der großartige Spätwestern "Unforgiven" (1992) wurde bereits als abschließender Glanzpunkt seiner beachtlichen Karriere registriert - ein gewaltiger Irrtum. Nach "True Crime" (1999), "Space Cowboys" (2000) und "Blood Work" (2002) erschien im Jahr darauf "Mystic River". Obwohl anfangs kaum ein Studio diese Literaturverfilmung haben wollte, dürften ihm nicht nur Sean Penn und Tim Robbins für seine Beharrlichkeit ewig dankbar sein.

Noch schwerer zu kämpfen hatte er um sein "Million Dollar Baby" (2004): "I'm going to make the movie regardless of whether you want to or not", erklärte Clint den Herren von Warner Brothers damals ... und so geschah es. Das Ergebnis: Ein weiterer amerikanischer Klassiker, und ein Kassenschlager noch dazu, der mit zwei Oscars für Eastwood und je einen für Morgan Freeman und Hillary Swank prämiert wurde.

Danach wagte sich der Army-Veteran an ein Projekt, das in den hurrapatriotischen USA gesellschaftlichem Harakiri entsprach: er verfilmte die Zweite-Weltkriegs-Schlacht um Iwojima doppelt - einmal aus amerikanischer, einmal aus japanischer Sicht. Zur Sicherheit holte er Steven Spielberg als Produzenten an Bord. Im Oktober 2006 lief "Flags Of Our Fathers" an, "Letters From Iwo Jima" folgte im Dezember. An den Kassen schlug sich zwar keiner der beiden Streifen gewinnträchtig, doch das fast schon abonnierte Kritikerlob sowie diverse Nominierungen und Auszeichnungen bewiesen, daß jemand von seinem Format sich einen Dreck um angebliche Konventionen scheren muß.

 

"You better bury Ned right!... Better not cut up, nor otherwise harm no whores... or I'll come back and kill every one of you sons of bitches."

("Unforgiven")

 

"When you're alone at night, and your rage takes over and you want an avenger, what face do you put with your enemy?"

("Absolute Power")

 

Die Zukunft

 

Möglich, daß Clint Eastwood seinen letzten großen Leinwandauftritt vor der Kamera in "Gran Torino" (2008) absolvierte. Vielleicht ist heute einfach kein Platz mehr für solche der Zeit entrückten Figuren, die der hagere Hüne so schätzt: für einen Walt Kowalski, den verbitterten Koreaveteranen, der seinen geliebten Gran Torino samt Nachbarschaft sehr genau im Auge behält; für einen Frankie Dunn, den alten Boxtrainer mit dem Herzen aus Gold; oder für einen William Munny, den abgehalfterten Scharfschützen längst vergangener Jahre.

Doch Kritiker und Publikum haben sich bislang noch jedesmal geirrt, wenn sie den ewigen Helden verabschiedeten. Noch heuer dürfte "Hereafter" in die Kinos kommen, mit Matt Damon in der Hauptrolle (der zuletzt auch in "Invictus" zu sehen war): ein Mystery-Thriller.

Womit Altmeister Eastwood wieder einmal neues Terrain betritt ...

 

"Most people who'll remember me, if at all, will remember me as an action guy, which is OK. There's nothing wrong with that. But there will be a certain group which will remember me for the other films, the ones where I took a few chances. At least, I like to think so."

(Clint Eastwood)

 

 

Herr der Maschinen: JAMES CAMERON

 

Camerons Karriere ist direkt mit jener eines steirischen Polizistensohnes verknüpft, der es in Kalifornien bis zum Gouverneur gebracht hat: nach der herrlich schlechten "Conan"-Serie ließ sich Österreichs berühmtester Bodybuilder die Zähne richten und wurde unter Camerons Regie zum Star.

Der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent kultiviert jedenfalls eine ausgeprägte Hardwarepassion; sein Hang zu groß aufgezogenen Zerstörungsspektakeln brachten ihm den Spitznamen "Master Of Desaster" ein. In der Tat haben die menschlichen Protagonisten in den filmischen Welten dieses Maschinenverstehers einen schweren Stand: Der gehetzte Kyle Reese (Michael Biehn), die anfangs naiv-verletzliche, später zur Rächerin gewandelte Sarah Connor (Linda Hamilton) und schließlich Söhnchen John Connor (Edward Furlong) sind in Camerons "Terminator"-Filmen hauptberuflich auf der Flucht vor den erbarmungslosen Cyborgs. Nur wer allen menschlichen Gefühlsballast über Bord wirft, erhöht seine Überlebenschancen; wie eben Sarah, die - in einer Psychoklinik als Selbstschutz zur emotionslosen Kampfmaschine geworden - in den Kampf zieht.

