Deadsoul Tribe - The January Tree
ØØØ
InsideOut
(Ö/30. 8. 2004)
Ein Baum im Winter ist Sinnbild für Tristesse. Wenn jemand Devon Graves heißt, läßt er sich von einem solchen Bild gleich für ein ganzes Album inspirieren. 02.10.2004
Kennt jemand St. Pölten? Ja - das ist die Stadt mit den schwulen Priestern und Orgien in den Seminaren. Die mit der stinkenden Fabrik. Gäbe es all das nicht, wäre St. Pölten ein charakterloser Fleck auf der Landkarte. Da gibt es keine richtige Szene. Das geht sogar so weit, daß eine Geisterstadt im Wilden Westen belebter ist als St. Pöltens "City".
Ausgerechnet dort aber blühte ein Exilamerikaner namens Devon Graves auf. Und er ist kein Unbekannter - schließlich genießt seine ehemalige Band Psychotic Waltz Legendenstatus.
Nicht von seiner Wahl-Heimatstadt, sondern von einem winterlichen Baum holte sich Graves eine gehörige Portion Melancholie, um nun beinahe im Alleingang (obwohl die Band eigentlich aus drei weiteren Musikern besteht) das dritte Deadsoul-Tribe-Album zu veröffentlichen.
"The January Tree" ist düsterer als die Vorgänger. Hypnotisch wie die vielen Augen einer Spinne sind die Baßläufe des Openers "Spiders And Flies", verlockend wie der Gesang der Sirenen die Gitarren in "Sirens", die noch dazu an alte Psychotic-Waltz-Zeiten erinnern. Und Devon Graves versteht es, seinen einzigen Mitmusiker zu fordern. Das Schlagzeugspiel von Adel Moustafa in "Wings of Faith" hätte jedem anderen den Schweiß aus den Poren getrieben. Moustafa hingegen meistert es mit Bravour, und punktgenaues Timing bestimmt seine Einsätze. Devon Graves steuert dazu Riffs bei, wie man sie von Ministry schon lange nicht mehr gehört hat. Und wenn wir schon bei Vergleichen sind: Der Song "Toy Rockets" könnte auch von Tool stammen, die sich als Flötenspieler den Typen von Jethro Tull in die Band geholt haben.
Überhaupt setzt Devon nicht allein auf seine Stimme, sondern auch auf die Flöte, die weite Teile der siebenminütigen Ballade "Just Like A Timepiece" trägt. Das Stück, übrigens eine schmachtende Wiederverwertung aus seinem 93er-Soloausflug "The Strange Mind of Buddy Lackey", ist nicht nur das absolute Highlight des düsteren Albums, sondern auch der am leichtesten zugängliche Song. Für die anderen muß man - so ist das eben beim Hypnotisieren - besonders empfänglich sein. Und das ist heutzutage in unserer bekannt schnellebigen Gesellschaft leider selten jemand.
Live kann man sich von Devons Qualität übrigens am 3. Oktober im Chelsea überzeugen. Bei freiem Eintritt!
Deadsoul Tribe - The January Tree
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InsideOut
(Ö/30. 8. 2004)
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