Stories_"Dylan Dog"-Comics

Mein Name ist Dog ... Dylan Dog!

Seit 21 Jahren sorgt der "Jäger des Grauens" in Italien für zerlegte Monsterleiber, gebrochene Frauenherzen und satte Umsätze; seit sechs Jahren auch auf deutsch. Thomas Fröhlich geht der Frage nach, was die Faszination des schlaksigen Dylan Dog ausmacht - und begibt sich auf gespenstisches Terrain.    14.05.2007

Homer, die Bibel und Dylan Dog sind so gut, daß ich sie täglich lese.

(Umberto Eco)

 

Tod und Teufel!

(Lieblingsfluch von Dylan Dog)

 

 

Prolog: Ein Kinobesuch des Grauens

 

Wir schreiben das Jahr 1994 und befinden uns in Wien. Genauer gesagt: im italienischen Kulturinstitut in der Ungargasse im 3. Wiener Gemeindebezirk.

Ab und zu werden an selbigem Ort nämlich Filme gezeigt: zumeist künstlerisch wertvolle, veristisch-sozialkritische Klassiker oder wenigstens familienfreundliche Streifen in italienischer Originalfassung für Wiens italienische comunitá sowie jene indigenen cine- und italophilen Wichtigtuer, die voll des Lobes darüber sind, daß hier astreines italienisches Filmschaffen ohne störende Untertitel angeboten wird.

Diesmal auf dem Programm: keine Taviani-Scola-Fellini-de-Sica-Werkschau mit anschließender Wein-aus-der-Toskana-Verkostung, sondern die erste (und hierzulande einzige) Aufführung eines eben erst fertiggestellten Films mit dem kryptischen Titel Dellamorte Dellamore und Rupert Everett in der Hauptrolle. Regie führte der gelehrige Argento-Schüler Michele Soavi; die literarische Vorlage wiederum stammt vom italienischen Schriftsteller und Comics-Texter Tiziano Sclavi.

"Aha!" denkt sich der Schreiber dieser Zeilen und frohlockt verhalten, eingedenk der durchaus gelungenen Vorgängerfilme des Regisseurs wie "La Chiesa" ("The Church", 1989) oder "La Setta" ("The Sect" alias "Devil´s Daughter", 1991), beides hübsche Beispiele für das letzte Aufflackern dessen, was man in den 70er und 80er Jahren unter Eingeweihten ehrfürchtig als Italo-Horror bezeichnet hat. Also ab ins italienische Kulturinstitut!

Dortselbst harrt eine illustre und ahnungslose Schar an italienischstämmigen Müttern, Vätern, Tanten, Onkeln, Großmüttern und Großvätern mit den dazugehörigen bambini dessen, was folgen sollte. Berufs-Cineasten sind keine zu sehen.

Dann wird´s dunkel, und der Film beginnt.

Als in den ersten zwei Minuten vom aufmerksamen Friedhofswächter Dellamorte (Rupert Everett) die ersten Zombie-Schädel leinwandfüllend weggepustet werden, und er es wenig später mit einer nekrophil veranlagten schwarzgekleideten Schönen (Anna Falchi) auf den nicht sehr sauber wirkenden Knochen des nahe gelegenen Karners treibt, leert sich der Kinosaal merklich. Unter Abgabe mittelwüster Verwünschungen und dem Bedecken unschuldiger Kinderaugen durch erziehungsberechtigte Handflächen begibt sich beinahe das komplette anwesende "Little Italy" Wiens zur Tür hinaus.

Im Saal verbleiben nur noch ein paar Einzelpersonen wie der Schreiber dieser Zeilen, die Blicke starr auf die recht ansehnlichen Brüste Anna Falchis gerichtet und/oder in Vorfreude auf Kommendes dreckig grinsend.

Doch auch die dürfen sich noch auf einiges gefaßt machen.

"Dellamorte Dellamore" ist alles andere als eindimensionaler Straight-In-Your-Face-Sex-Splatter (was auch okay wäre): Autor Sclavi, Regisseur Soavi und Hauptdarsteller Everett erzählen in diesem Film nicht mehr und nicht weniger als eine wunderbar unheimlich-erotisch-poetische Geschichte über Liebe, Tod, Sex, Erwachsenwerden, Freundschaft und - last, but not least - das Ende der Welt (oder das, was man möglicherweise dafür hält). Zugleich ist der Film wahrscheinlich der letzte große Eintrag ins Buch des Italo-Horror, der diesen Namen verdient.