Am Faszinierendsten bleiben jedoch Camerons Terminatoren selbst: Parademaschinenmensch Arnie "Äktschn" Schwarzenegger bedarf keiner näheren Erklärung; und Robert "T-1000" Patrick spielte als "mimetische Polylegierung" die Rolle seines Lebens.

 

John Connor: "We're not gonna make it, are we? People, I mean."

The Terminator: "It's in your nature to destroy yourselves."

John Connor: "Yeah. Major drag, huh?"

("Terminator 2")

 

Status Quo

 

Nach dem fulminanten Sequel zu Ridley Scotts Weltraummonster-Spektakel ("Aliens - Die Rückkehr", 1986) war es wieder eine Maschine, die James Camerons Ruhm für alle Zeiten festschrieb; weniger futuristisch, aber dafür in gewissem Sinne historisch brach "Titanic" (1997) alle Rekorde.

Die Katastrophenfahrt des Riesendampfers bot dem Regisseur, womit er sich am liebsten beschäftigt: eine überproportionierte Technik, die sich der Kontrolle ihrer Schöpfer entzieht, im Kampf gegen "organische" Natur.

Dem Sujet blieb er danach auch mit seiner Tiefsee-Trilogie treu ("Expedition Bismarck"/2002, "Ghosts Of The Abyss"/2003 und "Aliens Of The Deep"/2005).

Im Vorjahr überraschte er mit dem großteils computeranimierten Blockbuster "Avatar". Es stellt sich die Frage, was er nach dieser höchst ertragreichen Pandora-Mission als nächstes vorhat. Angeblich traf er bereits vor zehn Jahren Vorbereitungen für einen privaten Weltraumtrip zur ISS.

Sehr weit weg würden ihn vermutlich diverse ehemalige Mitarbeiter oder auch die eine oder andere Ex-Ehefrau wünschen: mit dem rechthaberischen Set-Tyrannen fällt das Auskommen dem Vernehmen nach ziemlich schwer.

 

Ruth: "So this is the ship they say is unsinkable."

Cal Hockley: "It is unsinkable. God himself could not sink this ship."

("Titanic")

 

Die Zukunft

 

Noch auf Erden konnte immerhin Kathryn Bigelow - seine dritte Ehefrau - den rücksichtslosen Perfektionisten kürzlich in die Schranken weisen: Das pikante Aufeinandertreffen im Zuge der 82. Acadamy Award-Verleihung wurde zugunsten seiner ehemaligen Lebensgefährtin entschieden, deren zurückhaltende Dankesrede einen zusätzlichen Kontrapunkt zum sonst überschwenglichen Siegestaumel ihres Ex-Gatten setzte.

Er selbst bereitet derweil seine nächsten Karriereschritte vor: Denn nach Avatar ist vor Avatar. Cameron bestätigte bereits das Unvermeidliche - ein Sequel (zumindest) steht uns ins Haus. Aber auch die seit langem geplante Live Action-Umsetzung der "Battle Angel"-Manga-Serie bleibt weiterhin ein Thema; mögliche Schwierigkeiten bei der Adaptierung dürfte ihm mittlerweile wohl niemand mehr unterstellen.

Verabschieden wird er sich indes vermutlich von seinem Nuklearwaffen-Projekt, der Verfilmung von "The Last Train From Hiroshima": Nachgewiesene faktische Fehler im Text haben seitens des Verleihers erst zur Ankündigung einer korrigierten Fassung und kürzlich zu einem kompletten Verkaufsstop des Buches geführt.

James Cameron-Filme sind die minutiös geplanten Big Budget-Operationen eines Technikbesessenen, dem bislang kein echter Fehltritt unterlaufen ist. Solange er den narrativen Fokus nicht inmitten der digitalen Pracht seiner immer opulenter ausfallenden High Tech-Leistungsschauen verliert, wird sein Nimbus als einer der Größten Hollywoods auch weiterhin bestehen bleiben.

 

"Well, I see our potential destruction and the potential salvation as human beings coming from technology and how we use it, how we master it and how we prevent it from mastering us."

