Video_The Final Cut

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Als würdevoller Bürdenträger mit Endschnittkompetenz gefällt lediglich Ex-Clown Robin Williams in dem sozialkritisch angehauchten Sci-Fi-Drama.    13.04.2005

Er ist der postmoderne Biograph und Leichenbestatter einer nahen Zukunft: Der akribisch vorgehende Manipulator, der die kollektive Erinnerung an verstorbene Seelen retuschiert, frisiert und somit quasi neu erschafft, heißt Alan Hakman (Robin Williams) und ist von Beruf "Cutter". Mit Hilfe der neumodischen "Zoe"-Technologie ist er in der Lage, die auf Datenchips gespeicherten Lebensgeschichten kürzlich Verblichener gründlich zu durchforsten. Unerfreuliche Ereignisse, die sich in jenen Existenzen einst zugetragen haben, werden von Hakman mit hoher Präzision isoliert und ausgemerzt. Die trauernde Verwandtschaft sieht es ihm nach, arbeitet Alan doch ganz in ihrem Sinne und verbannt die dunklen Geheimnisse und delikaten Details aus den Lebensläufen der Verschiedenen. Das Resultat dieses sorgfältigen Reinigungsprozesses wird im Kreise der Familie in pathetischen Privatmessen, sogenannten "Rememories", unter Hakmans Aufsicht ausgiebig zelebriert. Der akkurat montierte Gedächtnisbilderbogen läuft dann, gleich einem Spielfilm, mit einem emotionsfördernden Esoterik-Score unterlegt, vor den Augen der anwesenden Trauergmeinde ab.

Dabei wurde Alan Hakman nicht etwa spaßeshalber oder gar aus wissenschaftlichem Interesse zum verbissenen Verfechter einer höchst umstrittenen Technologie. Der Mann ist seit seinen frühesten Kinderjahren traumatisiert, wurde er doch einst zum Zeugen des tragischen Unfalls eines Spielkameraden, an dem er sich die Alleinschuld gibt. Unfähig Vergangenes ungeschehen zu machen, nimmt er die Möglichkeit wahr, wenigstens entscheidende Korrekturen in den aufgezeichneten Lebenswegen anderer vorzunehmen.

Es ist eine konfliktbeladene Tätigkeit, der Hakman mit missionarischem Eifer nachgeht. Für soziale Kontakte bleibt da wenig Zeit. So unterschreiten seine Bemühungen um die junge Delila (Mira Sorvino), deren Rolle einer Muse weit mehr entspricht als einer Geliebten, sämtliche beziehungstechnischen Mindeststandards. Zusätzlich wird Alan vom einstigen Cutter-Kollegen Fletcher (Jim Caviezel), der die Seiten gewechselt hat und nunmehr zu den schärfsten Kritikern des "Zoe"-Verfahrens zählt, arg bedrängt. Fletcher ist jedes Mittel recht, Hakman und mit ihm den gesamten Berufstand der obskuren Schneidekünstler zu zerschlagen.

Es ist eine hochinteressante Grundidee, die uns Omar Naim, Drehbuchautor und Regisseur von "The Final Cut", serviert. Doch als filmischer Unterbau funktioniert das Konzept nur bedingt: Naim kratzt bloß an der Oberfläche und verläßt sich allzu sehr auf die verheißungsvolle Prämisse. Die ethische Komponente wird nur gestreift, auf plausibel gezeichnete Nebenparts praktisch zur Gänze verzichtet. Nur der überzeugende Robin Williams besteht als seelisch verkrüppelter Sündenträger. In seiner Darstellung des melancholisch-unterkühlten Gedächtnischirurgen glaubt man phasenweise ein Echo seiner famosen "One Hour Photo"-Performance wahrzunehmen.

Der Rest ist Klischee. Dies gilt für die überraschungsarme Story ebenso wie für die simpel gebauten Charaktere: Sorvinos dümmliche "Delila" weckt Agressionen, Caviezels Rolle wird auf ein schmerzhaft schlichtes und nicht näher erforschtes Rachemotiv reduziert. Die Präsentation kann sich hingegen durchaus sehen lassen: Naim inszeniert handwerklich solide und nicht unelegant. Klassisches, mondänes Design verschmilzt mit den High-Tech-Spielereien der unweiten Zukunft. Doch weder die schicke Optik noch der herausragene Williams können davon ablenken, daß das Potential des vielversprechenden Grundgedankens über weite Strecken verschenkt wurde. Schade.

Dietmar Wohlfart

The Final Cut

ØØØ


Splendid Entertainment (USA 2004)

DVD Region 2

91 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder engl. OF

Features: Interviews, Trailer

Regie: Omar Naim

Darsteller: Robin Williams, Mira Sorvino, James Caviezel

 

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