Die Story ist schnell erzählt: Der Friedhofswärter des idyllisch inmitten fruchtbarer Hügel gelegenen Dorfes Buffalora, Dellamorte (Rupert Everett), hindert die Toten (die einfach immer sechs Tage nach ihrem Ableben als Zombies auferstehen) daran, Schaden anzurichten (was zu tun Zombies nun einmal eigen ist), indem er sie (wir kennen das) mit einem gut gezielten Kopfschuß nachhaltig außer Gefecht setzt. Jahrelange Routine läßt ihm seine Tätigkeit relativ langweilig erscheinen; gemeinsam mit seinem scheinbar geistig behinderten Assistenten Gnaghi führt er ein unspektakuläres Leben, bis ... ja, bis er sich eines Tages unsterblich verliebt.

Rupert Everett spielt den Friedhofswärter - und wirkt von Ausdruck über Charakter bis hin zur Kleidung (dunkle Jeans, weißes Oberhemd, schwarzes Sakko) wie die fleischgewordene Kopie einer italienischen Comics-Legende namens Dylan Dog. Das ist alles andere als ein Zufall, da die Handlung des Films auf einem Roman Tiziano Sclavis basiert - und der wiederum bezieht sich auf eine "Dylan Dog"-Geschichte namens Orrore nero, in der neben Dylan Dog auch der Friedhofswärter Dellamorte vorkommt.

Besagter Dylan Dog wurde vom Schriftsteller und Comics-Texter Tiziano Sclavi nach dem Aussehen Rupert Everetts acht Jahre zuvor (1986) im sonnigen Italien konzipiert, als die italienische Genre-Filmindustrie langsam ihren Niedergang einzuleiten begonnen hatte und Comics (bzw. deren Erwachsenenvariante, die sogenannten fumetti) die einzigen Örtlichkeiten boten, an denen besagte Genres weiterleben, sich gleichsam neu erfinden konnten.

 

Dylan Dog - der Jäger des Grauens

 

Ein Ex-Scotland-Yard-Mitarbeiter, der an Flugangst leidet, ein trockener Alkoholiker, der ausschließlich dunkle Jeans, ein rotes Oberhemd und ein schwarzes Sakko trägt (wovon er mehrere, identisch aussehende, im Kleiderschrank hat), mitunter linkisch wirkend und gleichzeitig mit Fred-Astaire-hafter Eleganz durchs Geschehen schlendernd, ein selbsternannter Detektiv des Grauens ("indagatore dell´incubo"), der zugleich ein hoffnungsloser Romantiker und melancholischer Frauenfreund (seltener: -versteher) ist, Fahrer eines alten VW-Käfers mit dem Kennzeichen "DYD 666" und Arbeitgeber eines Assistenten, der Groucho Marx nicht nur ähnlich sieht, sondern auch so heißt und dem filmischen Original in punkto dämlich-tiefgründiger Kommentare in nichts nachsteht ...

Über Dylans Herkunft erfährt man Widersprüchliches. Von einem Vater mit zwiegespaltener Seele wird gemunkelt, ja, vom Teufel selbst; mütterlicherseits scheint eine gewisse Nähe zu Hexen und Zombies zu bestehen. Jedoch: Genaueres weiß man nicht.

Und so einer ist tatsächlich Italiens Comics-Held Nr. eins?

Ja, die Rede ist von Dylan Dog, der seit nunmehr 21 Jahren das Leben von mitunter über einer Million Italiener pro Ausgabe versüßt - und davon sind 40 Prozent weiblich, was im Comics-Geschäft sowieso als kleine Sensation gilt. Als Graffiti an Wänden, auf Gemälden diverser Straßenmaler, als T-Shirt-Aufdruck sowie mit unzähligen Auflagen am Kiosk und im Buchgeschäft: der schlaksig-charismatische Geisterjäger und Klientinnen-Beischläfer im roten Hemd ist aus der italienischen (Pop)-Kultur nicht mehr wegzudenken!

Wem fällt eigentlich sowas eigentlich ein?