(James Cameron)

 

 

Behind Enemy Lines: PAUL GREENGRASS

 

Wer sich einem Film des politisch motivierten Engländers anschaut, sollte besser keine pazifistischen Beschaulichkeiten erwarten: der Mann reißt sein Publikum nur allzugern mitten in kriegerisches Leinwandgeschehen. Kurzerhand findet sich der Zuseher dann etwa auf den Straßen Derrys im Nordirland des Jahres 1972 wieder und wird Zeuge, wie britische Truppen ein Massaker unter irischen Demonstranten anrichten ("Bloody Sunday", 2002). Die Handkamera dicht am brutalen Geschehen; harte Schnitte; eine tosende, ungefilterte Geräuschkulisse - die Arbeiten dieses Regisseurs kreisen in der Regel um zerstörerische Konflikte persönlicher und politischer Natur. Alles ist in ständiger, tumultartiger Bewegung; für Pathos oder Heldentum bleibt in Greengrass' Welt kein Platz. So reinigte er den zweiten Teil der "Bourne"-Trilogie von allfällig hinderlichen Sentimentalitäten und verwandelte den zuvor etwas orientierungslosen Hauptprotagonisten in eine eiskalte Rächermaschine: "The Bourne Supremacy" (2004) wurde so zu einem durchkomponierten, imponierend kühlen Action-Thriller der Oberklasse und markierte gleichzeitig Paul Greengrass' Ankunft in Hollywood.

 

"All over this city tonight, young men... boys will be joining the IRA, and you will reap a whirlwind."

("Bloody Sunday")

 

Status quo

 

Bevor er der "Bourne"-Kinoreihe mit "The Bourne Ultimatum" (2007) zu einem würdigen Finale verhalf, inszenierte Greengrass den mit Abstand eindrucksvollsten Beitrag zur 9-11-Anschlagsserie: "United 93" (2006).

Die Geschichte jenes gekaperten Passagierfluges, der damals sein terroristisches Ziel verfehlte, ist ein zeitloses - wenngleich dramatisiertes - Dokument der Ereignisse und zudem ein spannungsintensives cineastisches Meisterstück. Nicht eine einzige Filmsekunde wird hier an melodramatische Ausschmückungen oder künstlich glorifizierte Heldenfiguren verschwendet; Paul Greengrass perfektioniert einen naturalistischen Doku-Stil, der beim Publikum durchaus den gewünschten Effekt erzielt.

 

Mohammed Atta: "We have some planes..."

("United 93")

 

Die Zukunft

 

Direktheit und Schonungslosigkeit, mit schnellen Schnitten verabreicht, sind das Signum des Briten.

Er bleibt seiner Linie treu und marschiert schnurstracks ins nächste historische Krisengebiet: "They Marched Into Sunlight", eine Adaption des David Maraniss-Vietnam-Bestsellers. Zwei Haupthandlungsstränge eröffnen entsprechende narrative Fronten: Einerseits im südostasiatischen Kriegsgebiet selbst, wo gerade ein schwerer militärischer Rückschlag die Kampfmoral der Amerikaner untergräbt, und zum anderen auf heimischen Boden in Wisconsin, wo im selben Jahr (1967) ein Studentenaufmarsch gegen einen Napalmproduzenten stattfindet. Paul Greengrass wird sich wohl auch dieser Thematik auf jene Art und Weise annehmen, die man von ihm mittlerweile gewohnt ist - hochprofessionell und ohne Rücksicht auf Verluste.

 

"I am interested in seeing if you can create on film pieces that feel contemporary and urgent. You wouldn't expect to see me making Pride and Prejudice."

(Paul Greengrass)

 

 

Weder populäre Strömungen noch studiopolitische Bedenken bringen Urgestein Clint Eastwood aus der Fassung; die Welt ist nicht genug für James Cameron, der prinzipiell nur die schwersten Geschütze auffährt; kein politischer Brandherd ist zu heiß, um nicht von Paul Greengrass angegangen zu werden. Diese Männer verstehen ihr Geschäft - und werfen sich mit Überzeugung in die ewig tobende Schlacht um die Kinokassen unserer Welt.

Komplettiert wird das genannte Dutzend im letzten Part unseres Vierteilers, der Sie an gleicher Stelle in nicht allzuferner Zeit erwartet.

Dietmar Wohlfart

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