 

Tiziano Sclavi - der Autor des Grauens

Geboren wurde der Dylan-Dog-Erfinder Tiziano Sclavi 1953 in Broni (Pavia), doch arbeitet und lebt er heute in Mailand. Zu schreiben begann er schon in jungen Jahren und war ab 1976 eine Zeit lang als Journalist tätig.

Mit 21 Jahren gewann er mit dem Roman Film den renommierten Scanno-Preis und schrieb in den folgenden Jahren an die zehn Bücher, einige unter seinem Pseudonym Francesco Argento (!). In den 70er Jahren entdeckte Sclavi sein Interesse für Comics, erst als Redakteur, dann als Autor für Rizzoli. Anschließend beteiligte er sich an der Arbeit an Corriere dei Ragazzi und am Corriere dei Piccoli.

1981 wurde er fest beim Comic-Verlag Bonelli eingestellt. Er schrieb Storys für die Reihen "Ken Parker", "Mister No", "Zagor" und "Martin Mystère". Seinen Namen verbindet man allerdings in erster Linie mit dem Comic-Helden und Geisterjäger Dylan Dog. Vom ersten Jahr (1986) an genießt der einen unglaublichen Erfolg. Dies ist nicht zuletzt der außergewöhnlichen (und aus üblichen fumetti ziemlich herausragenden) Schwarzweiß-Düsternis der Zeichnungen sowie dem filmischen Touch zu verdanken, der die komplette Serie durchzieht, wobei letzterer bisweilen in eine ziemliche Filmzitate-Sammlung ausartet, ohne jedoch die Story zu stören oder zu gefährden - oder gar über Gebühr zu ironisieren.

 

Überhaupt hat "Dylan Dog" dem Film einiges zu verdanken. Sclavi macht auch keinen Hehl aus den Werken, die ihn beeinflußt haben: George A. Romeros Dawn Of The Dead steht da ebenso Pate wie David Lynchs Elephant Man, Tod Brownings Freaks, Alfred Hitchcocks Psycho (Anthony Perkins taucht in einer Geschichte sogar als sinistrer U-Bahn-Chauffeur auf) oder die Schauspielerin Kim Novak in einiger ihrer (Horror/Suspense-)Filmrollen. Dylans Vorname ist dem Autor Dylan Thomas entliehen (den sich in den Sixties auch schon ein gewisser Robert Zimmermann unter den Nagel gerissen hat), seine Adresse, Craven Road 7, dem Nachnamen des Regisseurs Wes Craven. Der Nachname Dog stammt angeblich aus einem Buch von Mickey Spillane, dessen italienischer Titel "Dog figlio di" lautete.

Doch ungeachtet der brodelnden Zitateküche nehmen Sclavi und seine Zeichner die Gestalt Dylan Dog ernst, auch wenn künstlerische Brechungen und Verfremdungseffekte immer wieder durch die Geschichten mäandern. "Dylan Dog" stellt eine Antithese zu den Nachmachwerken der Tarantinos dieser Welt dar, denen es nur um die clevere augenzwinkernde Bestandsaufnahme ihrer eigenen popkulturellen Hohlwelt geht, ob im Film, in der Literatur oder in der Musik. Ähnlich wie beim eingangs erwähnten "Dellamorte Dellamore" wechseln Splatter-getriebener Horror und melancholisch-träumerische Poesie einander in den Comics ab - oder gehen miteinander in so mancher Szene, in manchem Panel, eine düstere Symbiose ein.

 

Die Serie - Geschichten des Grauens

 

Das Grundkonzept läßt sich wohl am besten mit "Ein Mann - ein Abenteuer!" umschreiben: Dylan ist ein meist mittelloser Detektiv, der auf übernatürlich gelagerte Fälle abonniert ist und gelegentlich allein, zumeist aber gemeinsam mit seinem Assistenten Groucho die verschiedensten Horrorabenteuer durchlebt, fein abgeschmeckt mit schönen Frauen, schrecklichen Monstern, einer zumeist noch schlimmeren „Normalität“, eruptiver Action und jeder Menge geheimnistrunkener Suspense.

 

Was die Serie allerdings wirklich von anderen abhebt, sind die liebevoll angebrachten Details: Dylan Dog hat, wie viele Comic-Helden (Donald Duck!), immer das gleiche an, was aber daran liegt, daß er sich nach dem Tod seiner Frau zwölf identische Outfits gekauft hat. So wie Sherlock Holmes seine Geige malträtiert, wenn er sich zu entspannen sucht, spielt Dylan Dog Flöte oder bastelt an einer Miniaturgaleone - eine Tätigkeit, die natürlich nie beendet wird. Den Suff hat er hinter sich, dafür ist er einer gelegentlichen Zigarette nicht abhold. Dylan Dogs Schlaf ist meist ein Hort übler Alpträume, zudem wird er von Flugangst (weswegen er London selten verläßt), Höhenangst (Vertigo!) und Angst im Dunkeln (weswegen er gern das Licht anläßt) geplagt.

Ein Gewinnertyp mit Wellness-umflortem Kampfgrinsen ist Dylan Dog mit Sicherheit nicht, eher einer, der (man glaubt´s mitunter kaum) schlichtweg überlebt. Überhaupt wird in seiner Umgebung ziemlich exzessiv vor sich hin gestorben - der Tod, in Gestalt des traditionellen Kapuzenroben-Skeletts oder einer wunderschönen Frau (no na!) namens Hope, ist im "Dylan Dog"-Universum sowieso allgegenwärtig. Und ähnlich wie Max von Sydow in Ingmar Bergmans "Das siebente Siegel" spielt Dylan gelegentlich auch mit diesem, seinem ewigen wahren Widersacher Schach. Alle anderen Gegenspieler stellen (bis auf wenige Ausnahmen) sowas wie das "Monster des Monats" dar, ob es sich nun um Zombies, Serienmörder, Vampire, Werwölfe, Hexen, entmenschte Schlitzer, Frankensteineske Ungeheuer oder Dienst nach Vorschrift versehende Postbeamte handelt.

Die wahren Monster sind ja sowieso die "normalen" Menschen.

Zudem ist Dylan Dog eine ziemlich urbane Gestalt. Im Gegensatz zu den Helden, Rächern und Gesetzeshütern amerikanischer Comic-Provenienz, die üblicherweise vom Suburbia-Glück mit Garten, Hunderl, Kindersegen und Göttergattin träumen (und nur deshalb anderen die Birne wegpusten und Gemächte eintreten, weil sie eben genau das nicht haben können oder weil ihnen dies - wie etwa beim Punisher - von irgendeiner Achsenmacht des Bösen genommen wurde), wäre dieser way of life für Dylan Dog der sichere Weg in galoppierenden Wahnsinn und völlige geistige Umnachtung (und wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb sein Auftritt in "God´s Own Country" auf sechs Ausgaben beschränkt war). Dylan Dog ist ein überzeugter Städter; außerdem will ja pro Folge mindestens eine überaus ansehnliche Frau mit ihm ins Bett (und er mit ihr) - dem läßt sich´s in einem pittoresken Haus in einer ebenso pittoresken Stadtstraße halt einfach stilvoller und glamouröser nachkommen als in einem gesichtslosen Vorort. Innenstädte sind sexy - und Dylan Dog, der seit seinem Abschied aus dem Polizeidienst mehr Sex hat als jeder andere Londoner, wird dem wohl uneingeschränkt zustimmen.

 

Die Nebenfiguren - Begleiterscheinungen des Grauens

 

Immer wiederkehrende Personen (ob lebend, tot oder untot) gehören über die Jahre zum "Dylan Dog"schen Inventar: Groucho, den Doppelgänger des berühmtesten Marx-Brother, haben wir schon erwähnt. Außerdem gibt es da noch einen gewissen Lord H. G. Wells (!), der mit strammem Erfindergeist und geradezu enzyklopädischem Wissen ausgestattet ist; eine mehr als 100 Jahre alte Wahrsagerin, Madame Maria Trelkovski; den sinistren, ziemlich eierköpfigen Besitzer eines ebenso sinistren Ladens namens "Safara"; und last but definitely not least Inspektor Bloch (dem britischen Schauspieler Robert Morley nachempfunden), den Mentor und Freund von Dylan, der in ständiger Angst lebt (nicht zuletzt aufgrund der Fälle, in die er durch den Jäger des Grauens hineingezogen wird), Pension, persönliche Lebensdauer und Mageninhalt nachhaltig zu gefährden.

Als Dauerfeinde oder wenigstens -kontrahenten wären noch anzuführen: Xabaras, Dämon und Zauberer (und möglicherweise mit Dylan Dog auf unheilvoll-verquere Art verwandt); Jamais Nonplus, ein gefürchteter und geachteter Vodoo-Zauberer und Mann mit zwei Gesichtern (und offenbar pragmatisierter Beamter als Verwaltungsdirektor eines Dante zur Ehre gereichenden Infernos); Kim, die Hexe des Westens, mit ihrem ziemlich schlecht erzogenen Kater Cagliostro und und und ...

 

Dylan Dog im deutschsprachigen Raum – Das Grauen geht weiter

 

2001 brachte der Carlsen-Verlag den Comic in Deutschland auf den Markt. Aufgrund mangelnder Nachfrage stellte er allerdings die Serie nach Band 20 im November 2002 wieder ein. Die Edition Schwarzer Klecks führt die Serie dankenswerterweise seitdem in niedriger Auflage monatlich fort. Da man sich bei dieser Ausgabe (es erscheinen eben die Bände 55 und 56) auf ein "Best of" beschränkt (wohl leider auch beschränken muß), fehlt eine klare Chronologie - doch erhalten Interessierte auf der Homepage der Edition jede Menge an Background-Information. Empfehlenswert (nicht nur für Einsteiger) ist auch Band 50 der Reihe, der als Jubiläumsband nicht nur für jene, die´s ganz genau wissen wollen, de facto unumgänglich ist!

 

Epilog: Eine Zugfahrt des Grauens

Wir schreiben noch einmal das Jahr 1994. Der Schreiber dieser Zeilen, der nach dem Besuch von "Dellamorte Dellamore" mit dem Zug für ein paar Tage in ein nebliges, naßkaltes, aber hübsch düsternisumflortes Venedig fährt, ersteht dortselbst (vom Film dazu animiert) an diversen Kiosken eine größere Anzahl italienischsprachiger "Dylan Dog"-Comics, deren Inhalt er mit Hilfe der Zeichnungen, halbvergessener Lateinkenntnisse, seiner damaligen, italienisch radebrechenden Lebensabschnittspartnerin und wohldosierter Mengen Campari-Soda zu erheischen trachtet.

Bei der Rückfahrt aus Venedig hat er, gemeinsam mit besagter Lebensabschnittspartnerin, auch die Grenze zum nebligen, arschkalten und lügenumflorten Kärnten zu überqueren (da muß man halt durch, um nach Wien zu gelangen) - und da steigt noch auf italienischer Seite der italienische Amtmann ein, groß, hager, ein wenig blaß, die Pässe zu kontrollieren. Doch kaum wird er der im Abteil offen aufgeschlagenen "Dylan Dog"-Hefte ansichtig, verzieht sich sein Mund zu einem kumpelhaft-wissenden Grinsen, meint (O-Ton): "Ahhh ... Dylan Dog!", klopft dem Schreiber dieser Zeilen anerkennend auf die Schultern, schnalzt verständnisinnig mit der Zunge irgendwo im Gaumen herum und verläßt, ohne auch nur einen Blick in die ebenso bereitliegenden Pässe zu werfen, das Abteil.

Italo-Klischee pur. Aber ... sie sehen einander an, die Lebensabschnittspartnerin und der Schreiber. Lächelnd, die Mundwinkel leicht verzerrt. Denn sie beide wissen, was das jeweilige Gegenüber denkt ...

Da gibt´s doch diese "Dylan Dog"-Geschichte, in der ein Zugkontrolleur, groß, hager, ein wenig blaß, der verwegen mit der Zunge vor sich hin schnalzt, mit dem Messer ... und nicht zu vergessen, der Kugelschreiber im Auge ... und die verstreuten Eingeweide ... und ...

Eines ahnen sie aber dennoch: Der wahre Horror hat noch gar nicht begonnen. Als dann nämlich auf karinthischer Seite der österreichische Kontrolleur einsteigt ...

 

Ich vergesse nie ein Gesicht - aber bei Ihnen könnte ich eine Ausnahme machen!

(zweitliebste Beleidigung von Dylan Dog)

 

Ende ... dieser Episode.

Thomas Fröhlich

Tiziano Sclavi - Dylan Dog


Bildmaterial © Bonelli (TM); für die deutsche Ausgabe Kult Editionen

 

"Dellamorte Dellamore" ist hierzulande von Laser Paradise auf DVD erhältlich, in England und den USA als "Cemetary Man" von VellaVision bzw. naturgemäß Anchor Bay.

 

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